Münchner WC-Expertin über Toiletten-Mangel in der Innenstadt: "Klos bauen alleine reicht nicht"

München - Laue Sommerabende, kühles Bier – und nirgendwo ein Klo. Eine Erfahrung, die viele Münchner schon gemacht haben. Seit Jahren wird über den eklatanten Mangel an öffentlichen Toiletten geklagt. 2019 hat die Stadt nun eine "Toiletten-Offensive" beschlossen, die gegen das Ärgernis vorgehen soll.
Hat das geklappt? Zeit, mal nachzufragen. Und zwar bei Diana Hipp (63). Sie leitet seit sechs Jahren Stadtführungen zur Münchner Toilettengeschichte – und kennt sich aus mit der Toilettensituation in der Münchner Innenstadt.
AZ: 2019 hat OB Dieter Reiter die öffentlichen Toiletten zur Chefsache erklärt, zwischen 2020 und 2023 sind zwölf neue öffentliche Klos in München entstanden, dieses Jahr sollen noch vier weitere dazukommen. Leben wir im goldenen Zeitalter der öffentlichen Toiletten in München?
DIANA HIPP: Ein goldenes Zeitalter der öffentlichen Toiletten, puh... Ich bin unsicher, ob es das in München je gegeben hat. Aber wenn, dann ist es auf jeden Fall nicht heute.
WC-Expertin: Klohäuschen mussten geheim bleiben
Seit wann gibt es denn in München überhaupt öffentliche WCs?
Seit dem 19. Jahrhundert. Das hatte damals Max Pettenkofer initiiert, im Kampf gegen die Cholera. Das Problem war damals: Man wollte zwar öffentliche Toiletten haben – aber man wollte sie nicht im Stadtbild sehen. Wegen der Prüderie. Also hat man die Toiletten ganz versteckt gebaut, in Fachwerkhäusern oder an anderen wenig einsehbaren Orten. Das Klohäuschen am Sendlinger Tor beispielsweise stammt aus dieser Zeit.
Was hat sich seitdem verändert?
Gute Frage. Schwer zu finden, sind die öffentlichen Toiletten in München auf jeden Fall immer noch. Aber jetzt kosten sie zusätzlich noch fast alle Geld. Also eine goldene Zeit für die öffentlichen Toiletten würde ich das nicht nennen.
Trotz Neubauten noch zu wenige WCs in München
Aber wurden nicht zuletzt zwölf neue öffentliche Toiletten in München gebaut?
Das stimmt. Aber: Bauen allein reicht halt nicht. In Neuperlach Süd wurde zum Beispiel erst vor Kurzem eine neue Toilette gebaut und eröffnet. Aber die ist jetzt seit Monaten immer abgeschlossen und keiner weiß, warum.
Also ist seit 2019 nichts besser geworden?
Für die ganze Stadt kann ich das nicht sagen, ich bin ja auch nicht immer überall. Aber in der Innenstadt, wo ich meine Führungen mache, hat sich nicht wirklich etwas verändert. Wobei – am Viktualienmarkt sind neue Klos dazugekommen, das ist auf jeden Fall eine gute Sache.
Und: Wirklich verbessert hat sich die Situation am Flaucher. Da gibt es jetzt mehrere öffentliche Toiletten und die sind sogar sauber. Und kostenlos! So etwas ist in der Innenstadt rar.
Was meinen Sie? Saubere oder kostenlose Klos?
Beides. Am saubersten ist wohl noch die Toilette am Marienplatz, aber die kostet Geld. Und jedes Mal 60 Cent zahlen, das ist schon ein Problem, gerade für Familien mit mehreren Kindern oder ältere Leute, die öfter mal müssen. Und wenn man an die Obdachlosen denkt, die können sich das auch oft nicht leisten.
Aber wenn man beim Wildbieseln erwischt wird, kostet das bis zu 100 Euro Strafe. In der Innenstadt war lange die letzte kostenlose Toilette die am Odeonsplatz – und die ist ja inzwischen auch dicht gemacht worden.
Darum ist 00 das Zeichen fürs Klo
Es gab eine öffentliche Toilette am Odeonsplatz?
Ja, direkt neben dem Tambosi ist so eine kleine Treppe und wenn man die runtergegangen ist, war da ein Klo. Superschwer zu finden, wie eben häufig in München. Ich habe mal spaßeshalber am Sendlinger Tor versucht, nur anhand von Beschilderungen eine Toilette zu finden – zwecklos.
Da kommt man nirgends an. Und die Beschriftungen, die es gibt, sind in München auch komplett uneinheitlich, das ist besonders für Touristen ein Problem. Mal heißen die Dinger Toilette, mal WC und mal 00 – das muss man auch erstmal verstehen.
Warum eigentlich 00?
Das kommt ursprünglich aus den Hotels. Die haben ja nummerierte Zimmer. Und damit die Gäste die Toiletten nicht mit den Hotelzimmern verwechseln, haben die WCs die Nummer 00 bekommen.
Diese öffentlichen Toiletten in München kennen Sie bestimmt noch nicht
Warum sind die öffentlichen Toiletten in München denn so uneinheitlich beschriftet?
Weil es so viele unterschiedliche Betreiber gibt. Für manche der Toiletten ist die MVG zuständig, für manche das Baureferat und wieder andere haben einen privaten Betreiber. Und fast überall wird das mit den Beschriftungen unterschiedlich gehandhabt – wenn es überhaupt welche gibt.
Haben Sie ein paar Tipps für öffentliche Toiletten in München, die man für gewöhnlich nicht kennt?
Am Marienplatz gibt es beispielsweise in der großen Sparkassen-Filiale eine Toilette. Und was auch viele nicht wissen, ist, dass Menschen mit Behinderungen oder chronischer Blasenschwäche bei der Stadt einen Schlüssel beantragen können. Mit dem können sie alle Behindertentoiletten aufschließen, und zwar zu jeder Uhrzeit.
"Gute Frage": Warum die Münchner Klos nachts abgesperrt sind
Apropos Uhrzeit: Warum sind so viele öffentliche Klos nachts abgesperrt?
Gute Frage. Ich vermute, dass das Argument lautet, dass die Klos sonst zu illegalen Treffs werden. Früher hat man auf jeden Fall argumentiert, dass die sonst zu Schwulentreffs würden; danach gab es eine Zeit lang das Argument, in den Toiletten würden sich die Fixer treffen. Auf jeden Fall sind Toiletten ja schwer zu kontrollierende Orte, gerade in der Nacht.
Haben Sie eine Lieblingstoilette unter den öffentlichen Klos in München?
Am urigsten sind auf jeden Fall die Klos im Globetrotter. Das sind so Orient-Express-Toiletten, das finde ich einfallsreich.