Münchner Muslima: „Ich bin eine Respektsperson“
Sie schützen uns vor Kriminellen: 119 Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten in Bayern als Polizisten. Hier spricht eine Münchner Muslima über ihren Job
MÜNCHEN Ein Moslem ist noch lange kein Islamist, ein Anhänger des Islams nicht automatisch Staatsfeind – das Bild, das manche von Muslimen haben, ist mitunter von Vorurteilen und Ängsten geprägt.
Dabei arbeiten Moslems in Deutschland längst auch in sensiblen Sicherheitsbereichen und schützen sogar unseren Staat - als Polizisten.
Seit 1993 hat sich die Polizei für ausländische Staatsangehörige geöffnet. Allein in Bayern wurden 119 Männer und Frauen mit Migrationshintergrund eingestellt. Die größte Gruppe bilden 51 Türken. Polizeiobermeisterin Seda Karaogullari (34) ist eine von ihnen. Die gläubige Muslima hat Soziologie studiert und spricht unter anderem arabisch und russisch. Die AZ sprach mit ihr.
AZ: Frau Karaogullari, wo ist Ihr Kopftuch?
SEDA KARAOGULLARI: Als Uniformträger im Staatsdienst wäre das undenkbar. Aber ich habe auch so noch nie Kopftuch getragen.
Warum nicht?
Das muss jede Muslima für sich entscheiden. Unsere Religion schreibt das nicht vor. Das Kopftuch hat den Sinn, das Sex-Objekt Haar zu verhüllen. Das muss man sich nicht antun. Auch meine Mutter hat nie ein Kopftuch getragen. Wir legen den Koran modern aus.
Seit wann leben Sie in Deutschland?
Ich bin in Gütersloh geboren. Meine Eltern kamen Anfang der 70er Jahre aus Antakia im Süden der Türkei als Gastarbeiter hierher. Damals gab es noch keine Sprachkurse an den Volkshochschulen. Mein Vater hat mit der Sesamstraße Deutsch gelernt. Das klingt banal, aber so war’s.
Wie haben Sie’s gelernt?
Ich war bei einer deutschen Tagesmutter. Meine Eltern haben beide gearbeitet, meine Mutter als Schneiderin, mein Vater bei Bertelsmann. Ich habe erst mit vier Türkisch gelernt, als meine Mutter nach der Geburt meiner jüngeren Schwester zu Hause blieb.
Im Büro des Polizeipräsidenten betreuen Sie ausländische Delegationen. Welche Sprachen sprechen Sie?
Durch meine Eltern habe ich Türkisch und Arabisch gelernt, in der Schule kamen Englisch und Französisch dazu. An der Uni habe ich außerdem Russisch gelernt. Und natürlich Deutsch.
Nicht jeder ist so sprachbegabt. Wie wichtig ist es, die Sprache des Landes zu beherrschen, in dem man lebt?
Egal, ob es um eine befristeten oder unbefristeten Aufenthalt geht, diejenigen, die kommen, müssen sich mit der Sprache und dem europäischen Denken auseinandersetzen. Wer hier leben will, muss sich in die Gesellschaftsform einfügen. Das hat nichts mit ihrer Religionszugehörigkeit zu tun. Es ist spät, erst bei der Einbürgerung einen Sprachtest zu verlangen.
Müssen Ausländer mehr für die Integration tun? Oder wird ihnen es schwer gemacht?
Es muss ganz viel von einem selber kommen. In Deutschland gibt es viele Möglichkeiten. Auch wenn man Kopftuch trägt, hindert einen das nicht daran, einen Sprachkurs zu machen. Das gilt sogar für die „Import-Bräute“, Türkinnen, die hierher heiraten.
Sie haben einen deutschen Pass. Fühlen Sie sich auch als Deutsche?
Ja. Ich denke deutsch, ich fühle deutsch, ich träume deutsch. Ich mache gern Urlaub in der Türkei, aber ich könnte nicht länger dort leben. Meine Heimat ist hier.
Warum wollten Sie Polizistin werden?
Der Beruf ist eine Berufung. Ich hatte schon immer den Drang zu helfen. Anfangs haben mir meine Eltern davon abgeraten, als Frau zur Polizei zu gehen. So habe ich mich erst vor vier Jahren im Rahmen eines Sonderprogramms für Ältere beworben.
Serientäter Serkan vom Arabellapark oder Mehmet sind Türken. Was lief da schief?
Die traditionelle türkische Erziehung muss man an der Wurzel ändern. Es kann nicht sein, dass die Mutter und die Schwestern von den Männern nicht für voll genommen werden und die Jungs als Namensgeber wie Prinzen behandelt werden. Die verlieren jeden Respekt und lassen sich dann schon im Kindergarten von den Erzieherinnen nichts mehr sagen. Das beißt sich auch mit dem Islam.
Sie sind zwei Jahre auf Streife gegangen, waren auf der Wiesn-Wache. Wie reagieren türkische Männer auf Sie?
Meine Erfahrungen sind sehr positiv. Ich konnte oft deeskalieren. Auch die Älteren kennen ihre Grenzen. Ich werde oft als „abla“ angesprochen, das bedeutet ältere Schwester. Ich bin eine Respektsperson.
Interview: N. Job
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