Münchner Studentin kämpft mit FiliPa e.V. gegen Kinderarmut

Die Philippinen haben die höchste Geburtenrate Asiens – auch, weil die katholische Kirche Verhütung verteufelt und eine Geburtenkontrolle so erschwert. Viele Kinder leben in bitterer Armut. Eine Münchner Studentin hilft mit ihrem Verein ehrenamtlich. Keine leichte Aufgabe.
von  Lukas Schauer
Geburten im Stundentakt: Hebammen im Kreissaal des Provinzkrankenhauses von Korondal City.
Geburten im Stundentakt: Hebammen im Kreissaal des Provinzkrankenhauses von Korondal City. © privat

Der Kreissaal ist karg. Zwei Liegen nebeneinander, ohne Abtrennung zueinander, wenig bequem. Es ist heiß, die Luft und der Boden kleben. Kein wirklich angenehmer Ort, um Leben zu schenken. Doch die Hebammen stört all das nicht, sie kümmern sich hier im Stundentakt um ihre Patientinnen – und Anna Hastreiter ist mittendrin.

In zwei Schichten hilft die Vorsitzende des Vereins "FiliPa e.V." mit, bringt an diesem Tag zwölf Kinder auf die Welt – alle gesund und munter. Eine Erfahrung, die für Hastreiter in mehrerer Hinsicht besonders ist. Zum einen, weil die 27-Jährige durch ihren Einsatz sehen konnte, wie gut die vom Verein geförderten und finanzierten Studentinnen ihren Job beherrschen. Und zum anderen, weil an diesem Tag klar wird, wie wichtig solch eine Ausbildung ist.

Drei Kinder pro Frau im Schnitt

Und wie wenig Menschen sie sich auf den Philippinen leisten können. Das Land hat die höchste Geburtenrate Asiens, über 150 Kinder werden im Schnitt pro Stunde in dem Land geboren, erst 2017 sank die Geburtenrate pro Frau erstmals auf knapp unter 3. Zumindest offiziell. Das Wissen über Verhütungsmethoden ist aufgrund fehlender Aufklärung so gut wie nicht oder falsch vorhanden. Versuche, Verhütungsmittel kostenlos zu verteilen, scheitern immer wieder und werden vor allem auch von der katholischen Kirche unterbunden – weil sie mit Abtreibung gleichgesetzt werden. Bei gut 80 Prozent der Katholiken landesweit hat das schwerwiegende Folgen, vor allem für die Frauen. Die Armutsrate ist enorm, ein Großteil kann sich und seine Kinder nur schwer ernähren. Geschweige denn Geld für kostenintensive Bildung aufbringen.

Geburten im Stundentakt: Hebammen im Kreissaal des Provinzkrankenhauses von Korondal City.
Geburten im Stundentakt: Hebammen im Kreissaal des Provinzkrankenhauses von Korondal City. © privat

Eine Spirale der Armut, die zu unterbrechen sich FiliPa e.V. zur Aufgabe gemacht hat. Wie notwendig die Hilfe ist wurde Hastreiter erstmals 2013 klar bei einem freiwilligen Hilfsdienst in einem Heim für Straßenkinder auf der Insel Mindanao. Über 50 Jungen leben dort auf engstem Raum zusammen, weil ihre Eltern starben, die Familie sie verstoßen hatten und/oder schlicht nicht versorgen konnten. Weder immateriell noch materiell. Die heute 27-Jährige beschloss zu helfen. Und seitdem werden nicht nur diese Straßenkinder unterstützt, der Verein setzt eben auch schon vorher an. "Wir investieren langfristig in die Bildung der Frauen und Männer, das ist der beste Weg, um ihnen später ein Einkommen zu ermöglichen", erklärt Hastreiter.

Ausgebildete Hebammen leisten wichtige Aufklärungsarbeit

Unter anderem eben mit der Möglichkeit, die Ausbildung zur Hebamme (und im nächsten Schritt zum/zur Krankenpfleger/in) zu machen – die durchaus anspruchsvoll ist. Sie findet an der University of the Philippines statt, alle Absolventen müssen ein mehrwöchiges Praktikum in der Hauptstadt Manila machen; Flug, Unterkunft und vor allem die Lebenshaltskosten sind für die Schüler im Normalfall unbezahlbar. Genau hier hilft der Verein – mit Erfolg. 20 Frauen und Männer hat FiliPa e.V. bereits zu Hebammen ausgebildet und so in ein festes Berufsleben gebracht. "Mit der Ausbildung schaffen wir auch Vorbilder. Die Frauen sind nicht mehr so abhängig von ihren Ehemännern, finanziell wie emotional. So wird das Familienbild und die Persönlichkeiten der Frauen gestärkt. Sie sind ihren Kindern dann später ein Vorbild", erklärt die 27-Jährige.

Was die Arbeit von FilliPa so besonders macht? "Wir kennen jeden Helfer vor Ort persönlich, genau wie unsere Schüler", so Hastreiter. Und ohne Helfer vor Ort geht es nicht, wie sich auch beim diesjährigen Besuch wieder zeigte. FiliPa möchte in Koronadal City ein Haus für die Hebammen-Schüler bauen. Bislang wohnen diese oft in Barracken zu viert auf sechs Quadratmetern, ohne Strom und fließendes Wasser. Zusammen mit den Locals suchte Hastreiter nun ein geeignetes Grundstück – und wurde fündig. Der Bürgermeister der Stadt unterstützt den Verein bei dem Projekt, will sich um die baldige Sicherung von Wege- und Einfahrtsrechten kümmern. Normalerweise ohne entsprechende Zahlungen an die richtigen Stellen für Westler undenkbar. "Wenn man mich als deutsche Frau vor Ort sieht, verlangen alle sofort das X-fache. Deswegen brauchen wir unsere einheimischen Helfer", so Hastreiter.

Korruption und Bürokratie machen Hilfe oft sehr schwer

Das Hebammen-Haus ist nun das nächste große Projekt des Vereins, für das nach wie vor Geld benötigt wird. Schon mit 30 Euro pro Monat kann FiliPa viel bewirken. Hastreiter, die bereits fünf Mal auf den Philippinen war, geht das Vorhaben mit viel Energie und Zuversicht an. "Das schwierigste ist aufgrund der großen Armut vor Ort jedes Mal wieder, nicht den Blick für das wirklich wichtige zu verlieren: Die Investition in mentale Stärke und Bildung und damit in eine bessere Zukunft der Menschen." Dafür bringen die 27-Jährige und ihre Mitstreiter viel Energie und Zeit auf.

Entwicklungshilfe vor Ort: Anna Hastreiter (3. v. li.) beim Handschlag mit dem Bürgermeister von Koronadal City.
Entwicklungshilfe vor Ort: Anna Hastreiter (3. v. li.) beim Handschlag mit dem Bürgermeister von Koronadal City. © privat

Doch wenn Hastreiter am Ende ihrer Schicht verschwitzt und müde im kargen Kreissaal steht und sieht, mit welcher Freude und Hingabe "ihre" Schüler Leben schenkten, weiß sie: Es sind genau diese Momente, die all die freiwillige Arbeit lohnenswert machen. Und wie wichtig es ist, diesen Weg weiterzugehen. "Helfen ist nicht immer einfach, aber immer richtig", sagt Hastreiter. Die Reise für 2019 ist bereits in Planung. 


Filipa e.V. ist ein gemeinnütziger Verein. Fördermitgliedschaften und Spenden (Spendenkonto IBAN: DE 67 7425 1020 0052 3399 42) sind auch über die Webseite möglich. Anna Hastreiter beschäftigt sich auch wissenschaftlich mit dem Thema: Sie schreibt ihre Masterarbeit über Entwicklungshilfe im Gesundheitsbereich.

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