Münchner Naturschützer erklärt: Darum sollten Sie das Laub einfach liegen lassen

München - Klar, ein dickes Laubpaket auf dem Weg ist glitschig und blöd. Doch immer mehr Münchner lassen Laub auf ihrem Rasen liegen. Sie schaufeln Laubhaufen auf und bedecken ihre Balkonkästen mit roten und gelben Blättern.
Martin Hänsel, Geschäftsführer vom Bund Naturschutz, ist gegen den Winterputz auf Grünflächen. Er unterstützt die Faulheit der Münchner. "Nicht jedes Blatt muss weg. Laub ist wertvoll. Es dient Insekten und dem Kreislauf der Natur".

AZ: Herr Hänsel, rechen und fegen wir das Herbstlaub eigentlich weg, weil das sonst beim Nachbarn schlecht ankommt?
MARTIN HÄNSEL: Schon. Die Energie, mit der Laub vernichtet und abtransportiert wird, ist sehr groß. Den Aktionismus, der ausbricht, nur weil Bäume ihre Blätter verlieren, finde ich fast witzig. Als ob der Untergang des Abendlandes droht! Der Stress der Menschen speist sich aus der Angst vor persönlichen Attacken, glaube ich. Mein Tipp: einfach entspannt und faul sein. Wer Laub liegen lässt, tut ökologisch Gutes. Das verstehen immer mehr Münchner.
Martin Hänsel: "Laub ist eine Goldgrube"
Sie meinen, Herbstlaub erlebt einen Imagewandel?
Ja, denn Laub ist eine Goldgrube. Es schützt kleine Lebewesen und die Böden. Viele Menschen sind offener geworden und interessieren sich für diese Zusammenhänge in der Natur. Unter Laub verstecken sich Insekten, Käfer, Insektenlarven und Spinnen, die der Igel jetzt noch fressen muss, um gut durch den Winterschlaf zu kommen.
Wie halten Sie es in Ihrem Garten in Pasing?
Bei mir liegt sehr viel Laub. Nur dort, wo wir gehen, haben wir die Blätter zur Seite gekehrt. Die Blätter von einheimischen Sträuchern bleiben über den Winter auf dem Gras liegen, ohne es kaputtzumachen. Das Laub von Eiche, Buche und Ahorn sollte man jedoch im Wertstoffhof professionell kompostieren. Die Blätter enthalten Gerbsäure und zersetzen sich langsam.
Auch in den Blumenkästen soll das Laub bleiben
Was schlagen Sie Balkongärtnern für ihre Blumenkästen vor?
Bitte das Laub darin liegenlassen – und sogar etwas feststecken. Kleine Lebewesen brauchen diese Winterverstecke. Zum Beispiel der Marienkäfer oder die Florfliege, deren Larven im Frühjahr als guter Helfer große Blattlausräuber sind. Eine kreative Idee ist Landart: Sie können die bunten Blätter nach Farbe in ihre Blumenkästen sortieren. Mit Kindern kann man Blätter-Tiere basteln – und hineinstecken.
Oft wird es anders gemacht. Gerade in Innenhöfen kehren Hausmeister oft jedes Blättchen weg...
Ich wünsche mir, dass Mieter, Hausgemeinschaften, Eigentümer auf ihre Hausverwaltung zugehen und sie bitten, ein oder zwei Laubhaufen über den Winter zu lassen. Wer ein Brett schräg darüber legt, damit der nicht durchweicht, hat mit minimalen Aufwand schon eine schöne Igelhöhle gebaut. Unsere Igel-Volkszählung in München hat schließlich ergeben. Der Igel lebt in der gesamten Stadt.
Wer wenig macht, hilft allen, sagen Sie. Wie sehr stört Sie das Dröhnen der Laubbläser?
Laubbläser sollten ein Tabu sein! Sie töten viele Kleinstlebewesen. Die Sensibilität dafür hat beim Gartenbauamt auch zugenommen. Ich wünsche mir, dass uns die Stadt München zeigt, was möglich ist.
Bund Naturschutz-Service-Telefon: 515676-0