Münchner ÖDP lädt Verschwörungstheoretiker ein

Die Partei hat den Publizisten Daniele Ganser zum Vortrag eingeladen – und erntet dafür Kritik. Der 43-jährige Schweizer pflegt Kontakte zu Rechten.
von  AZ
"Mut zur Wahrheit": Daniele Ganser (l.) im Gespräch mit Karl-Heinz Hoffmann, dem Gründer der 1980 verbotenen rechtsradikalen "Wehrsportgruppe Hoffmann". In der Mitte sitzt Moderator Jürgen Elsässer.
"Mut zur Wahrheit": Daniele Ganser (l.) im Gespräch mit Karl-Heinz Hoffmann, dem Gründer der 1980 verbotenen rechtsradikalen "Wehrsportgruppe Hoffmann". In der Mitte sitzt Moderator Jürgen Elsässer. © Youtube/NuoVisoTV

Mit seinem Wikipedia-Eintrag ist Daniele Ganser nicht glücklich. Immer wieder soll der Schweizer Publizist versucht haben, das Wort „Verschwörungstheorie“ aus der Einleitung zu löschen. Vergeblich. Es bleibt stehen.

Wundern muss sich Ganser darüber eigentlich nicht, tritt er doch immer wieder in Umfeldern auf, die diesem Etikett durchaus gerecht werden: So fachsimpelte er beispielsweise im vergangenen Jahr auf Einladung des rechten Compact-Magazins mit Karl-Heinz Hoffmann, dem Gründer der berüchtigten rechtsradikalen „Wehrsportgruppe Hoffmann“.

Thema: das Oktoberfest-Attentat von 1980, das von einem Mitglied der Wehrsportgruppen verübt wurde. Als „Streitgespräch“ apostrophiert, sind sich die beiden Herren weitgehend einig – und Hoffmann („Ich war nie ein Nationalsozialist“) steht danach vor allem als unschuldiges Opfer einer Nato-Verschwörung da.

Es sind solche Auftritte, die Daniele Ganser einen zweifelhaften Ruf beschert haben. Der Schweizer sprach schon bei der „Anti-Zensur-Koalition“, auf deren Podium auch der Holocaust geleugnet wird; er gehört zu den Interviewpartnern des ehemaligen Journalisten Ken Jebsen, der die Demokratie kritisch sieht, weil Zugvögel es schließlich auch ohne sie nach Süden schaffen.

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 – da ist sich Jebsen alias Moustafa Kashefi sicher – haben keine Islamisten verübt, sondern die Amerikaner selbst. Daniele Ganser vertritt seit Jahren ähnliche Thesen.

Seinen nächsten Auftritt hat der selbst ernannte „Geheimdienstexperte“ in München: bei der im Stadtrat vertretenen ÖDP. Am 30. Mai um 19 Uhr tritt er in der Leopoldstraße 19 auf. Das Thema: „Krieg um Erdöl und Gas. Wo liegen die Interessen der Großmächte?“ Die Veranstaltung ist ausverkauft.

„Das hat vor allem mit Opportunismus zu tun“

Kritik kommt von den Grünen. Stadtrat Dominik Krause sagt: „So jemandem ein Podium zu bieten, hat nichts mit unbequemen Wahrheiten zu tun, denn diese ,Wahrheiten’ sind längst widerlegt. Es hat auch nichts mit Umweltschutz zu tun. Es hat vor allem mit einem zu tun: Opportunismus. Denn das Raunen über dunkle Eliten ging eben schon immer gut“, so Krause.

Eine Partei wie die ÖDP, die das Wort „demokratisch“ im Namen trage, „täte gut daran, sich nicht damit gemein zu machen“.

Der angehende Physiker sieht eine allgemeine Entwicklung: „Wirre Verschwörungstheorien über ,geheime Eliten’ erleben zur Zeit wieder Hochkonjunktur“, sagt Krause. „Urheber ist eine neue Rechte, die hauptsächlich das Internet nutzt – der Weg ist jedoch der gleiche wie bei den alten Rechten, den Nazis vor 80 Jahren.“

Die ÖDP verteidigt den Auftritt Gansers. „Wir erhoffen uns einen lebendigen Diskurs“, sagt Stadtrat Tobias Ruff. „Wir sind der Meinung, dass man sich auch mit streitbaren Personen auseinandersetzen muss.“ Die Terroranschläge des 11. September 2001 würden kein Thema sein, sagt Ruff: „Es geht rein um Machtpolitik.“

Auf der Facebook-Seite der ÖDP München macht ein User am Dienstag darauf aufmerksam, dass Ganser „Verschwörungsideologe“ sei und „Kontakte zu Rechtsextremisten“ pflege.

Der Administrator der Seite antwortet: „Systembewahrer und manch andere versuchen, Daniele Ganser zu diskreditieren.“

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.