Münchner Paare im Lockdown: "Bald haben wir es geschafft"

München - Er zähle lieber Wochen als Monate, sagt Adrian Lesch. Vielleicht, weil eine Woche nicht so lange dauert und so sein Ziel schneller näher rückt: In 18 Wochen will er seine Freundin Emma vom Flughafen abholen.
Wegen der Corona-Maßnahmen fand die Hochzeit des Paares nicht statt
Das letzte Mal sah er sie im Herbst. Damals, am 27. Oktober, wollten Emma und er heiraten. Das Datum ist in einen kleinen Engel aus Holz graviert, er steht auf einem Regal in Adrian Leschs Wohnung in Ottobrunn. Auf seinem Smartphone zeigt er Fotos der goldenen Eheringe. Das Restaurant, die Hotelzimmer und die Flüge der Gäste waren schon gebucht. Emma hatte ein Kleid gekauft, er einen Anzug besorgt, erzählt der 30-Jährige.
Aber dann stiegen die Corona-Zahlen plötzlich. "Eine Hochzeit ohne Freunde und Familie wollten wir nicht", sagt Adrian Lesch. Also sagten Emma und er alles ab. Diese Entscheidung bereue er nicht - auch wenn heute vieles einfacher wäre, hätten sie damals eine andere getroffen. Denn Emma wohnt in England. Doch eine Reise nach Großbritannien ist momentan aus touristischen Gründen nicht erlaubt. Und als Urlaub würden es die Regierungen bewerten, wenn Adrian Lesch in den Flieger stiege, um seine Freundin zu besuchen.
Für unverheiratete Paare ist es schwerer sich zu sehen
Dass es Paaren, die ihre Liebe vor einem Standesbeamten bezeugten, in dieser Pandemie so viel einfacher gemacht wird, hält der Münchner Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek von den Grünen für ungerecht. Über Twitter, Facebook oder E-Mail erreichten ihn den vergangenen Wochen zahlreiche Nachrichten von Paaren, die sich zum Teil seit mehreren Monaten nicht mehr sehen konnten.

Zwar eröffnete das Bundesinnenministerium im August, unverheirateten binationalen Paaren die Möglichkeit, sich zu treffen. Doch bei vielen scheiterte es laut Janecek an bürokratischen Hürden. Und seit sich Varianten des Corona-Virus immer weiter verbreiten, wird es für Paare noch schwieriger. Eigentlich ist Adrian Lesch Sehnsucht gewohnt. Trotzdem fühlte es sich so an, als müsse er die fünf Phasen der Trauer durchschreiten, sagt er: Das Leugnen. Die Wut. Das Verhandeln. Die Depression. Inzwischen sei er bei der Akzeptanz angekommen. "Ich denke mir: Wir müssen nur noch ein bisschen durchhalten, dann haben wir es geschafft."
Acht lange Monate wird sich das Paar nicht sehen
Adrian Lesch lernte seine Freundin vor drei Jahren über eine Dating-App kennen. Emma machte damals kurz Urlaub in München. Doch als die beiden begannen, Nachrichten hin- und herzu schreiben, war Emma schon wieder zurück in ihrer Heimat. Sie telefonierten viel, acht Stunden sei der Rekord gewesen, sagt Adrian Lesch. Im Frühling 2018 holte er Emma zum ersten Mal vom Flughafen ab. Beide seien so nervös gewesen, dass sie sich erst einmal ein Bier in der Flughafen-Kneipe bestellten.
Damals blieb Emma eine Woche. Ab Juli will sie Deutschland nicht mehr verlassen. Da beginnen in Großbritannien die Sommerferien und Emma, die als Lehrerin arbeitet, plant, danach nicht mehr zurückzukehren. Deshalb zog Adrian Lesch schon vor eineinhalb Jahren raus in den Vorort Ottobrunn, in eine Wohnung mit Platz für zwei. Bis Emma kommt, will er die Möbel umstellen, den Keller aufräumen. Dann hätten sie sich acht Monate nicht gesehen. Oder 32 Wochen.