Münchner U-Bahn-Schubser vor Gericht: Immer wieder weint er
MÜNCHEN - Blitzlichter, surrende Kameras – Rentner Ludwig D. (70) wird in den überfüllten Gerichtssaal 177 geführt. Sein Gesicht versucht er hinter einem Aktendeckel zu verstecken. Zu peinlich ist ihm vermutlich seine Tat. Als U-Bahn-Schubser von München hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht.
Um 9.30 hat am Mittwoch in München der Prozess gegen den U-Bahn-Schubser begonnen. Die Anklage wirft Ludwig D. versuchten Mord vor. „Es tut mir wahnsinnig leid. Am liebsten würde ich die Sache ungeschehen machen“, sagt der Angeklagte, der während seiner Einlassung zur Tat immer wieder weinen muss.
Es passiert am 2. Juni 2008, gegen 14.20 Uhr, an der U-Bahnstation Petuelring. Als die U3 einfährt, schubst Ludwig D. die damals 13-jährige Dimitra T. Richtung U-Bahn. Das Mädchen fliegt zwischen den Spalt von zwei angekoppelten U-Bahn-Waggons. Zum Glück hat sie im Sturz die Arme wie ein Engel ausgebreitet, sodass sie nicht auf die Gleise fällt. Als sie mit den Armen gegen die Frontscheiben prallt, wird sie wie durch ein Wunder auf den Bahnsteig zurückgeschleudert und überlebt. Bei der Polizei sagt sie: „Ich hätte tot sein können.“
„Selber Schuld“, soll der Angeklagte Ludwig D. laut Anklage noch zu dem Mädchen gesagt haben. Ohne sich um sein Opfer zu kümmern, stieg der Rentner dann in die U-Bahn und fuhr mit seiner Ehefrau (65) in die Innenstadt. Dort tauschten sie ein Hemd um. Zeugen und das Überwachungsvideo an der U-Bahnstation überführten schließlich Ludwig D. als Täter. Drei Tage später wurde er festgenommen. Staatsanwalt Laurent Lafleur klagte ihn wegen Mordversuch in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung an.
Der Angeklagte selbst kann sich an die Tat nicht mehr so genau erinnern: „Ich fühlte mich bedrängt von den Jugendlichen, die dort tobten. Ich wollte den Kontakt mit ihnen vermeiden.“ Als eine „schwarz gekleidete Person“ auf ihn zu kam, habe er sie „einfach weggeschubst.“ Er leidet unter Platzangst und bekommt bei einer Menschenansammlung Panik. Dazu sein Verteidiger Peter Guttmann: „Als Kind musste er im Krieg ständig mit seiner Familie im bombensicheren Keller fliehen. In einer Art Abwehrreaktion hat er das Kind weggeschubst.“
An eine Panik-Reaktion will die Staatsanwaltschaft aber nicht glauben. Anton Winkler, Sprecher der Staatsanwaltschaft München I, sagte: „Der Angekalgte ist geübter U-Bahnfahrer. Er sollte Gedränge auf den U-Bahnhöfen gewohnt sein. Auf dem Video sieht man keinerlei Situation, sich bedrängt zu fühlen.“
Dass sie den Mann irgendwie belästigt habe, bestritt gestern auch die inzwischen 14-jährige Dimitra T. Sie hatte Hitzefrei, war deswegen schon so früh mit ihren Mitschülern im U-Bahnhof. Sie berichtete vor Gericht, die sei mit Stirn und ausgebreiteten Händen an die Wölbung am Führerstand der U-Bahn geprallt und habe dadurch einen Schubs zurück auf den Bahnsteig bekommen. Sie erlitt Prellungen am Nasenbein und an den Ellbögen, ihr war vor Schreck so schlecht, dass sich eine Freundin um sie kümnmern musste.
Die Frau des Schubsers reagierte auf den massiven Aussetzer ihres Mannes recht drastisch: "Was machst du denn da?", soll sie gesagt haben. "Geht's dir noch gut?" Ludwig D. entschuldigte sich gestern noch einmal bei seinem Opfer.
Der Prozess dauert an.
Torsten Huber
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