Muss es uns um die Schwabinger 7 Leid tun?

Die AZ-Redakteure Thomas Müller und Timo Lokoschat über das Aus der Kult-Kneipe Schwabinger Sieben, bei der heute endgültig die Lichter ausgehen.
Pro:
Ja, mir tut’s leid um die Schwabinger 7. Genau weil diese brachiale Baracke im Hinterhof so herrlich ranzig und grandios gammelig ist – und seit heute nur noch war.
Macht ja nix. Jetzt wird plattgemacht, hochgezogen, glattverputzt und vollverspiegelt. Wie alles in dieser Stadt. Wie das neue Luxus-Quartier künftig heißt? Vielleicht „Feilitzschhöfe“ – „The Seven“ ist ja leider schon vergeben. Aber den Immobilien-Investoren fällt da sicher noch was ein.
So wie jede Wohnung ihr Dreck-Eck hat (und braucht), hat auch jede Stadt solche angeranzten Areale wie diesen Hinterhof in Altschwabing – nur München nicht. Diese unsanierten Biotope sterben leider langsam aus.
Eigentlich ist’s doch wie im richtigen Leben: Das Provisorische, nicht ganz Ebenmäßige, ruhig auch schon Faltige macht das unverwechselbar Liebenswerte erst aus. Alles andere ist Retorte. Wie gesagt: Wie im richtigen Leben. Darum ist es schade um die Sieben. Thomas Müller
Contra:
Hand auf die Leber: Wann waren Sie zuletzt in der Schwabinger 7? War der Euro schon eingeführt? Helmut Kohl bereits Bundeskanzler? General Franco noch an der Macht? Viele von denen, die der angeblichen „Kult-Kneipe“ jetzt öffentlich nachtrauern, geben auf Nachfrage sogar zu, noch nie im Leben einen Fuß in sie gesetzt zu haben. Egal! Für die Schwabinger 7 zu sein, gilt halt als schick. Und das völlig zu Unrecht.
In den vergangenen Monaten wurde eine finstere Sauf-Spelunke, in der man seine Jacke besser nicht aus den Augen ließ, zu einem leuchtenden Symbol stilisiert: für das alte Schwabing, gegen den Kommerz, böse Investoren und alles, was einem nicht in den Kram passt.
Schwerst Alkoholkranke galten plötzlich als Originale, grölende Jugendliche als neue Boheme.
Ein grotesker Vorgang, der ein wichtiges Anliegen der Lächerlichkeit preisgibt. Das alte Schwabing zu verteidigen, ist nämlich aller Ehren wert. Aber nicht an dieser Stelle.
Timo Lokoschat