Münchner Virologe: "Impfstoffe sind ein Lichtblick - aber kein Durchbruch"

Der Münchner Virologe Oliver Keppler stimmt die Menschen auf fünf schwierige Wintermonate ein.
von  Ralf Müller
Virologe Oliver Keppler.
Virologe Oliver Keppler. © LMU

München - Auch wenn derzeit mehrere vielversprechende Impfstoffe in Aussicht sind, wird das Virus Sars-CoV-2 nach Ansicht des Münchner Virologen Oliver Keppler "nicht vom Erdboden verschwinden". Der Inhaber des LMU-Lehrstuhls für Virologie und Vorstand des Max-von- Pettenkofer-Instituts warnt vor der Annahme, dass im kommenden Jahr "das Licht angeht und die Pandemie ist vorbei".

Die Wintermonate begünstigen die Ausbreitung des Virus

Auch die sogenannte Herden-Immunisierung durch Impfen stelle eine "große Herausforderung" dar. Bis auf Weiteres werde es zu Maskentragen, Abstandhalten, Kontaktvermeidung und Lüften keine Alternativen geben, zumal die kommenden fünf Wintermonate die Ausbreitung des Virus begünstigten, sagte Keppler am Dienstagabend in einer virtuellen Ringvorlesung.

Bayern bereitet sich bereits auf die Verteilung des Impfstoffes gegen das Coronavirus vor.
Bayern bereitet sich bereits auf die Verteilung des Impfstoffes gegen das Coronavirus vor. © Friso Gentsch/dpa/Symbolbild

Corona-Impfung: Lichtblick, aber kein Durchbruch

Die in Aussicht gestellten Impfstoffe seien ein "Lichtblick", aber noch kein Durchbruch. Ob unter den mehr als 150 Präparaten ein "Traum-Impfstoff" sei, der 100-prozentige Wirksamkeit ohne Nebenwirkungen zeige und lebenslangen Schutz biete, könne man nicht beurteilen. Auch bei einem optimalen Impfstoff müssten 60 bis 72 Prozent der Bevölkerung geimpft werden, um Herdenimmunität herzustellen. Bei weniger wirksamen Stoffen steige die erforderliche Quote auf 75 bis 100 Prozent. Gleichwohl werde man in Deutschland die Covid-19-Erkrankung "ohne Impfstoffe nicht in den Griff bekommen".

Andere Länder zeigen, wie es ohne Impfung geht

Impfstoffen aus Russland und China wollte der Virologe ihre Wirksamkeit nicht absprechen, beurteilen könne man dies aber nicht. Die Länder Japan, Südkorea und Taiwan zeigten, wie man die Pandemie auch ohne Vakzin in den Griff bekommen könnte, sagte Keppler mit Blick auf die Infektionszahlen dort. Auf Taiwan habe die Pandemie "praktisch nicht stattgefunden", was jedoch auch der Insellage zuzuschreiben sei. Gescheitert ist nach Ansicht des Wissenschaftlers die schwedische Durchseuchungs-Strategie. Während das skandinavische Land pro 1.000.000 Einwohner 603 Tote durch Corona registriere, seien es in Japan nur 14. 

Antigen-Schnelltests in der Kritik

Skeptisch ist der Virologe gegenüber Antigen-Schnelltests, die eine Corona-Infektion schon in 15 Minuten anzeigen sollen. Während der Hersteller angebe, dass damit 90 bis 96 Prozent aller Ansteckungen angezeigt würden, hätten unabhängige Untersuchungen nur eine Entdeckungsquote von 45 bis 60 Prozent ergeben. Es mehrten sich die Berichte, dass es zur Weiterverbreitung komme, weil diese Tests eine Infektion nicht angezeigt hätten. Keppler nahm diese Beobachtungen zum Anlass, vor der ungeprüften Übernahme von Herstellerangaben zu warnen. "Goldstandard" für die Feststellung von Corona-Infektionen bleibe der sogenannte PCR-Test. Keppler trat außerdem dafür ein, die Corona-App für eine Nachverfolgung von Infektionsketten zu befähigen. Der Datenschutz sollte in diesem Fall zurücktreten, meinte der Virologie-Professor.

 

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