Münchnerin (34) vom BRK hilft in Rohingya-Flüchtlingslager in Bangladesch

Bis zu 700.000 Rohingyas leben dort unter schlimmsten Bedingungen in einem Flüchtlingslager. Jennifer Ruoff war vor Ort.
von  Julia Sextl
Der tägliche Weg zum Arbeitsort - für die Hilfskräfte geht es drei Kilometer lang auf und ab. Kleines Bild: Jennifer Ruoff mit ihrem Kollegen, einem Arzt und Helene-Fischer-Fan aus Kanada.
Der tägliche Weg zum Arbeitsort - für die Hilfskräfte geht es drei Kilometer lang auf und ab. Kleines Bild: Jennifer Ruoff mit ihrem Kollegen, einem Arzt und Helene-Fischer-Fan aus Kanada. © Jennifer Ruoff

Ende November kam die Anfrage, eine Woche später ging's los: Jennifer Ruoff, 34, flog zum ersten Mal in ihrem Leben zu einem Hilfseinsatz: Nach Bangladesch, in ein Flüchtlingscamp mit geschätzt 600.000 bis 700.000 Menschen, vergleichbar mit der Einwohnerzahl der Stadt Frankfurt. Dort leben ausschließlich Rohingyas, eine muslimische Minderheit aus Myanmar. Sie sind aus ihrer Heimat vertrieben worden.

Ruoff ist Krankenschwester bei der Schwesternschaft München vom Bayerischen Roten Kreuz (BRK), auch Rotkreuzschwester genannt. Normalerweise arbeitet sie im Deutschen Herzzentrum in der Kinderkardiologie.

"Ich hatte mich 2016 für Hilfseinsätze in Krisengebieten beworben", erzählt sie. Doch ob, wann und wohin die Reise geht, wird kurzfristig vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) entschieden. "Wenn wir gefragt werden, können wir aber auch ablehnen", sagt Ruoff. "Nicht alle wollen beispielsweise in Kriegsgebiete."

Aus Trainings im Vorfeld wusste Ruoff bereits, wie man Zelte aufbaut und logistisch plant ; Krankenhäuser, Apotheken und Impfkampagnen etwa. "Ich kaufte mir noch ordentliche Wanderschuhe, weil es hieß, wir müssen da viel laufen, brauchte noch eine Diphterie-Impfung, und dann ging's auch schon los", so die 34-Jährige.

Vier Wochen sollte der Einsatz dauern. Familie und Freunde reagierten besorgt. "Nur meine Mutter war wohl fast ein wenig froh. Sie wusste, ich wäre auch nach Syrien gegangen, wenn ich dafür angefragt worden wäre."

Begleitet wurde die Rotkreuzschwester von zwei Kolleginnen aus Essen und Lübeck. Zum Team vor Ort zählten auch noch eine Schwester und ein Arzt aus Kanada sowie zwei Ärzte und eine Hebamme aus der nahegelegenen Stadt Cox's Bazar.

Gemeinsam betrieben sie eine mobile Klinik in dem Flüchtlingscamp. "Im Prinzip kann man es mit einer Allgemeinarztpraxis vergleichen", sagt Ruoff. "Die Menschen kamen mit vergleichsweise leichteren Problemen wie Bauchschmerzen, Durchfall, Ausschlägen, Krätze oder Würmern." Für die schweren Fälle hingegen sind mobile Krankenhäuser vor Ort zuständig, die ebenfalls von Hilfsorganisationen betrieben werden.

Bestürzend sei der Moment gewesen, als sie zum ersten Mal Mitten im Flüchtlingslager stand, sagt die junge Frau. "Überall waren nur Trampelpfade und Bambushütten mit Plastikplanen drüber. Es war für mich einfach unvorstellbar, dass Menschen wirklich so wohnen." Natürlich kenne man solche Bilder aus dem Fernsehen. "Aber es ist dann doch ganz anders, wenn man mitten drin steht im Staub."

Die Hälfte der geflüchteten Rohingyas seien Kinder, berichtet Ruoff. "Sie sind den ganzen Tag draußen und spielen, weil in den Hütten kein Platz ist." Rund 15 Quadratmeter bleiben einer ganzen Familie, die durchaus aus einem Dutzend Personen und mehr bestehen kann.

Entsprechend sind die hygienischen Verhältnisse auf engstem Raum. Als Jennifer Ruoff im Lager ankam, gab es gerade einen Diphterie- und Masern-Ausbruch, besonders Kinder sind davon betroffen. "Die haben engen Kontakt und passen gegenseitig auf sich auf. Da haben kleine Kinder dann noch kleinere auf dem Arm", so Ruoff. "Jede deutsche Mutter würde einen Herzinfarkt kriegen, würde sie ihre Kinder so rumspringen und klettern sehen."

Dazu kommt: Keines der Kinder trägt Windeln. Und sie benutzen nicht so gern die für bestimmte Bedürfnisse vorgesehenen Latrinen - toilettenartige Löcher im Boden, über die unterirdisch die Exkremente abgeleitet werden. "Die Kinder spielen, und wenn sie mal müssen, machen sie eben da hin, wo sie gerade stehen", sagt Ruoff. "Deshalb haben wir versucht, ganz viel Gesundheitserziehung zu machen. Hände waschen, Latrinen benutzen und nicht da hinmachen, wo man das Essen zubereitet."

Erstaunt habe sie, dass es so gut wie keine Kriminalität oder Diebstahlsdelikte im Lager gegeben habe. "Das ist dort irgendwie nicht Teil der Kultur", sagt die 34-Jährige. Trotzdem durften sie und ihre Kollegen nicht mehr raus, sobald es dunkel war. Der Grund: Es gab keinerlei Licht und keine befestigten Wege.

Entsprechend anstrengend war auch der tägliche Weg vom Basecamp, in dem die Hilfskräfte wohnten, zur mobilen Klinik im Flüchtlingslager: Drei Kilometer bergauf und bergab, bei bis zu 30 Grad im Schatten. "Es gab nur Trampelpfade, und über die Gräben führten dann wacklige Bambusstangen - manchmal nur drei, über die wir balancieren mussten."

Für Jennifer Ruoff steht fest: Sie wird sich wieder für einen Hilfseinsatz melden. "Diese Menschen haben einfach gar nichts - und können wirklich alles brauchen. Alles, was wir tun können, ist helfen." Ob durch persönlichen Einsatz oder Geldspenden: "Egal, ob an das Rote Kreuz oder andere Hilfsorganisationen. Unser Einsatz dort ist komplett über Spenden finanziert."

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