Münchnerinnen wollen Schenken nachhaltiger machen: Die Grasgeschenkpapier-Idee
München - Den Moment, an dem das alles angefangen hat, hat Kati Lehmkuhl noch genau vor Augen. Weihnachten 2018, ihre Eltern, Schwester, Tante, Onkel, zwei Cousinen sitzen daheim in Bogenhausen unterm Christbaum.
Von wegen zack und weg: Jetzt kommt das kompostierbare Geschenkpapier
Alle haben gerade ihre Packerl ausgepackt, als ihre Mutter flugs die Geschenkpapierberge vom Boden sammelt und in eine Tüte stopft. Und Kati sitzt da und schüttelt nur den Kopf.

Der ganze Glitzer, das ganze Geraschel: Zack und weg. "Krass", sagt sie, "wie aus etwas Schönen wie dem Papier, aus einem Wert, in 20 Minuten Müll geworden ist."
Geschenkpapier aus Gras - gibt's online und in Münchner Läden
Ein Gedanke, der viele Menschen anfliegt nach Geschenkorgien. Nur: Kati Lehmkuhl und ihre Freundin Melusine Bliesener (beide 24) haben etwas daraus gemacht: das Start-up-Unternehmen "Papydo", das kompostierbares Geschenkpapier herstellen lässt. Aus heimischem Gras. Mit Ökofarben.
Das Ergebnis kann man inzwischen nicht nur online kaufen, sondern auch in Münchner Läden - wie in der Papu Papeterie in Schwabing, bei Nellypap in Neuhausen, bei Kokolores in Haidhausen oder am Weihnachtsmarkt der Buchhandlung Lehmkuhl (ja, die Liebe zu Papier hat bei Kati Tradition; sie stammt aus der Lehmkuhl-Buchhändlerfamilie).
Mit Willen, Gründermut und Menschen, die ans Gelingen glauben
Aber wie schafft man das, wenn man noch Studentin ist, ohne dickes Startkapital und unerfahren? Mit viel Willen und Fleiß, so klingt das jedenfalls, wenn Kati Lehmkuhl erzählt. Mit einer großen Portion Gründermut und Menschen, die an eine Idee glauben.
Damals unterm Christbaum ist ihr Blick auf die geschmückte Tanne im Wohnzimmer gefallen, ihr kam in den Sinn, wie viele solcher Christbäume bald vertrocknet und aufgetürmt in den Straßen von Bogenhausen liegen würden. Über ihre Idee, ob sich aus diesen alten Tannen wohl kompostierbares Weihnachtspapier machen ließe - ein Biokreislauf! - hat ihre Familie noch milde gelächelt. Max, ein Freund, dem sie später davon erzählte, lachte nicht.
Sie stiegen in die Recherche ein. Neben dem Betriebswirtschaftsstudium schauten sie Fachvideos an. Fragten sich bei Holzverarbeitungsexperten durch, schrieben E-Mails an Hochschulinstitute, die zu Papier forschen. Kann man aus Tannen Papier machen ohne Chemie? Wie viel käme heraus? Welche Fabrik im Land würde sowas machen? Ergebnis: Zu kompliziert, zu teuer, das geht nicht.
Im Juli standen die beiden Freundinnen dann beim Notar
Aber etwas anderes geht: Gras. Und zwar nicht nur für dickere Food-Kartons, die es schon gibt. Man kann Graspapier auch sehr viel dünner herstellen und für Geschenkpapier nutzen. Man kann die Rollen mit schönen Designs aus Biofarben bedrucken. Und ja: dann samt Farbe kompostieren.
Kati und ihre Freundin Melusine (die mit eingestiegen war) fragten Freunde, Bekannte und über soziale Netzwerke: Leute, wollt ihr sowas? Was würdet ihr zahlen? Wie viel würdet ihr bestellen? Und dass Kati Lehmkuhl im zweiten BWL-Semester in der Schweiz gelernt hat, wie man Studenten bei der Gründung eines Start-ups berät, hat auch geholfen.
Im Juli standen die beiden Freundinnen beim Notar, um mit 4.000 Euro Startkapital "Papydo - Nachhaltiges Geschenkpapier" als Unternehmergesellschaft (UG) zu gründen. Bis dahin war auch die Lieferkette klar: Papierherstellung in Baden-Baden, Ökodruckerei im Großraum Frankfurt, Lager in Frankfurt, Büro in München.
Kein Grafiker im Freundeskreis - also malte die Mutter
Über die Pannen bei der Frage, welche Designs sie drucken sollten, können beide heute herzlich lachen. Es gab keinen Grafiker im Freundeskreis, also malte Melusines Mutter Karoline die ersten Muster auf dem Küchentisch. "Ein wichtiger Mensch für den Start", sagt Kati, "war auch ein ägyptischer Copyshopbesitzer", der sich an Weihnachtsgrafiken versucht und bei einem Probedruck einen falschen Knopf gedrückt hat. "Heraus kam das Tannenwalddesign", sagt sie, "das ist heute unser Top-Seller."
Zehn Monate nach der ersten Idee kamen die ersten 3.500 Graspapier-Rollen aus der Druckerei, in sieben Designs, rechtzeitig vor Weihnachten. Da saß Kati gerade in Istanbul in einem Praktikum, und baute nachts den Onlineshop auf. Beworben hatten sie den schon vorher über Freunde, Influencer und Blogger, die sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen, über Facebook- und Google-Anzeigen. Von da weg hat Katis Handy ständig Bing gemacht. Mit jeder Bestellung: Bing. Bing, Bing. Die Hälfte ihrer ersten Produktion ging bis Weihnachten weg. Bis heute haben Kati und Melusine 23.471 Geschenkpapiere verkauft. Und für jede verkaufte Rolle eine Baumpflanzung in Nepal finanziert, "damit wir den Waldrodungen etwas entgegensetzen".
Bis Heiligabend heuer wollen sie 25.000 erreichen. Was das Fernziel ist? "Dass Papydo zu der Marke für nachhaltige Geschenkverpackungen wird", sagt Kati. "Und dass in Zukunft kein Baum mehr für Geschenkpapier gefällt werden muss. Weil Gras genauso toll ist."
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