Münchner Schandflecke: Ruhe an der Freiheit!
MÜNCHEN - Unsere Stadt soll schöner werden: Die AZ stellt Münchner Schandflecke vor und erklärt, was sich besser machen ließe. Bei der Landshuter Allee sind sich alle Experten einig.
Wenn die Fenster geöffnet sind, wird es laut in der Wohnung. Es klingt, als führen die Autos mitten durch den Raum. Zu dem Lärm kommen die Abgase. So sieht er aus: der ganz normaler Wahnsinn in der Landshuter Allee.
Laut Statistischem Amt leben genau 2701 Menschen dort, an einer der stinkigsten Straßen Deutschlands.
Rund 140000 Fahrzeuge sind auf diesem Teilstück des Mittleren Rings unterwegs – jeden Tag, wohlgemerkt. Allein heuer ist die zulässige Feinstaubgrenze bereits sechs Mal überschritten worden. „Die Situation ist nicht haltbar“, sagt die zuständige Bezirksausschuss-Chefin Ingeborg Staudenmeyer. Jeder wisse, das etwas passieren müsse. „Aber es tut keiner was. Die Situation der Anwohner bezeichnet sie als Katastrophe.
Die Straße ist eine Schneise, die den Stadtteil Neuhausen durchschneidet. „Nicht nur optisch, sondern auch, was das Viertelbewusstsein angeht“, beklagt Staudenmeyer. Schon vor einiger Zeit haben Neuhauser Bürger deshalb die Initiative „Pro-Landshuter-Allee-Tunnel“ gegründet. Sie wollen, dass die Autos endlich unter die Erde wandern.
Doch es geht einfach nichts voran. Zahlreiche Stadtratsanträge haben sich in den vergangenen Jahren mit der Problem-Trasse befasst. Für die CSU bekräftigte Fraktionschef Josef Schmid gestern nochmal: „Wir legen höchsten Wert darauf, dass endlich mit Tunnelplanungen begonnen wird.“ Die Christsozialen fordern, dass der jetzige Tunnel bis zur Dachauer Straße verlängert werden soll. „Auch wenn das teuer ist: Es hilft nichts! Das sind notwendige Investitionen in die Zukunft“, sagt Schmid.
Sogar im rot-grünen Koalitionsvertrag steht, dass eine Tunnel-Lösung geprüft werden soll. Eigentlich sollte die Verwaltung das Thema lange aufgegriffen haben. Doch eine Beschlussvorlage lässt auf sich warten. „Zeit wead’s“, lässt SPD-Fraktionschef Alexander Reissl das zuständige Planungsreferat wissen.
Die Behörde beeilte sich gestern mitzuteilen: „Demnächst, höchstwahrscheinlich im März“ wolle man sich im Stadtrat einen Auftrag für eine Machbarkeitsstudie abholen. Und zwar mit offenem Ende. Will heißen: Ob ein Tunnel oder andere Möglichkeiten als Lösung favorisiert werden, ist noch offen.
Architekt Michael Gaenßler kennt die Landshuter Allee gut. Sein Büro ist ganz in der Nähe. Er hält einen Tunnel für die „kostspieligste, aber sinnvollste Lösung“. Denn gläserne Lärmschutzwände an der Straße sähen seiner Ansicht nach „furchtbar“ aus. An der Trasse könnte man mit ihnen wohl auch wenig ausrichten. „Die Häuser an der Landshuter Allee sind sehr hoch, deshalb müssten auch die Schallschutzwände sehr hoch sein.“
Ein (Un-)Ort, der dem ehemaligen Hochschulprofessor selbst ein Dorn im Auge ist: Die Kreuzung Leonrodstraße/Landshuter Allee. Dort gibt es einen grässlichen Platz mit dem klangvollen Namen „Platz der Freiheit“. Doch das einzige, was hier klangvoll ist, ist der Verkehr. Wenige Meter weiter kommen die Autos aus dem bisherigen Tunnel. Gaenßler beschreibt die triste Fläche als "ausufernd" und "gesichtslos". Bauliche Akzente fehlen. Seine Studenten ließ er in der Vergangenheit bereits Vorschläge für eine Umgestaltung erarbeiten. Sie hätten die Grünfläche an dem Verkehrsknotenpunkt, die im Moment gar nicht genutzt wird, am liebsten bebaut – mit einer Stadtbibliothek.Julia Lenders
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