Münchner Wirte und die Brauereien: Da braut sich Frust zusammen

Die Verzweiflung der Wirte ist nach wie vor groß. Die Staatshilfen aus dem November fließen nur langsam. Und auch nicht jede Brauerei erlässt die Pacht – die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich.
von  Ruth Frömmer
Münchens Wirtshäuser sind seit Monaten zu - das hat Folgen für Wirte und Brauerereien.
Münchens Wirtshäuser sind seit Monaten zu - das hat Folgen für Wirte und Brauerereien. © imago/ZUMA Wire

München - Es ist Februar und erst jetzt und langsam trudeln die ersten staatlichen Novemberhilfen bei vielen Wirten ein. Dazu kommt der zweite Lockdown, der sich schon seit vergangenem Spätherbst hinzieht. Es ist ein wirtschaftlicher Kraftakt für die Betriebe.

Droht München ein Wirtshaussterben? Die kommenden Monate werden es zeigen. Und ob eine Wirtschaft tatsächlich schließen muss oder nicht, hängt auch stark von der Unterstützung durch ihre Brauerei ab. In München werden viele Wirtschaften von Brauereien wie Augustiner, Paulaner, Hofbräu oder Spaten betrieben und an die jeweiligen Wirte unterverpachtet. Zu erkennen sind diese meist am Bierlogo.

Freie Wirte pachten ihre Immobilien eingeständig

Es gibt auch freie Wirte. Sie pachten ihre Immobilien eigenständig an und können das Bier ausschenken, das sie möchten. Können zumindest die Wirte von Brauerei-Gaststätten die Krise etwas entspannter sehen? Zum Teil schon. Die Unterstützung durch die Brauereien ist da. Wirt Christian Lehner ist sogar mit zwei Brauereien verbandelt. "Wir haben die beiden besten Brauereien dieser Erde", sagt er stolz. In seinem Park Café wird Hofbräu ausgeschenkt und im kleineren "Bad" an der Theresienwiese Augustiner. "Im Falle einer Krise zeigt sich, wer wirklich hilft", so Lehner weiter.

Christian Lehner (PARKCAFE) und Frau Katrin
Christian Lehner (PARKCAFE) und Frau Katrin © Agency People Image/Michael Tinnefeld

Schon als es mit den pandemiebedingten Einschränkungen losging, seien beide Brauereien auf ihn zugekommen, um Lösungen zu finden, bevor er überhaupt danach gefragt hatte. Er ist dankbar, nicht mit einem namenlosen Konzern zusammenzuarbeiten. Natürlich plagen auch ihn Existenzängste, aber er sagt auch: "Wenn wir Wirte etwas können, dann zaubern." Er hatte ohnehin geplant, sein Park Café Anfang des Jahres zu renovieren. Das macht er jetzt gemeinsam mit seinen Azubis und freut sich umso mehr auf die Wiedereröffnung.

Aber nicht alle Wirte singen ein Loblied auf ihre Brauereien. Hinter vorgehaltener Hand fühlt sich der ein oder andere im Stich gelassen, sogar hintergangen von seiner Brauerei. Nur offen reden will darüber niemand, schließlich muss man weiter zusammenarbeiten.

Spaten antwortet aus der InBev-Zentrale in Berlin

Und was sagen die Bierbrauer selbst über ihre Hilfsangebote für die Wirte? In der Verantwortung sieht man sich zumindest nicht allein. Nehmen wir Spaten. Die Brauerei ist schon seit Jahren keine rein-münchnerische Angelegenheit mehr, sondern gehört zur belgischen Anheuser Busch InBev-Gruppe. Eine Antwort des Konzerns erreicht die AZ schriftlich – aus Berlin. "Unsere besondere Situation, dass wir selbst zwischen den Eigentümern und den Pächtern stehen, macht erforderlich, dass wir jeden Fall für sich betrachten." Will heißen: Spaten ist selbst Mieter und vermietet wiederum an Gastronomen weiter.

Gehören zu AB-Inbev: Die Spaten-Brauerei sowie Franziskaner-Löwenbräu.
Gehören zu AB-Inbev: Die Spaten-Brauerei sowie Franziskaner-Löwenbräu. © dpa

Gemäß der gesetzlichen Vorgaben habe man die Pachten aus dem ersten Lockdown bis Juni 2022 gestundet, so die Mitteilung weiter: "Jede Erleichterung, die wir darüber hinaus von den Eigentümern erhalten, gibt AB InBev natürlich an die Pächter weiter." Der Konzern setzt jetzt auf die Politik. Man rechne damit, dass sich die Lage der Gastronomen mit der fortschreitenden Auszahlung der Novemberhilfen verbessern wird: "Dann werden auch weniger Gastbetriebe in die Lage kommen, ihre Pachten nicht bezahlen zu können."

Sehr viel persönlicher geht’s bei Augustiner zu. "Wir sind schwer getroffen von der Pandemie", erzählt Brauerei-Chef Martin Leibhard der AZ. Natürlich steige der Bier-Absatz im Handel etwas an. "Aber ein Liter Bier, den ich im Handel verkaufe, ist anders zu bewerten als in der Gastronomie." Diese Einnahmen fehlen der Brauerei natürlich sehr.

Augustiner steht in engem Kontakt mit den Wirten

Und wie unterstützt Augustiner seine Wirte? Darauf hat Leibhard keine pauschale Antwort. Der Augustiner-Außendienst stehe in engem Kontakt zu den Wirten. Die Lage sei ernst, aber immerhin, betont er, gebe es bis jetzt noch keinen einzigen Fall, dass jemand aufhört. "Wir gehen individuell mit unseren Wirten um. Bis die staatlichen Hilfsmittel fließen, versuchen wir zu helfen, indem wir manchen Wirten zum Beispiel die Pachten stunden. Manchmal stellen wir auch auf Umsatzpacht um", so der Augustiner-Boss.

Der neue Herr über Augustiner: Martin Leibhard
Der neue Herr über Augustiner: Martin Leibhard © az

Eine nennenswerte Anzahl an Gebäuden ist im Besitz der Brauerei selbst, da sei das kein Problem. Viele Lokale hat die Brauerei aber auch selbst angepachtet und an Wirte unterverpachtet. "Da gehen wir in manchen Fällen in Vorleistung", so Leibhard, "es gibt aber auch einige Vermieter, die uns von selbst die Pacht erlassen".

Bei den freien Wirten kann die Brauerei nicht viel machen, außer das Bier zurückzunehmen und gutzuschreiben. "Besonders schwierig ist es für viele junge Wirte, die sind ambitioniert und fleißig", weiß Leibhard. Da sei die finanzielle Decke dünn. Darum sei es wichtig, dass die Staatsmittel fließen.

Hofbräu hat es als Staatseigentum etwas leichter

Ein Anruf bei Hofbräu bestätigt ebenfalls den Eindruck von Park Café-Wirt Christian Lehner. Die Brauerei hat nach Rücksprache mit ihrem Eigentümer, dem bayerischen Staat, mit dem ersten Lockdown angefangen, Pachten wo möglich in Umsatz-Pachten umzuwandeln. Hofbräu-Sprecher Stefan Hempl sagt: "Man muss miteinander reden. Wir schauen, wo wir helfen können. Wo es möglich ist, versuchen wir, die Miete zu stunden. Aber das geht nicht überall."

Hofbräu hat viele Immobilien selbst gepachtet und an Wirte weiterverpachtet. Hier bezahlt die Brauerei die Miete, der Wirt aber momentan nicht an die Brauerei. "Als Institution des Freistaats Bayern stehen wir etwas besser da. Dennoch können wir nicht überall helfen." Abgelaufenes Bier holt die Brauerei aber zurück und reinigt den Wirten ihre Leitungen.

Paulaner fordert klare Signale aus der Politik

Paulaner hingegen sieht sich selbst als von der Krise schwer gebeutelt – und fordert klare Signale aus der Politik und eine zügige Auszahlung der zugesagten Unterstützung. Die Brauerei teilt mit: "Auch für uns Brauereien – und das trifft die gesamte Branche – sind die Auswirkungen massiv."

Auch der Blick in die Zukunft der eigenen Wirte ist bei Paulaner weniger optimistisch als bei Augustiner. Wie viele Gaststätten schließen müssen, sei noch nicht absehbar. "Wir haben schon im ersten Lockdown partnerschaftlich gehandelt, nicht nur bei Pachtobjekten", so die Brauerei weiter.

Mit der Gastro-Starthilfe habe man den Re-Start mit Millionen von Litern Gratisware unterstützt. Und auch jetzt seien die Außendienst-Kollegen in engem Austausch mit ihren Kunden, um individuelle Lösungen zu finden. Ob diese Lösungen für manchen trotz allem zu spät kommen? Man möchte es nicht hoffen, für die Wirte und die Münchner Wirtshauskultur.

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