Münchner Party-Hotspots: So lief's mit dem Alkoholverbot

München - Kurz vor 23 Uhr wird Freibier verteilt. Was an normalen Spätsommerabenden am Gärtnerplatz zu einem Ansturm führen würde, trifft in diese Zeiten auf begrenztes Interesse: Ein Bier würde schon noch gehen, wenn es eh wegmüsse, würde man eins nehmen, sagen die Leute.
Und so wirken die zwei jungen Männer und die junge Frau, die neben dem Springbrunnen auf dem Gärtnerplatz Bier verteilen, ein wenig verloren. Nach und nach schwindet der Biervorrat der Dosenbierpaletten zwar tatsächlich. Ein Feiermob sieht anders aus.

Wenige U-Bahn-Stationen weiter hängen Werbeplakate der Stadtwerke. Darauf zu sehen: Zwei Männer, die am Gärtnerplatz Bier trinken. Für die Stadtwerke Münchner Lebensgefühl: "Der Puls unserer Stadt", so werben sie. Ob Lebensgefühl oder etabliertes Ritual: Die beiden Männer, die in der Werbung am Gärtnerplatz Bier trinken, geben wohl ein treffendes Bild vom normalen Treiben ab. Doch in Corona-Zeiten ist alles anders.
Das Bier noch schnell austrinken? Wird auch mal erlaubt
Nach einem Anstieg des Sieben-Tage-Inzidenzwerts auf über 35 hatte die Stadt am Mittwoch erneut ein nächtliches Alkoholverbot verhängt. Mit einer Einschränkung: Nachdem der Verwaltungsgerichtshof den vorherigen Beschluss der Stadt, Alkoholkonsum im Freien zwischen 23 Uhr und 6 Uhr gänzlich zu verbieten, als unverhältnismäßig kassiert hatte, beschränkte sich das Verbot an diesem Wochenende auf sogenannte Hotspots.
Der Puls unserer Stadt? An den Hotspots Gärtnerplatz, Baldeplatz, Wedekindplatz, den Isarauen zwischen Reichenbach- und Wittelsbacherbrücke und der Gerner Brücke am Nymphenburger Schlosskanal war er an diesem Wochenende nicht zu spüren, wie ein AZ-Rundgang ergab.
Am Gärtnerplatz kommen die Münchner Studenten David (23) und Christopher (25) auf das Freibier-Angebot zurück. Ein schnelles Bier würde noch gehen, wenige Minuten vor dem Inkrafttreten des Alkoholverbots. "Aber jetzt gehen wir sowieso nach Hause - oder in eine Bar", sagt David.
In einer Bar weitertrinken dürfen die beiden: Der Verkauf von Alkohol-To-Go ist zwar nach 21 Uhr rund um die Hotspots verboten, die Gastronomie darf aber weiter ausschenken. "Heute macht's am Gärtnerplatz sowieso keinen Spaß", sagt Christopher.
"Es ist kaum jemand da, dann brauchen wir hier auch nicht alleine sitzen." Ob das Alkoholverbot also wirkt? "Es wären ohne Verbot sicherlich mehr Leute da", glaubt David. "Aber es bringt doch sowieso nichts, die Leute gehen woanders hin", ist sich der 23-Jährige sicher. Er verstehe, dass man versuche, Gruppenbildungen zu vermeiden. "Aber irgendwo müssen die Leute hin."

Dass das Alkoholverbot grundsätzlich durchgesetzt werden soll, offenbart sich ab 22.30 Uhr. Streifenwagen fahren vor, kurz darauf kommen Mannschaftswagen der Polizei hinzu.
Auch Mitarbeiter des Kreisverwaltungsreferats bringen sich in Position. Wie die Einsatzkräfte mit dem Verbot umgehen würden, war bereits zuvor Diskussionsthema: Annika, 26 Jahre alt, Jura-Studentin und mit einem Freund am ansonsten so beliebten Ort, verlässt den Gärtnerplatz pünktlich.
Laut Stadt ein "Hotspot" - Kein Mensch zu sehen
Nach dem häufig rigorosen Eingreifen der Polizei im Sommer etwa im Englischen Garten, habe sie "keine Lust auf Stress". Sie befürchte, dass der Abend am Gärtnerplatz zu einer "Machtdemonstration" der Einsatzkräfte werde. Viele der überwiegend jungen Anwesenden teilen die Befürchtung.
Einige äußern zwar die Absicht, noch eine Weile zu bleiben und sich anzusehen, wie das Verbot durchgesetzt wird. Doch viel zu sehen bekommen sie an diesen alkoholfreien Wochenendabenden nicht. Polizei und KVR treten gelassen auf, suchen den Dialog zu den noch Verbliebenen. Biere dürfen noch schnell ausgetrunken werden.
Lediglich einen Platzverweis muss die Polizei mit einem nicht ganz sanften Wegschubsen eines Betrunkenen durchsetzen. Dieser hatte sich zuvor geweigert, den Platz zu verlassen und Polizisten verhöhnt. Ansonsten ist die Stimmung am Gärtnerplatz - wie an den anderen Hotspots - ruhig.
Die Isarauen fährt die Polizei am Freitag mit einem Einsatzwagen ab. Spätestens im grellen Licht der Scheinwerfer lösen sich die Gruppen von selbst auf. Am Samstag ist es wesentlich kühler, an der Isar ist es ohnehin nahezu leer.
Am Baldeplatz, wo die Polizei zuletzt eine "Corona-Party" von 40 Personen aufgelöst hatte, ist die Situation ähnlich. Die größte Überraschung an diesen alkoholfreien Abenden ist allerdings die Gerner Brücke. Nicht, weil hier wilde Partys gefeiert werden, sondern dass sie überhaupt als Hotspot gilt. Die Polizei fährt auch hier vor, doch ein Alkoholverbot müssen die Beamten gar nicht erst aussprechen - dazu fehlen sowohl Personen als auch Alkohol.

Zurück am Gärtnerplatz packt eine Dreiergruppe eine Picknickdecke, Zigaretten und eine halbvolle Flasche Wein ein. Es ist 23.10 Uhr. Die drei sind überrascht von dem "höflichen und lockeren Umgang" der Behörden an diesem Abend. Das Verbot an einzelnen Orten ist für Sarah "verhältnismäßiger" als das letzte, ganz nachvollziehbar findet sie es trotzdem nicht.
"Natürlich herrscht eine weltweite Pandemie, keine Frage. Aber die Leute gehen doch jetzt einfach auf Hauspartys". Sie würde sich statt eines generellen Verbots wünschen, dass die Polizei die Situation "dynamisch und im Einzelfall" bewertet.
Doch an diesem Abend wird klar, dass diese Linie bereits in Teilen gefahren wird. Einzelne Zweiergruppen sitzen noch gegen 23.30 Uhr Bier trinkend am Gärtnerplatz. Polizei und Ordnungsamt stehen daneben. Die großen Gruppen weg, bei den letzten Verbleibenden ein Auge zudrücken - vielleicht nicht gerade der Puls unserer Stadt, aber doch auch keine Machtdemonstration.