Münchner Professor tot: Er wollte seine Tochter retten

Ein Münchner Professor und Richter ist bei einem tragischen Gondel-Unfall in Venedig ums Leben gekommen. Er wollte seine Tochter vor dem Ertrinken retten und wurde zwischen Pier und Schiffen eingeklemmt.
von  Natalie Kettinger
Nach dem Unglück patroulliert die italienische Polizei vor der Rialto Brücke.
Nach dem Unglück patroulliert die italienische Polizei vor der Rialto Brücke. © dpa

Venedig - Der Münchner Juraprofessor und Richter am Oberlandesgericht, Joachim Reinhardt Vogel, ist bei einem tragischen Gondel-Unglück in Venedig ums Leben gekommen: Er wollte seine dreijährige Tochter retten – und starb vor den Augen seiner Lieben.

Wie schon tausende Touristen vor ihm mietet der 50-Jährige am Samstag eine Gondel – für sich, seine Ehefrau, die beiden Söhne und die kleine Lilli (Name geändert). In bester Ferienlaune lassen sie sich auf dem Canal Grande durch die Lagunenstadt schippern. Die Eltern sitzen gemütlich auf einer Bank in der Mitte des schlanken Mini-Bootes, die Kinder im Bug.

Wenige Meter vor der berühmten Rialto-Brücke wird es plötzlich eng auf dem Kanal: Ein Foto, das kurz vor dem Unglück aufgenommen wurde, zeigt mehrere Vaporetti-Wasserbusse, Motorboote und Gondeln, die Kurs auf das historische Bauwerk nehmen und sich dabei gegenseitig behindern.

Der Fahrer eines Vaporettos, das in Richtung Markusplatz unterwegs ist, legt den Rückwärtsgang ein, um einem anderen Wasserbus auszuweichen. Als er seine Passagiere schreien hört und bremst, ist es bereits zu spät: Der schwimmende Bus hat die Gondel der Münchner Familie gerammt und schleift sie 20 Meter mit. Die deutschen Touristen und der Gondoliere stürzen ins Wasser.

Wie die Lokalzeitung „Il Gazzettino“ berichtet, versucht Joachim Vogel, die kleine Lilli mit seinem Körper vor den beiden Booten zu schützen und wird dabei zwischen Gondel, Vaporetto und Anlegemauer eingezwängt. Unbeteiligte Gondoliere, die das Drama beobachtet haben, ziehen die geschockten Urlauber aus dem Kanal. Eine Krankenschwester, die zufällig vorbeigekommen ist, und Feuerwehrleute mit einem Defibrillator versuchen, den schwer verletzten Familienvater zu reanimieren. Doch sie können nichts mehr für ihn tun, seine Brustverletzungen sind zu schwer: Bei der Ankunft im Krankenhaus wird Joachim Vogel für tot erklärt.

Die dreijährige Lilli wird mit schweren Gesichtsverletzungen ins Chirurgische Krankenhaus von Padua eingeliefert, wo ihr gebrochener Wangenknochen versorgt werden soll. Ihre Mutter, die beiden Brüder und der Gondoliere sind körperlich unversehrt, stehen aber unter Schock.

Joachim Reinhardt Vogel lehrte Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschaftsrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität. Außerdem war er Richter am Oberlandesgericht, Mitherausgeber der „Juristen Zeitung“ und Autor zahlreicher Fach-Publikationen. Bevor der gebürtige Hesse mit seiner Familie nach Bayern zog, war er Dekan der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen (2005 bis 2008). Nach seinem Tod stellten die Gondoliere in Venedig den Betrieb ein – zum Zeichen ihres Mitgefühls mit den Hinterbliebenen. Außerdem wolle man die Münchner Familie unterstützen, zum Beispiel bei der Beerdigung, sagte Nicola Falconi, der Präsident der Gondoliere-Vereinigung.

Der Vaporetto-Kapitän und der Gondoliere wurden bereits von dem ermittelnden Staatsanwalt verhört, meldete Ansa. Der Wasserbus der städtischen Verkehrsgesellschaft Actv war in Richtung Markusplatz unterwegs. Wie die Tageszeitung „Corriere della Sera“ meldete, waren zum Unglückszeitpunkt drei Wasserbusse an der Rialtobrücke.

Nach dem Vorfall wurden in Venedig Stimmen laut, die die große Zahl von Booten, Gondeln und Wasserbussen auf der Hauptverkehrsader der Lagunenstadt kritisieren. „Wir haben schon oft gesagt, dass der Verkehr zu viel und zu schnell ist, aber niemand hört auf uns“, sagte der Chef der Gondolieri-Gewerkschaft, Aldo Rato gegenüber Ansa. Gondelfahrten zählen zu den beliebtesten Touristenattraktionen in Venedig.

„Ich bin sehr erschüttert“, sagte der venezianische Bürgermeister Giorgio Orsoni. Bei dem Unglück sei wohl auch Schicksal im Spiel gewesen, aber eine bessere Regelung des Verkehrs müsse in Angriff genommen werden, fügte er hinzu.

 

Für Joachim Reinhardt Vogel und seine Familie kommt dieser Vorstoß zu spät.

 

 

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