MVG-Beschäftigte fordern: „Her mit der Kohle!“

Der große Protest vor dem Tram- und Bus-Depot an der Einsteinstraße: Warum Tram-, Bus – und U-Bahnfahrer bereit sind zu streiken.
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Die MVG-Mitarbeiter streiken für eine bessere Bezahlung.
Mike Schmalz Die MVG-Mitarbeiter streiken für eine bessere Bezahlung.

MÜNCHEN - Der große Protest vor dem Tram- und Bus-Depot an der Einsteinstraße: Warum Tram-, Bus – und U-Bahnfahrer bereit sind zu streiken.

Auch Jupp streikt. Auf dem Hundegeschirr, das den Jack-Russell-Terrier als „Kampfschmuser“ ausweist, klebt ein Verdi-Sticker. Brav harrt der Hund an diesem Morgen an der Seite seines Frauchens Edith Klasen aus. Obwohl rundherum hunderte wütende Tram- und Busfahrer pfeifen, johlen, brüllen. „Was ist die Parole? Her mit der Kohle!“

Edith Klasen und ihr Vierbeiner stehen seit 7 Uhr vor dem Tram- und Busdepot an der Einsteinstraße – dem Treffpunkt der Streikenden. Die 40-Jährige ist Busfahrerin in München. Ihr Verdienst: 1400 Euro netto – inklusive aller Zulagen. „Wir haben eine sehr große Verantwortung. Und das wird zu wenig honoriert.“ Die Bezahlung sei immer schlechter geworden. „Ich bekomme jetzt weniger als vor acht Jahren, als ich anfing.“

Traumberuf Trambahner?

Thomas Hofmann (27) arbeitet erst seit einem halben Jahr als Tramfahrer. „Das Geld war mir zuerst nicht so wichtig. Ich wollte einfach den Traumberuf ergreifen, den ich schon als Kind toll fand.“ Doch schnell hat er gemerkt, dass er damit kaum über die Runden kommt. Mit Zuschlägen schafft er es auf 1300 netto im Monat. Jeden Tag pendelt Thomas Hofmann 60 Kilometer zur Arbeit. In der Stadt zu wohnen, ist ihm schlicht zu teuer. Sein Vertrag ist auf zwei Jahre befristet. „Wenn die Bezahlung nicht besser wird, muss ich danach umrüsten.“ Aus der Kindheitstraum vom Trambahner.

Immer weniger Geld für immer mehr Arbeit

Theo Kurzhals (49) ist einer von den alten Hasen. Seit 27 Jahren kutschiert er die Münchner in Trambahnen durch die Stadt. Er hat kaum geschlafen in der Nacht vor dem Streik. Vor lauter Wut. Denn am Abend hatte er seine alten Lohnzettel herausgekramt. Das Ergebnis: „Vor elf Jahren habe ich umgerechnet 135 Euro netto mehr bekommen als jetzt.“ Vor fünf Jahren seien es sogar 350 Euro im Monat mehr gewesen – netto. Im besten Fall bekomme er derzeit 1750 Euro im Monat heraus. Das Fazit von Tramfahrer Theo: „Es wird immer mehr gefordert. Aber wir bekommen immer weniger dafür.“

Früher, so erzählt er, da seien 4.40 Stunden Fahrtzeit für die Runden Karlsplatz-Pasing und retour eingeplant gewesen. Jetzt müsse er dieselbe Strecke in nur 4 Stunden schaffen.

Die Streikenden stehen zusammen. Diskutieren. Bestärken sich gegenseitig. Was viele aufgebracht hat, ist die satte Gehaltserhöhung, die die Stadtwerke-Bosse 2008 einstrichen – über 50 Prozent plus. „Wenn ich so viel fordern würde“, sagt einer unter Beifall seiner Kollegen, „dann würden die Männer mit der weißen Jacke kommen!“ Verdi fordert im Tarifstreit um die Entlohnung im öffentlichen Nahverkehr 9,5 Prozent mehr Lohn.

„Seid ihr bereit, noch härter und länger auszuteilen als heute?“, ruft Martin Marcinek von Verdi am Ende der Kundgebung in sein Megafon. Die Antwort ist Lärm. Die Zeichen stehen auf Streik. Auch weiterhin.

Julia Lenders

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