Mutter von mutmaßlichem Islamisten: Er wollte nur helfen

Seit einem Jahr macht sich schon strafbar, wer versucht, in ein Terrorcamp zu reisen. In München steht deshalb nun ein mutmaßlicher Islamist vor Gericht. Die Schwierigkeit für die Justiz: Eine konkrete Planung zu einer Tat nachweisen, die gar nicht stattgefunden hat.
az/dpa |
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Der 27-Jährige mit seinem Anwalt Adam Ahmed hinter der Anklagebank des Landgerichts. (Archivbild)
dpa Der 27-Jährige mit seinem Anwalt Adam Ahmed hinter der Anklagebank des Landgerichts. (Archivbild)

München - Die Mutter eines mutmaßlichen Dschihadisten hat vor dem Münchner Landgericht die geplante Reise ihres 27-jährigen Sohnes in die Türkei mit dem Besuch einer Koranschule erklärt. Zudem habe er dort Flüchtlingen helfen wollen, sagte die 44-Jährige am Dienstag als Zeugin. Es sei sein "höchstes Ziel" gewesen, humanitär zu helfen.

Flüchtlingshilfe statt Terrorkampf?

Der Angeklagte, der in München geboren und deutscher Staatsbürger ist, muss sich wegen versuchter Ausreise ins türkisch-syrische Grenzgebiet zur Teilnahme am Dschihad verantworten. Die Anklage wirft ihm vor, er habe sich in einem Terrorcamp im Umgang mit Waffen und Sprengstoff ausbilden lassen und dann an Kämpfen beteiligen wollen.

Ein zweites Handy, das in seinem Gepäck sichergestellt wurde, sei gekauft worden, damit er Kontakt zur Familie in Deutschland halten konnte, sagte die Mutter. Sie habe Outdoorkleidung für ihren Sohn eingepackt - und die mögliche Gepäckmenge ausgeschöpft. "Es war ja nicht sicher, wie lange er bleibt: Eine Woche oder drei Monate." Der Vorsitzende Norbert Riedmann sagte dazu, er habe den Verdacht, diese Angaben spiegelten "eine Position, die Sie sich zurechtgelegt haben".

Das Gericht hat eine schwierige Aufgabe: Es muss klären, was der Mann getan hätte - wenn er nicht beim Versuch der Ausreise am 10. Oktober am Münchner Flughafen festgenommen worden wäre. Es ist einer der ersten Prozesse bundesweit nach dem vor einem Jahr neu geschaffenen Straftatbestand (Strafgesetzbuch Paragraf 89a, 2a), der schon eine Ausreise zur "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat" unter Strafe stellt. Anwalt Adam Ahmed hatte zu Prozessbeginn angeregt, die Norm vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen - sie sei unverhältnismäßig und enthalte eine Bündelung unbestimmter Begriffe.

Lesen Sie hier: Syrischer Islamist in Bamberg verhaftet

Der Angeklagte war schon im Sommer 2015 in die Türkei gereist. Ahmed legte einen Chat vor, in dem er über Flüchtlinge schrieb: "Diese Menschen tun mir leid", und: "Diese Menschen sind vom Krieg gezeichnet." Polizeibeamte hätten ihn nicht ernst genommen, als er gesagt habe, er wolle helfen und nicht kämpfen.

Laut Ermittlungen hatte der 27-Jährige, der zuvor wegen anderer Delikte straffällig wurde und keinen Beruf hat, vor seiner neuen Abreise im Oktober gepostet: Es gebe viele, die leben wollten, um zu sterben. "Ich aber habe beschlossen zu sterben, um zu leben." Und: "Die Abkürzung zum Paradies ist der Dschihad." Seine Mutter, Muslimin mit tschechischen Wurzeln, sagte: "Jeder gläubige Moslem will die Scharia - aber nicht mit Gewalt."

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