Münchner Staatsanwälte kritisieren das Cannabis-Gesetz: Mehr Arbeit, Ziel verfehlt
München - Begeisterung sieht anders aus. Die Münchner Staatsanwaltschaft sieht das neue "Gesetz zu kontrolliertem Umgang mit Cannabis" durchaus kritisch. Das wurde bei einer Pressekonferenz zum Thema in der Linprunstraße deutlich. Mit dem Gesetz, das am 1. April 2024 in Kraft getreten ist, wurde ein "weitreichender Systemwechsel" vollzogen, weil Cannabis nicht mehr als Betäubungsmittel definiert werde.
Allerdings: Der Umgang mit Cannabis ist auch nach dem neuen Recht grundsätzlich nicht erlaubt. Es wurden lediglich Bereichsausnahmen geschaffen, innerhalb derer der Besitz bestimmter Mengen zum Eigenkonsum nicht mehr strafbar ist. Es ist politischer Willen, statt auf die Strafverfolgung mehr auf die Prävention zu bauen. So sieht die derzeitige Regelung (Auszug) aus: Nach Paragraf 34 Konsumcannabisgesetz wird mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren unter anderem bestraft, wer mehr als 30 Gramm Cannabis an einem Ort besitzt, der nicht sein Wohnsitz ist, mehr als drei lebende Pflanzen besitzt oder mit Cannabis Handel treibt.
Cannabiskonsum: Nicht weniger gefährlich geworden
In besonders schweren Fällen kommt auch eine Höchststrafe von fünf Jahren zur Anwendung. Das gilt vor allem bei gewerbsmäßigem Handeltreiben mit Cannabis. Die Münchner Staatsanwaltschaft glaubt, dass die Gefährlichkeit des Cannabiskonsums durch das Gesetz faktisch nicht geringer geworden sei. Das liege auch daran, dass der Wirkstoffgehalt in den vergangen Jahren stark angestiegen ist, erklärt Staatsanwältin Regina Leitner.
Auch der Erfolg im Kampf gegen den Schwarzmarkt, ein weiteres Ziel des Gesetzgebers, sei bislang nicht festzustellen. Vielmehr bestehe eine Vielzahl begünstigender Faktoren für Kriminelle zum Fortführen der illegalen Geschäfte. Gibt es denn gar nichts Gutes zu berichten? Immerhin werde die Justiz doch entlastet, wenn der Besitz oder der Konsum von Cannabis in bestimmten Bereichen nicht mehr unter Strafe gestellt wird. Das stimme zwar, aber die Verfahren wegen geringfügiger Vergehen wurden als Bagatellfälle meist rasch eingestellt, haben also den Anklägern wenig Arbeit gemacht.
8000 Verfahren mussten erneut überprüft werden – Häftlinge wurden entlassen
Weiterer Kritikpunkt: Den Ermittlern werden Druckmittel genommen. Weil die erwartbaren Strafen geringer ausfallen, tun sich die Gerichte schwerer, Ermittlungsmaßnahmen wie Durchsuchungen oder Telefonüberwachung zu genehmigen. Das geben die möglichen Strafen einfach nicht her. Auch die Möglichkeit, Jugendliche und Heranwachsende zur Drogenberatung zu schicken, ist den Ermittlern genommen worden, so die Staatsanwaltschaft.
8000 Verfahren mussten wegen des neuen Gesetzes noch einmal überprüft werden. Mehr Arbeit für die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte an der Linprunstraße. Es hätten auch bereits Häftlinge entlassen werden müssen, da ihre Strafen nicht zum neuen Gesetz passen. Die Arbeit der Anklagebehörde ist komplizierter statt einfacher geworden, sagt Leitner. Und nennt als Beispiel den Hotspot Alter Botanischer Garten. Dort sei es aufgrund der neuen Regelungen schwieriger geworden, Drogenhändler zu verfolgen.
Neues Cannabis-Gesetz bringt statt Entlastung mehr Arbeit
Das Fazit: Der Gesetzgeber beabsichtigte eine Entlastung der Strafverfolgungsbehörden, das Gegenteil sei der Fall. Die Arbeit ist schwieriger geworden, beklagen die Ermittler. Die Gesetzesänderung habe zudem einen hohen Arbeitsaufwand zur Folge, weil unter anderem geprüft werden musste, inwieweit das neue Gesetz in laufenden oder bereits abgeschlossenen Verfahren noch zur Anwendung kommt.
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