Münchner Stickoxid-Debatte: Kleine Menge, großer Streit
München - Mit der Luft ist es so eine Sache: Atmen muss schließlich doch ein jeder. Deswegen ist die Debatte auch so emotional.
Konkret geht es um 40 Mikrogramm je Kubikmeter. Das ist der zulässige Grenzwert für Stickoxid. In München wird dieser Wert auf 123 Straßenkilometern überschritten. Wie dringend man da etwas dagegen tun muss, ist in politischen Kreisen allerdings umstritten.
Bei der Regierung von Oberbayern sieht man die Angelegenheit offenbar eher gelassen. Am Dienstag hat die Behörde ihren neuen Luftreinhalteplan für München veröffentlicht. Von Fahrverboten für Diesel-Fahrzeuge ist darin trotz entsprechender Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofs jedoch keine Rede (AZ berichtete). Die Grünen im Münchner Stadtrat irritiert das ordentlich.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen seien alle nicht ausreichend, sagte Fraktionschef Florian Roth gestern im Rathaus. "Ich habe noch nie so viel heiße Luft gelesen", kommentierte er den Plan der Regierung. Bekanntlich seien Stickoxide gefährliche Reizgase. Da müsse man ersthaft etwas dagegen unternehmen, so Roth.
Seine Kollegen von der Bayernpartei halten das für Hysterie. "Sie tun so, als würden sich an der Landshuter Allee Leichenberge auftürmen", polterte Stadtrat Richard Progl (Bayernpartei) in Richtung Roth. Würde man Diesel-Fahrzeuge in der Stadt verbieten, käme das einer Enteignung gleich.
Raucher dürfen nicht gegen Diesel sein?
Die Stickoxid-Werte seien durch die Verbesserung der Technik in den vergangenen Jahren von selbst gesunken, so Progl. Man müsse also eigentlich nur abwarten, irgendwann würden die Grenzwerte schon eingehalten. Und außerdem: Die Grünen stünden doch auch oft genug beim Rauchen im Hof beisammen. "Da pumpt ihr euch freiwillig jeden Tag ein Vielfaches des Jahresgrenzwertes in eure Lungen", so Progl. Die Grünen sollten deshalb nicht so scheinheilig tun.
Für derartige Polemik hat man bei den Grünen nur Kopfschütteln übrig. Denn an der Landshuter Allee sind die Werte zwischen 2012 und 2017 nur um drei Punkte gesunken, von 81 auf 78 Mikrogramm. "Wenn das so weitergeht, werde ich die Einhaltung der Grenzwerte nicht mehr erleben", so Roth.
Skurrilerweise bleibt der Stadt vorläufig aber tatsächlich gar nichts anderes übrig als abzuwarten. U-Bahnen, Radlwege, Elektrotankstellen - das kann man natürlich alles bauen, um die Leute zum Umstieg auf umweltfreundliche Fortbewegungsmittel zu motivieren. All das kann aber nur Teil der Lösung sein.
Um auch den Diesel-Verkehr effizient regulieren zu können, setzt Münchens Umweltreferentin Stephanie Jacobs (parteifrei) weiterhin auf die blaue Plakette. Mit der könnten die größten Stinker aus der City verbannt werden. Allerdings: Die blaue Plakette müsste der Bund einführen. Und da herrscht gerade auch noch großes Abwarten.