Münchner Schöffe erzählt: Warum ich Laienrichter bin

Der Bürger als Richter: Ab Januar treten über 1.600 neue Schöffen an den Münchner Gerichten ihr Ehrenamt an. In der AZ erzählt Achim von Bebenburg, warum er die Herausforderung annimmt.
von  Eva von Steinburg
Das Strafjustizzentrum an der Nymphenburger Straße, hier verhandelt das Amtsgericht viele Fälle. Dort ist auch Achim von Bebenburg seit Januar Schöffe.
Das Strafjustizzentrum an der Nymphenburger Straße, hier verhandelt das Amtsgericht viele Fälle. Dort ist auch Achim von Bebenburg seit Januar Schöffe. © dpa, privat.

München - Sie sollen die Bevölkerung widerspiegeln. Für ein vernünftiges Urteil sollen sie nicht zu jung sein – und nicht zu alt: Schöffen am Gericht. Ein Berufsrichter und zwei Laienrichter - die Schöffen - entscheiden, wenn an bayerischen Amtsgerichten eine Strafe von zwischen zwei und vier Jahren Gefängnis erwartet wird. Auch am Landgericht kommen sie zum Einsatz.

Ab 2. Januar 2019 beginnen 1.600 neue Haupt- und Hilfsschöffen bei Prozessen in München: 400 am Amtsgericht, 1.000 am Landgericht I und 280 am Landgericht II.

Ab 25 Jahren kann man Schöffe werden

Jeder Deutsche zwischen 25 und 69 Jahren darf Schöffe sein, wenn der Wahlausschuss ihn aussucht: "Es geht darum, Lebens- und Berufserfahrung in die Beurteilung eines Strafverfahrens einzubringen. Es geht uns um den gesunden Menschenverstand. Ein Jurastudium und ein bestimmter IQ sind gerade nicht Voraussetzung für das Amt", erklärt die Münchner Richterin B. beim Einführungsseminar.

Mit dabei ist Achim von Bebenburg (50) aus Gräfelfing. Seine Gemeinde hatte Ehrenamtliche gesucht für die Münchner Gerichte. Nun wird er für die Periode von fünf Jahren als gleichberechtigter Richter bei Strafprozessen mitentscheiden – nach seiner freien Überzeugung. Die Gerichtstermine sind circa einmal im Monat. Die Justiz erstattet ihm Fahrtkosten und zahlt eine Aufwandsentschädigung von sechs Euro pro Stunde für den Gerichtstermin.

AZ: Herr von Bebenburg, haben Sie ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden?
ACHIM VON BEBENBURG: Ich habe etwas gegen Ungerechtigkeit. Die mag ich nicht. Ich bin einer, der dann aufsteht.

Als langjähriger Wirt und aktuell Chef des "Wilden Hirsch" arbeiten Sie oft am Abend. Wollen Sie Schöffe sein, weil sie tagsüber Zeit haben?
Das war nicht der Grund, denn für dieses Ehrenamt am Gericht wird man von der Arbeit freigestellt. Zwei Freunde von mir sind Richter. Von ihnen weiß ich, wie interessant ihre Fälle sind. Gerichtsverfahren bieten tiefe Einblicke in das Leben.

"Urteile werden in Namen des Volkes gefällt"

Wie wichtig halten Sie Schöffen für die Demokratie?
Urteile werden im Namen des Volkes gefällt in unserem Staat. Dass einem Richter zwei Schöffen aus der Bevölkerung zur Seite gestellt werden, ist ein ganz wichtiger Teil unseres Rechtssystems. Bürger wie du und ich beurteilen eine Straftat mit dem normalen Menschenverstand. Sie können Berufsrichter sogar auch überstimmen.

Schöffen werden händeringend gesucht. Freuen Sie sich, dass Sie ausgesucht worden sind?
Für mich passt das gut. Ich bin neugierig auf mein Amt. In Österreich werden übrigens keine Freiwilligen gesucht, dort werden Menschen aus der Bevölkerung für die Justiz als Schöffe verpflichtet, ob sie es wollen oder nicht. (Anmerkung der Redaktion: Das ist auch in Deutschland der Fall. Melden sich nicht genug Freiwillige, werden nach dem Zufallsprinzip unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben Personen aus den jeweiligen Melderegistern gezogen.)

Woher kommt Ihr Interesse an der Justiz?
Schon mit der Schule war ich bei Strafverfahren. Später war ich als Zeuge vor Gericht. Einmal war ich selbst angeklagt: Ein Gast, der eine Stufe heruntergefallen ist, hat mich als Wirt auf Verletzung der Wegsicherungspflicht verklagt. Ich habe den Prozess gewonnen. Aber ich weiß jetzt, wie es ist, in einem Gerichtssaal zu sitzen, das ist ein wichtiger Aspekt.

"Demokratie lebt vom Mitmachen"

Trauen Sie sich zu, ein Urteil zu sprechen – ohne Ansehen der Person und nach besten Wissen und Gewissen?
Ja, schon. Falls ein Bekannter angeklagt sein sollte, scheidet man sowieso als befangen aus. Vollkommen unvoreingenommen möchte ich sein, wenn jemand vor Gericht gezogen wird und ich mitverantwortlich für die Höhe der Strafe bin. Der Richter nimmt die Schöffen dabei aber an der Hand und berät sie mit seinem juristischen Wissen.

Ihr eintägiges Schöffen-Seminar endete mit einer Führung in Stadelheim. Was war Ihr Eindruck?
Der Besuch im Gefängnis hat die Sache abgerundet. Jetzt wissen wir, wo wir verurteilte Menschen hinschicken. Ich muss wissen, was Menschen erwartet, wenn er eine Gefängnisstrafe verbüßen muss. Stadelheim ist der Ort, an den ich nicht hinmöchte. Alles ist karg. Sich nicht frei bewegen zu können, kann ich niemanden wünschen.

Seit 32 Jahren sind Sie ehrenamtlicher Wahlhelfer an Ihrem Wohnort. Jetzt sind Sie dazu Ehrenamtlicher am Amtsgericht. Wieso sind Sie so engagiert?
Seit ich 18 Jahre alt bin, helfe ich bei Wahlen. Inzwischen bin ich Wahlvorstand. Meine Eltern waren schon Wahlhelfer, so bin ich da hineingewachsen. Demokratie lebt vom Mitmachen.

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