MVG-Chef König im AZ-Interview: "Mehr geht nicht mehr"

Münchens Verkehrs-Chef Herbert König über den 2-Minuten-Takt bei der U-Bahn, ausgereizte Kapazitäten, das Warten auf die Tram durch den Englischen Garten und das U-Bahn-Jubiläum 2011.
AZ: Herr König, draußen ist tiefster Winter. Das müsste Ihr Lieblingswetter sein, oder?
HERBERT KÖNIG: Einerseits ja, weil wir natürlich merken, dass bei solchem Wetter noch mehr Fahrgäste unser Angebot nutzen. Andererseits will ich nicht behaupten, dass das Wetter nicht auch uns hin und wieder bei der Betriebsabwicklung Probleme macht. Wenn ein System so ausgelastet ist wie unser Nahverkehrssystem, ist es manchmal schwierig, manchmal auch unmöglich, bei schlechtem Wetter zusätzliche Kapazitäten zur Verfügung zu stellen.
Aktuell hat man im Berufsverkehr den Eindruck, die U-Bahnen platzen aus allen Nähten.
Durchaus zurecht. Aber man kann Fahrzeuge nicht vorhalten für einige wenige Nachfragespitzen an einigen wenigen Tagen im Jahr.
Wie sind Sie heute in die Arbeit gekommen?
Ich bin mit dem Auto gefahren, weil ich es gleich noch brauche. Das habe ich aber über weite Teile ziemlich bereut. Ansonsten komme ich je nach Tagesplan mit dem Zug oder mit dem Auto. Aber ich bin oft mit unserem Netz unterwegs, so dass ich eigene Erfahrungen sammeln kann.
Sie haben kürzlich eine Angebotsoffensive vorgestellt – als Konzept gegen Kapazitätsprobleme. Wie schnell greift das?
Das ist ein mehrstufiges Konzept, das bis ins Ende dieses Jahrzehnts reicht. Die Kunden werden jedes Jahr etwas davon merken, weil das Leistungsangebot jedes Jahr wachsen wird – schon jetzt am Sonntag mit der Verlängerung der U3 nach Moosach und ein paar anderen Maßnahmen um etwa ein Prozent.
Jede Infrastruktur hat ihre Grenze: Wann ist das Ende der Fahnenstange erreicht?
Wir wollen 2014 in der Innenstadt auf einem Linien-Abschnitt der U-Bahn den 2-Minuten-Takt beginnen. Und auf einem zweiten Abschnitt dann ab 2017. Mit dieser nochmaligen Verdichtung in der Innenstadt ist dann auch die Kapazitätsgrenze bei der U-Bahn ausgereizt. Ohne Zweifel. Mehr wird nicht mehr gehen. Weil die Strecken und auch die Bahnhöfe nicht mehr verkraften werden.
Vor diesem Hintergrund sehen Sie auch den Stammstreckenausbau etwas skeptisch.
Wir sind Befürworter des Ausbaus, um das klar vorwegzuschicken. Aber einige nicht unwichtige Details der konkreten Planung am Hauptbahnhof machen uns Sorgen. Da geht es um die Umsteigebeziehungen zwischen der neuen S-Bahnstrecke und der U-Bahn. Nach den bisherigen Prognosen sind an mindestens zwei Stellen dieses komplexen Bauwerks Hauptbahnhof künftig deutliche Engpässe im U-Bahnbereich zu erwarten. Denken Sie nur an die Wiesn. Das ist für uns nicht akzeptabel. Da muss noch nachgebessert werden.
Was ändert sich 2011 für MVG-Kunden?
Gegen Herbst wird die Tram nach St. Emmeram fertig. Im zweiten Halbjahr werden wir neue Straßenbahnzüge bekommen – zehn neue sind zur Zeit im Bau, die werden im Laufe des nächsten Jahres ausgeliefert. Außerdem sind wir gerade dabei, zehn neue Gelenkbusse zu bestellen. Die werden wir auch für den Schienenersatzverkehr brauchen, weil einige Gleis- und Sanierungsarbeiten anstehen. Eine Maßnahme ist dabei besonders erwähnenswert.
Welche denn?
Wir werden zum ersten Mal, voraussichtlich in den Osterferien, für zehn Tage einen U-Bahn-Abschnitt komplett stilllegen und stattdessen Busse einsetzen. Weil eben jetzt die U-Bahn – sie wird nächstes Jahr 40 – in ein Alter kommt, wo massive Erneuerungsarbeiten nötig sind. Im konkreten Fall geht es um den Goetheplatz. Da ist eine komplizierte Gleiskonstruktion zu erneuern. In älteren U-Bahn-Städten ist so etwas Gang und Gäbe. Und das wird auch in München in den nächsten Jahren hin und wieder nicht vermeidbar sein.
40 Jahre U-Bahn – ist da was geplant?
Wir haben eigentlich ein Doppeljubiläum: 40 Jahre U-Bahn und 150 Jahre Nahverkehr in München – beginnend mit der Pferdebahn. Das werden wir im Herbst mit einem Tag der offenen Tür feiern. Und den Leuten die Gelegenheit geben, hinter die Kulissen zu schauen.
Gibt’s dann auch einen Tag freie Fahrt für alle?
Das kann ich jetzt noch nicht versprechen. Das mit den Freikarten ist immer etwas kompliziert. Wir sind ja in einem Tarifverbund. Das müssten die Partner mitfinanzieren und wir umgekehrt. Das wächst sich dann relativ schnell zu einem teuren Problem aus. Aber am Samstag gibt's freie Fahrt auf der U3 zwischen Münchner Freiheit und Moosach.
Wann kommt nun eigentlich die Tram durch den Englischen Garten?
Die seinerzeitige Planung ist ja im Planfeststellungsverfahren von der Regierung abgelehnt worden. Primär, weil man Eingriffe durch die Oberleitungen in den Englischen Garten befürchtete. Jetzt ist die Technik weiter fortgeschritten. Inzwischen kann man den etwa ein Kilometer langen Abschnitt mit Strom aus der Batterie bewältigen. Diese Lithium-Ionen-Batterie existiert jetzt. Derzeit werden damit in Berlin mit einem unseren neuen Fahrzeuge Probefahrten absolviert. Das sieht ganz gut aus. Und wir werden dann auch in München nochmal Testfahrten durchführen. Wenn sich das als stabil erweist, würden wir einen neuen Genehmigungsantrag stellen.
Der Zeitplan?
Da will ich noch keinen Zeitpunkt nennen. Wir müssen ja erst noch die Versuche in München machen. Dafür braucht die Tram erst die Zulassung, das ist der erste Schritt. Aber ich bin optimistisch, dass das noch im Laufe des nächsten Jahres erfolgen kann.
Ab Sonntag kostet die Einzelfahrkarte 2,50 Euro – das tut weh.
Das ganze ist immer eine Mischkalkulation. Wir haben in München besonders günstige Zeitkarten, um möglichst viele zum dauerhaften Umsteigen zu bewegen. Und: Wir bieten für den Preis auch ein besonders dichtes Angebot.
Interview: Julia Lenders