Münchner Stadtplaner: "Baurecht bricht Baumrecht"

Im AZ-Interview verteidigt der Vize der Lokalbaukommission die Baumpolitik der Stadt.
Interview: Nina Job |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Thomas Rehn ist Vizechef der Lokalbaukommission.
job Thomas Rehn ist Vizechef der Lokalbaukommission.

München - Die AZ hat mit Thomas Rehn gesprochen. Der Stadtplaner ist Vizechef der Lokalbaukommission. Das Amt ist für Baugenehmigungen zuständig.

AZ: Herr Rehn, in Bogenhausen, Harlaching, Thalkirchen, Trudering und anderen ehemals grünen Lungen in der Stadt verschwinden zunehmend alte Bäume. Kleinere Häuser weichen großen, ehemals prächtige Gärten schrumpfen auf Vorgartengröße. Warum unternimmt die Stadt nichts gegen diesen Trend?
THOMAS REHN: Grundsätzlich ist es so, dass in Vierteln, wo kein Bebauungsplan besteht, auf vielen Grundstücken mit älteren Häusern meist mehr Baurecht besteht. Das heißt, es darf größer bebaut werden. Wenn die Grundstücke dann verkauft werden, wird dieses Baurecht in der Regel ausgeschöpft. In München ist der Baudruck sehr hoch. Die wenigsten können sich noch ein freistehendes Einfamilienhaus leisten. Bauträger kaufen die Grundstücke und bauen Fünf- bis Sechs-Familienhäuser darauf.

Nachbarn wundern sich oft, was alles genehmigt wird ...
Eine Stadt ist immer im Wandel, sie entwickelt und verändert sich. Heute empfinden viele ältere Häuser als schön. Aber es ist ja nicht so, dass die Leute früher alles Neue gutgeheißen hätten. Heute stellen wir allerdings den Trend fest, dass sich Nachbarn grundsätzlich erstmal gegen jedes Bauprojekt wenden und oft klagen.

Was wird genehmigt?
Für Bauanträge gilt: Solange die Architektur nicht verunstaltend ist und sich Größe und Lage des Neubaus in die Umgebung einfügen, muss er genehmigt werden.

Was unternimmt die Stadt, um bei Bauprojekten Bäume zu erhalten?
Natürlich sollen Bäume erhalten werden. Jeder Fall wird einzeln geprüft. Es kommt durchaus vor, dass wir verlangen, dass Tiefgaragenzufahrten verlegt werden oder die Architektur des Neubaus angepasst werden muss. Doch grundsätzlich gilt: Wo Baurecht vorhanden ist, bricht es das Baumrecht. Im Zuge der Nachverdichtung brauchen wir ja auch mehr Wohnungen.

Darf ein Bauherr einen alten Baum einfach ersatzlos fällen?
Wenn er eine Fällgenehmgiung hat, verlangt die Untere Naturschutzbehörde Ersatz. Kann dieser auf dem Grundstück nicht nachgewiesen werden muss in Geld ausgeglichen werden pro Baum ist dann eine Ersatzzahlung von 750 Euro fällig. Die fließen in einen Topf, der von der Stadt für Grünflächen-Maßnahmen verwendet wird.

Das heißt aber nicht, dass die Stadt für jeden gefällten Baum einen neuen auf öffentlichem Grund pflanzt?
Nein, das heißt es nicht.

Einen Baum während einer Baumaßnahme zu schützen, kann schon mal 10.000 Euro kosten. Da sind 750 für einen gefällten doch lächerlich.
Da gebe ich Ihnen zwar recht, grundsätzlich geht aber Schutz vor Fällung und realer Ersatz vor Geldzahlung.

Was kostet es, wenn ein Baum verbotenerweise gefällt wird?
Bis zu 50.000 Euro.

Kennen Sie einen konkreten Fall?
Adhoc nicht. Das kommt zum Glück äußerst selten vor.

Warum hat München keine Gartenstadtsatzung, die den Bestand alter Bäume schützt?

Es gab mal eine Gartenstadtsatzung. Doch die wurde 2003 vom Verwaltungsgerichtshof gekippt.

Müssen sich die Münchner also damit abfinden, dass es immer weniger Bäume gibt und die Stadt zunehmend versiegelt wird?
Wie alles wird sich auch das Grün in der Stadt verändern. So wird es zum Beispiel mehr Dachbegrünungen geben.


Promi klagt: Kein Erfolg für Udo Brandhorst

Udo Brandhorst (78), Kunstsammler und Mäzen mit eigenem Museum in München, klagte gegen seinen Nachbarn. Dieser hatte das alte Haus eines Wiesnwirts in Bogenhausen gekauft und abgerissen, um dort zwei hohe Gebäude mit luxuriösen Eigentumswohnungen und Natursteinfassade zu bauen. Dem Ästheten Brandhorst waren die Neubauten zu hoch, zu groß, zu nah – und hässlich fand er sie auch. Außerdem klagte Udo Brandhorst gegen das große Abholzen auf dem Nachbargrundstück im Zuge der Neubaumaßnahme.

Der Kunstsammler hatte beim Bau seines eigenen Hauses selbst viel Geld für Baumschutzmaßnahmen ausgegeben. Doch vor Gericht scheiterte Udo Brandhorst. Angemerkt werden muss, dass seine Privatvilla auch nicht gerade klein ausgefallen ist.

Lesen Sie auch: Zwischen Kreuzhof und Luise-Kiesselbach-Platz - 60 statt 80!

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.