Münchner Nikolaus Rudolf Mundl: "Ich hatte Angst vor dem Krampus"

Clowndarsteller, Heilpraktiker, Familientherapeut, Theaterschauspieler, Kabarettist, Zauberer: Rudolf Mundl ist vielseitig. Auch als Weihnachtsmann und Nikolaus tritt er leidenschaftlich gerne auf. Ein Gespräch über das Geheimnis eines guten Nikolaus-Auftritts, den Krampus und wie Mundl sogar einmal Mutter Teresa kennengelernt hat. Die AZ traf ihn zu einem abendlichen Vollmond-Spaziergang in Eichenau, wo Mundl wohnt.

AZ: Herr Mundl, bevor wir über Weihnachten reden: Ich bin sehr gespannt, wie Sie Mutter Teresa in Kalkutta kennengelernt haben.
RUDOLF MUNDL: Das hat mit meiner Frau zu tun.
Nämlich, was genau?
Sie arbeitete in den 90ern regelmäßig in Kalkutta, eben bei Mutter Teresa. Wir fuhren mal gemeinsam hin. Ich sah die Slums von Indien mit eigenen Augen. Eine Grenzerfahrung. Ich hatte an jeder Körperstelle einen anderen Ausschlag.
Hört sich an wie: gerade noch überlebt.
In unserem Hotel, in einem YMCA, hatten wir plötzlich Hochwasser bis zum Bauchnabel. Und da habe ich mir damals etwas eingefangen. Ich lag vier Tage flach. Das war schon heftig.
Aber Sie haben am Ende Mutter Teresa gesprochen?
Ja, ich habe sie kennengelernt. Das war ein großes Erlebnis. Ihre Bescheidenheit, wie sie im Kreise ihrer Schwestern lebte und die Menschen dort unterstützte, war sehr beeindruckend. Nicht von dieser Welt.
"Stille, Natur, Feuer - Nikolaus-Auftritte im Freien sind besonders"
Kommen wir zurück nach München. Sie treten seit 30 Jahren als Nikolaus und Weihnachtsmann auf.
Das ist gefragt. Vor sechs Jahren gründete ich deshalb "Die Münchner Weihnachtsmänner", weil ich so viele Aufträge hatte, dass ich nicht mehr zu allen Terminen gehen konnte.
Wie ist denn die aktuelle Auftragslage mit Corona? Trauen sich die Leute noch?
Es sind kaum Aufträge da. Erst wurde ich sechs Mal gebucht, vier haben wieder abgesagt, zwei überlegen es sich. Die Leute sind verunsichert wegen der schwankenden Inzidenzen.
Sie treten auch im Freien auf. Eine Erfahrung aus der ersten Pandemie-Weihnacht?
So ist es, das hat eine ganz besondere Qualität, ganz besinnlich. Es läuft kein Fernseher, man ist in der Natur. Meistens mit einem Feuer im Garten, statt einem Kamin, den eh kaum einer hat. Sehr romantisch. Eine schöne Atmosphäre.
Die Inzidenzen sind ja gerade wirklich enorm.
Ich hätte im Freien keine Angst.
Saisonvorbereitung: Klamotten und Utensilien auslüften
Wie bereiten Sie sich auf eine Nikolaus-Saison vor?
Erst muss ich meine Sachen zusammensuchen. Die lagern das ganze Jahr über im Keller. Robe, Stock, Mitra, Sack, Bart und Perücke. Sie müssen auslüften. Ich überlege, ob ich neue Stilelemente einbringe. Vor einiger Zeit habe ich zum Beispiel angefangen, einen Lautsprecher mitzunehmen und ein weihnachtliches Lied abzuspielen. Und ich bitte die Familien, dass sie mit den Kindern ein kleines Lied oder Gedicht einstudieren.
Sie haben sicher mehr als hundert Auftritte hinter sich. Gibt es besondere Erinnerungen?
Einmal, das ist schon Jahrzehnte her, bin ich für Fürstin Gloria auf Schloss St. Emmeram in Regensburg aufgetreten. Da hatte Albert Geburtstag. Die Münchner Schickeria hatte mich dorthin weiterempfohlen. Aber das war kein Nikolaus- oder Weihnachtsmann-Auftritt. Ich trat als Clown auf. Meine beste Gage aller Zeiten. 800 Mark für eine Stunde. Das wären heute 1200 oder 1300 Euro.
Zurück zu den Vorbereitungen als Nikolaus. Sie hängen Ihre Robe aus, Ihren Bart auch...
... den muss man übrigens ein bisschen auswaschen, gerade im Nasenbereich.
Nikolaus-Trick: Ein Lock in der Perücke
Gibt es Tricks beim Auftritt, die es Ihnen leichter machen?
Da lernt man über die Jahre dazu. Einmal trat ich in einem sehr warmen Raum auf, in einem Münchner Lokal. Man hatte mir ein Mikro versprochen, gab es aber nicht. Es wurde mit Bart, Robe und Mitra so heiß, dass ich dachte, ich ersticke. Ich konnte nicht abbrechen, weil ich mitten in einer langen Ansprache gewesen bin. Ich wusste nicht, ob ich das durchstehe, brauchte die letzten Reserven. Eine heftige Erfahrung.
Was haben Sie daraus gelernt?
Ein großes Loch in die Perücke zu schneiden, die ja den ganzen Kopf umschließt. Ganz oben. Das fällt auch keinem auf. Aber so kann unter der Mitra die heiße Luft entweichen.
Geschwitzt, gelitten, dazugelernt. Was kostet so eine Nikolaus-Ausstattung eigentlich?
Die gibt es von der Stange, ganz günstig, für hundert Euro. Da beginnt die bessere Qualität. Meine Ausrüstung kostet etwa 250 Euro und hält zwischen fünf bis zehn Weihnachten.
Wo verdienen Weihnachtsmänner am meisten?
Der Santa Claus in den USA macht angeblich zwischen 10.000 bis 20.000 US-Dollar pro Saison. Manche sogar noch mehr. Vor allem die, die im Fernsehen auftreten.
Aber da sind Sie in München weit entfernt davon - oder?
Ganz weit. Aber zum Glück bin ich nicht auf das Geld angewiesen.
"Wer mich bucht, hat noch Sinn für ein Ritual, für das Feierliche"
Jetzt mal konkret: Was kostet es mich, wenn ich Sie am 6. Dezember buchen möchte?
Da wollen alle. An dem Tag kostet ein Auftritt ab 90 Euro, je nach Uhrzeit. An den Tagen vorher oder nachher, ungefähr 70 oder 80 Euro.
Wie lange dauert der Auftritt?
Etwa 20 Minuten.
Sie sagten, dass Sie glücklicherweise nicht auf die Einkünfte angewiesen sind. Aber Sie machen ja weiter.
Die Menschen, die mich einladen, haben noch Sinn für ein Ritual, für das Feierliche. Und dazu die großen Kinderaugen. Es ist etwas sehr Besonderes. Am schönsten finde ich, wenn es Sonntag vor Nikolaus ist, es vielleicht sogar schneit. Das ist schon was. Das genieße ich.
Kinder glauben ja oft, dass der Weihnachtsmann echt ist. Es gibt Psychologen, die sagen, man solle die Kinder nicht anlügen, weil das, wenn sie älter sind, zum großen Vertrauensbruch führt.
Ich sehe das so: Wenn die Eltern den Nikolaus als Erziehungsfaktor sehen, dann mache ich das nicht. Ich komme nicht, um ihnen fünf Minuten lang zu erzählen, dass sie sich die Zähne besser putzen oder früher schlafen sollen. Das ist eher ein Fall für die Familientherapie.
Ein guter Nikolaus macht Kindern keine Angst
Die Sie auch anbieten. Sie sind Familientherapeut.
Manche Eltern meinen, dass man den Kindern Angst machen muss. Mach' ich nicht. Der Nikolaus ist ein freundlicher Mann.
Die meisten Eltern hoffen ja schon, dass Kinder nach dem Nikolaus-Besuch braver sind.
Da mache ich nicht mit.
Aber wie machen Sie das dann?
Ich gehe ins Gespräch. Ich frage auch Kinder: Was erhoffst oder wünschst du dir von den Eltern. Sie sollen an dem Tag im Mittelpunkt sein. Da soll niemand in die Ecke gedrängt werden oder Angst bekommen. Kinder leben oft in einer Traumwelt. Eltern müssen in der Realität funktionieren. Ich glaube, die erzieherische Erwartung der Eltern hat auch damit zu tun. Es ist sehr wichtig, dass die Eltern ihre Liebe für ihre Kinder und füreinander zeigen. Für die Zukunft der Kinder, für ihre emotionale Stabilität, ist das entscheidend.
Erzählen Sie mal, wie läuft so ein Auftritt von Ihnen als Nikolaus ab?
Etwa 15 Minuten vorher rufe ich die Eltern an. Die legen die Geschenke draußen vor die Tür. Dazu ein Zettel mit ein bis zwei Stichworten über die Kinder. Ich habe weihnachtliche Musik dabei. Stille Nacht zum Beispiel. Etwas Heimeliges. Ich klopfe, setze mich auf einen Stuhl, hebe den Arm und sage: Schön, dass ihr da seid. Ich frage: Habt ihr ein Lied oder ein Gedicht einstudiert? Ganz wichtig: Ich frage Kinder: Wie geht es dir, freust du dich, dass wir uns heute sehen? Sie sollen sich gut fühlen, das Gefühl haben: Schön, dass der Nikolaus da war. Und ich möchte dazu beitragen, dass sie mit freudigen Augen ins Bett gehen, dass sich die Familie als Gruppe fühlt.
"Alle sollen nach dem Auftritt glücklich sein. Das ist wichtig"
Was ist das Geheimnis eines gelungenen Auftritts?
Präsent zu sein, Ruhe auszustrahlen, die eigenen Probleme beiseitezuschieben, für die Menschen da zu sein, die mich als Nikolaus oder Weihnachtsmann engagiert haben.
Sie treten auch bei Firmen auf. Was ist da der Unterschied?
Da sind ja sehr viele Erwachsene. Deshalb streue ich als Weihnachtsmann gerne einen Zaubertrick ein. Oft ist es der Knotentrick mit Seil, also Knoten, die sich von selbst lösen. Das ist immer eine schöne Metapher für Firmen, wo sich ja über Jahre sehr viele Knoten in der Struktur bilden.
Wo würden Sie nie auftreten?
In einem Kaufhaus.
Eine sehr bayerische Tradition ist ja der Krampus, der grausig herumpoltert. Ist der bei Ihnen auch dabei?
Auf gar keinen Fall! Ich hatte schon als Kind Angst vor dem Typen, der immer außer Kontrolle wirkte. Ich fragte mich immer: Kennt der seine Grenzen? Dem hat man alles zugetraut. Wenn der Krampus dabei war, habe ich den Nikolaus nicht mehr wahrgenommen. Ich hatte ernsthaft Angst, dass der zuschlägt.
Und wenn Eltern ihn wollen?
Da war mal eine Mutter, die sagte: Jaaaa, der Krampus, der soll die Kinder mal richtig erschrecken. Ich glaube, die ist selber mit der Figur groß geworden.
Was haben Sie ihr gesagt?
Dass ich nicht auftrete. Da diskutiere ich nicht.