Münchner Staatsanwälte kritisieren das Cannabis-Gesetz: Mehr Arbeit, Ziel verfehlt

Bei einer Pressekonferenz geht die Staatsanwaltschaft München I mit der neuen Cannabis-Regelung hart ins Gericht.
John Schneider
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Die neue Cannabis-Regelung bedeutet für Staatsanwaltschaft und Polizei mehr Arbeit. (Symbolbild)
Die neue Cannabis-Regelung bedeutet für Staatsanwaltschaft und Polizei mehr Arbeit. (Symbolbild) © dpa

München - Begeisterung sieht anders aus. Die Münchner Staatsanwaltschaft sieht das neue "Gesetz zu kontrolliertem Umgang mit Cannabis" durchaus kritisch. Das wurde bei einer Pressekonferenz zum Thema in der Linprunstraße deutlich. Mit dem Gesetz, das am 1. April 2024 in Kraft getreten ist, wurde ein "weitreichender Systemwechsel" vollzogen, weil Cannabis nicht mehr als Betäubungsmittel definiert werde.

Allerdings: Der Umgang mit Cannabis ist auch nach dem neuen Recht grundsätzlich nicht erlaubt. Es wurden lediglich Bereichsausnahmen geschaffen, innerhalb derer der Besitz bestimmter Mengen zum Eigenkonsum nicht mehr strafbar ist. Es ist politischer Willen, statt auf die Strafverfolgung mehr auf die Prävention zu bauen. So sieht die derzeitige Regelung (Auszug) aus: Nach Paragraf 34 Konsumcannabisgesetz wird mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren unter anderem bestraft, wer mehr als 30 Gramm Cannabis an einem Ort besitzt, der nicht sein Wohnsitz ist, mehr als drei lebende Pflanzen besitzt oder mit Cannabis Handel treibt.

Cannabiskonsum: Nicht weniger gefährlich geworden

In besonders schweren Fällen kommt auch eine Höchststrafe von fünf Jahren zur Anwendung. Das gilt vor allem bei gewerbsmäßigem Handeltreiben mit Cannabis. Die Münchner Staatsanwaltschaft glaubt, dass die Gefährlichkeit des Cannabiskonsums durch das Gesetz faktisch nicht geringer geworden sei. Das liege auch daran, dass der Wirkstoffgehalt in den vergangen Jahren stark angestiegen ist, erklärt Staatsanwältin Regina Leitner.

Auch der Erfolg im Kampf gegen den Schwarzmarkt, ein weiteres Ziel des Gesetzgebers, sei bislang nicht festzustellen. Vielmehr bestehe eine Vielzahl begünstigender Faktoren für Kriminelle zum Fortführen der illegalen Geschäfte. Gibt es denn gar nichts Gutes zu berichten? Immerhin werde die Justiz doch entlastet, wenn der Besitz oder der Konsum von Cannabis in bestimmten Bereichen nicht mehr unter Strafe gestellt wird. Das stimme zwar, aber die Verfahren wegen geringfügiger Vergehen wurden als Bagatellfälle meist rasch eingestellt, haben also den Anklägern wenig Arbeit gemacht.

8000 Verfahren mussten erneut überprüft werden – Häftlinge wurden entlassen

Weiterer Kritikpunkt: Den Ermittlern werden Druckmittel genommen. Weil die erwartbaren Strafen geringer ausfallen, tun sich die Gerichte schwerer, Ermittlungsmaßnahmen wie Durchsuchungen oder Telefonüberwachung zu genehmigen. Das geben die möglichen Strafen einfach nicht her. Auch die Möglichkeit, Jugendliche und Heranwachsende zur Drogenberatung zu schicken, ist den Ermittlern genommen worden, so die Staatsanwaltschaft.

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8000 Verfahren mussten wegen des neuen Gesetzes noch einmal überprüft werden. Mehr Arbeit für die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte an der Linprunstraße. Es hätten auch bereits Häftlinge entlassen werden müssen, da ihre Strafen nicht zum neuen Gesetz passen. Die Arbeit der Anklagebehörde ist komplizierter statt einfacher geworden, sagt Leitner. Und nennt als Beispiel den Hotspot Alter Botanischer Garten. Dort sei es aufgrund der neuen Regelungen schwieriger geworden, Drogenhändler zu verfolgen.

Neues Cannabis-Gesetz bringt statt Entlastung mehr Arbeit

Das Fazit: Der Gesetzgeber beabsichtigte eine Entlastung der Strafverfolgungsbehörden, das Gegenteil sei der Fall. Die Arbeit ist schwieriger geworden, beklagen die Ermittler. Die Gesetzesänderung habe zudem einen hohen Arbeitsaufwand zur Folge, weil unter anderem geprüft werden musste, inwieweit das neue Gesetz in laufenden oder bereits abgeschlossenen Verfahren noch zur Anwendung kommt.

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2 Kommentare
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  • ShotgunHorst am 19.07.2024 11:28 Uhr / Bewertung:

    Für die Mehrarbeit, darf sich die Justiz ja gerne bei der CSU bedanken, die durch 100 zusätzliche Hürden, die eigentlich guten Intentionen zunichte macht. Die Fälle die jetzt erneut aufgearbeitet werden, sind zum großen Teil Minimalmengen von unter 5 Gramm, die in jedem anderen Bundesland und ohne dem Druck der CSU, sowieso nie zur Anklage gebracht worden wären. Das neue Gesetz hat also schon einen positiven Effekt, es wird die Kriminalisierung wegen Belanglosigkeiten ein Riegel vorgeschoben.

    Gebt dem Gesetz noch etwas Zeit sich einzupendeln, irgendwann wird auch Söder einsehen, dass er hier aufs falsche Pferd setzt..

  • Da Ding am 19.07.2024 00:15 Uhr / Bewertung:

    Diese verfluchten Übergangszeiten immer. Ja, das ist schrecklich.

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