Münchnerin über Hospizverein: "Mit dem Abschied im Reinen"
München - Sich lösen, sich nahe sein, sich erinnern, zusammen singen, den anderen erspüren - schwerkranke und sterbende Menschen mit ihren Angehörigen stehen im Mittelpunkt der Hospizarbeit: Ehrenamtliche, Pflegerinnen und Pfleger, Ärztinnen und Ärzte unterstützen Menschen am Ende ihres Lebens, lindern Symptome und nehmen die Schmerzen.
Stärkung, Schutz, medizinischen und psychologischen Beistand haben zum Beispiel Lisa Heinrich und ihr schwerkranker Mann vom Münchner Hospizdienst Dasein erfahren.
2019 hatte der pensionierte Postbeamte eine Lungen-Operation abgelehnt, er wollte zu Hause sterben. "Man hat nicht nur auf den Patienten, sondern auch auf mich als Angehörige geschaut. Das war mir neu. Wir wurden vom Hospizdienst ganzheitlich betreut", sagt die 57-jährige Frau aus Sendling.
Ihr Mann litt an der chronischen Lungenkrankheit COPD. Von einer Lungenfachklinik bekam er die Überweisung für eine palliative medizinische Versorgung in seiner Wohnung nahe Harras. Zum Welthospiztag am 9. Oktober hat Lisa Heinrich mit der AZ gesprochen.
AZ: Frau Heinrich, wieso möchten Sie über die letzten Monate Ihres Mannes sprechen?
LISA HEINRICH: Ihm war es wichtig selbstbestimmt zu leben - und sein großer Wunsch war es zu Hause zu sterben. Das ging durch die Hospizbetreuung. Als Paar hatten wir dadurch noch gute Monate. In Frieden zu Hause zu sterben - das wünschen sich viele Menschen. Deswegen erzähle ich von unserer Erfahrung.
Kannten Sie die Hospizarbeit?
Nein. Die Arbeit der Hospiz-Vereine in München sollte aber mehr publik werden, damit mehr Menschen Unterstützung von den Profis erfahren. Denn: Niemand bleibt. Jeder muss einmal gehen. Die Mitarbeiter von DaSein haben mich so stark gemacht, dass ich nach dem Tod meines Mannes gut weiterleben kann. Mit seinem Abschied waren mein Mann und ich irgendwann irgendwie im Reinen.
"Die Profis vom Hospiz waren rund um die Uhr für mich erreichbar"
Ihr Mann hatte den Wunsch nach einem schmerzfreien Tod in Ihrer Wohnung in Sendling.
Meinem Mann ging es in den letzten zehn Monaten seines Lebens nicht mehr um Quantität, sondern um die Qualität seiner Tage. Das Care-Team vom Hospizdienst DaSein hat ihm versprochen, dass er nicht ersticken wird, denn das war seine größte Angst. Und die Pflegerinnen und Pfleger haben ihr Versprechen eingelöst. Im Alter von 73 Jahren ist mein Mann schmerzfrei und in Frieden gegangen.
Er bekam viele Medikamente, auch ein Cortisonspray und am Ende seines Lebens eine Schmerzpumpe mit Morphinen.
Das Tolle war, die Profis vom Hospiz waren rund um die Uhr für mich erreichbar. Ich konnte anrufen: Weil mein Mann gestürzt war oder einfach nicht zur Ruhe kam. Immer war ein kompetenter Spezialist am Telefon, der mir nie das Gefühl gegeben hat, dass man am anderen Ende der Leitung mit den Augen rollt, wenn ich wieder anrufe. Das Team von Dasein war immer freundlich. Und mein Mann hatte eine Schmerzpumpe, das war nötig. Die Sicherheit, so gut beraten, betreut und gut aufgehoben zu sein, war für mich sehr wichtig. Das ist eine fürsorgliche Medizin, würde ich sagen.
Von Februar bis November hat der Hospizdienst Ihren Mann, je nach Verfassung, immer wieder besucht. Was haben Sie dafür gezahlt?
Wir sind Postler. Keinen Cent haben wir gezahlt. Gesetzliche und private Krankenkassen übernehmen die Kosten der Hospizbetreuung. Das Krankenhaus oder der Hausarzt schreiben die Überweisung.
Zum Welthospiztag am 9. Oktober: Wem gilt Ihr Dank?
Dass der Mensch zählt, finde ich bei der Hospizarbeit so super. Die Mitarbeiter bekommen tiefe Einblicke in die Familie. Und der Patient hat nicht die ganze Zeit gute Laune. Das müssen alle aushalten. Respektvoll sind die Hospizmitarbeiter mit uns immer umgegangen. Mein Mann wurde ernst genommen, auch bei Kleinigkeiten. Seine Frisur war ihm zum Beispiel wichtig: Doch ein Arzttermin stand an. Es war dann möglich, dass der Arzt eben erst nach dem Friseur ins Haus gekommen ist. Das war ein toller Tag für meinen Mann, das habe ich gespürt.
Sie haben sich drei Monate unbezahlten Urlaub genommen, um Ihren Mann zu pflegen. Dabei haben Sie eine persönliche Leistungsgrenze erreicht.
Die Pfleger von Dasein haben reagiert und mir gesagt: Es geht jetzt um Sie. Danach kam täglich ein Pflegedienst zu uns nach Hause und einmal pro Woche ein ehrenamtlicher Hospizbegleiter für Gespräche. Der ganzheitliche Blick des Hospizdienstes auf unsere Familie, das war das A und O.
"Mein Mann ist selbstbestimmt seinen eigenen Weg gegangen"
Ein Abschied aus dem Leben kann bei schwerer Krankheit über Tage, aber auch über Monate gehen.
Mein Mann war viele Wochen in einem Delirium, zum Schluss aber wieder ganz klar und da. Ohne den Hospizdienst wäre er in seinen letzten Monaten bestimmt vier oder fünf Mal ins Krankenhaus eingewiesen worden. Doch keiner möchte irgendwo in der Anonymität im Krankenhaus alleine gehen. Mein Mann ist selbstbestimmt seinen eigenen Weg gegangen.
Wie war der traurige Abschied?
Da uns Profis in der Sterbephase beigestanden haben, kann ich sagen, dass es in all dem Leid eigentlich eine gute Erfahrung war. Als mein Mann schon wahnsinnig schwach war, haben wir zusammen noch einen Schluck von unserem Lieblingswein getrunken.
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