Münchnerin Nadja Hirsch und der Straßburger Anschlag: Gefangen im EU-Parlament
München/Straßburg - Die Fraktionssitzung der Liberalen im EU-Parlament ist gerade zu Ende, die Münchner FPD-Abgeordnete Nadja Hirsch just wieder im Büro angekommen, als sie und ihr Team die Meldung erreicht: In der Nähe sind Schüsse gefallen. Die Europapolitiker sollen sich vom Zentrum Straßburgs fernhalten.
"Es ist eigentlich Tradition, dass viele von uns am Abend noch auf den Weihnachtsmarkt gehen", sagt Hirsch am Mittwoch zur AZ. "Aber wir mussten noch etwas vorbereiten." Draußen herrscht höchste Alarmstufe. Auch das EU-Parlament wird abgeriegelt.
Nadja Hirsch: An Schlaf ist nicht zu denken
"Am Anfang wurde das Gebäude komplett dichtgemacht. Keiner durfte rein, und niemand durfte das Parlament verlassen", sagt Hirsch. "Die Sicherheitslage war unklar. Niemand wusste, wie viele Attentäter beteiligt waren." Bis kurz vor 3 Uhr früh harren die 40-Jährige und viele andere Parlamentarier in ihren Büros aus (darunter laut Bayerischem Rundfunk auch der Vorsitzende der EVP-Fraktion, Manfred Weber, CSU) – erst dann dürfen sie sich auf den Heimweg machen.
An Schlaf sei in dieser Zeit nicht zu denken gewesen, sagt Hirsch. "Ich habe zwar eine Yoga-Matte im Büro, aber zum Schlafen fehlt einem in dieser Situation die Ruhe." Sie habe sich dazu entschieden, Unterlagen für den nächsten Tag vorzubereiten.
Tajani: "Ein krimineller Anschlag auf den Frieden"
Bittere Ironie des Schicksals: Ganz obenauf lag ein Bericht mit Vorschlägen zur Terrorbekämpfung. Die Stimmung im Parlament sei ruhig und gefasst gewesen, erzählt Nadja Hirsch weiter. Bei den Kollegen, die auch die Anschläge in Brüssel miterlebt haben, sei allerdings "einiges wieder hochgekommen".
Am 22. März 2016 hatten sich am Flughafen der belgischen Hauptstadt und im Zentrum, wo mehrere EU-Behörden ihren Sitz haben, mehrere Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. 35 Menschen starben.
Am Mittwochmorgen begann das Europaparlament seine Sitzung mit einem Gedenken an die Opfer der jüngsten Terror-Attacke. "Das war ein krimineller Anschlag auf den Frieden", sagte Parlamentspräsident Antonio Tajani. "Wir stehen auf der Seite der Familien der Opfer." Die Kraft der Freiheit und der Demokratie gewinne jedoch gegen Gewalt, Verbrechen und Terrorismus. Deshalb setze das Parlament trotz der Bluttat seine Arbeit fort.
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