Münchner Sicherheitsdebatte: Jetzt spricht ein Lkw-Fahrer
Schreckliche Unfälle zwischen Lastwagen und Radlern haben die Debatte um Konsequenzen befeuert. In der AZ spricht ein Lkw-Fahrer.
München - Donnerstag, 6.30 Uhr in Bogenhausen, Fahrtrichtung Innenstadt. Neben einem kleinen Lkw fährt eine Radfahrerin ohne Licht und ohne Helm. Ihre Jacke ist schwarz. Draußen ist es dunkel. "Man muss die Augen und Ohren immer offen halten", sagt Peer Trenn. Er sitzt am Steuer des Lkws – 7,5 Tonnen schwer, beladen mit Paletten, Kleidung und Fahrrädern.
Trenn ist jeden Tag mit seinem Laster in der Münchner Innenstadt unterwegs. Er arbeitet seit rund 16 Jahren bei einer Spedition in Hallbergmoos. Dorthin fahren die großen 40-Tonner und laden aus. Trenn bringt sie mit dem kleineren Lkw zu den Geschäften nach München.
Gefährliches Gedränge zwischen den Lastern
Neben Trenn sind jeden Tag viele andere Lieferfahrzeuge in der Innenstadt auf der Straße. Sie bringen Lebensmittel, Kleidung und andere Waren. Zwischen den Lastern tummeln sich Fußgänger und Fahrradfahrer. Kein ungefährliches Gedränge.
Im Dämmerlicht erreicht Trenn die Münchner Innenstadt. Seine erste Station: ein Bekleidungsgeschäft an der Maffeistraße. Trenn parkt seinen Laster. Um ihn herum ist alles in Bewegung. Radler preschen über die Fahrbahn.
Die Tram hält, sammelt Fahrgäste ein, Baustellenfahrzeuge schieben sich am Marienhof aneinander vorbei. Die Müllabfuhr leert Tonnen. Dann fährt ein Fahrradfahrer von rechts knapp vor den Wagen der Müllabfuhr, der Fahrer hupt.
Der Verkehr soll für Radfahrer sicherer werden
Vielerorts wird aktuell darüber diskutiert, wie man den Verkehr für Radfahrer sicherer gestalten kann. Gerade bei rechtsabbiegende Lkw kommt es immer wieder zu Unfällen mit Radlern. Von einigen Seiten wird der Ruf nach Abbiegeassistenten laut. Wien spricht sogar über ein Rechts-Abbiege-Verbot in der Innenstadt.
"Ein Abbiegeverbot ist in der Realität doch überhaupt nicht umsetzbar", sagt Trenn. "Das ginge vielleicht in einer Stadt, in der kein Verkehr herrscht. Aber das ist ja schonmal Quatsch." Der gelernte Bäcker sitzt seit 20 Jahren hinterm Steuer eines 7,5 Tonners.
Einen Unfall mit einem Fahrradfahrer hatte er während der Fahrt noch nie. Er kennt aber Kollegen, denen das passiert ist. Auch von einem tödlichen Unfall weiß er in seinem Umfeld.

Wie passieren solche Unfälle? "Ich würde sagen, fünf Prozent der Schuld liegt bei den Lkw-Fahrern. Der Rest bei den Radfahrern", sagt Trenn. Er sagt das gelassen, ohne Schaum vorm Mund: "Die meisten Radler fahren vorsichtig. Aber es gibt eben auch einige, die völlig rücksichtslos über die Straße brettern."
Mittlerweile ist es hell draußen, wenn auch etwas neblig. Kurz nachdem Trenn von rücksichtslosen Radlern erzählt, schießt einer von ihnen auf der falschen Seite über eine grüne Fußgängerampel. Mit einer ausfallenden Geste zeigt Trenn in die Richtung des Radlers. Schimpfen tut er nicht.
Mögliche Lösung: ein Abbiegeassistent
Die Idee eines Abbiegeassistenten findet Trenn prinzipiell sehr gut. "Alles was helfen kann, Unfälle zu vermeiden, da bin ich dafür", sagt er. Nur an der Umsetzbarkeit zweifle er. "In der Innenstadt würde so ein System ja gar nicht mehr aufhören zu piepsen. Neben dem Lkw ist doch ständig etwas in Bewegung", meint Trenn.
Auch er ist ständig in Bewegung. Je nach Ladung fährt er mal zehn, mal 25 Kunden in der Stadt an. Dabei sitzt ihm ständig die Zeit im Nacken. "Für eine Strecke von sechs Kilometern brauche ich München schon mal eine Stunde", sagte er.
Jeder sollte im Verkehr Rücksicht nehmen
Er will nach nach rechts in eine Straße einbiegen. Sein Blick schweift in die großen Spiegel an der Seite des Lkw. Der Blinker des Gefährts piepst laut beim Abbiegen. Gerade ist kein Radler da.
Trenn ist ein Mann, der sich hinterm Steuer auf seine Erfahrung und die großen Spiegel des Lkws verlässt. Was er sich aber wünschen würde: "Jeder Verkehrsteilnehmer soll Rücksicht nehmen. Egal ob Lkw, Radler oder Fußgänger. Da wäre schon viel geholfen. Dann würde weniger passieren."
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