Münchner Mieter sparen 30.000 Euro pro Jahr

Die Mieter von vier Häusern in der Theresienstraße haben sich gegen überhöhte Hausmeister-Kosten gewehrt – mit Erfolg. Nach drei Jahren zeigt sich, um welche Riesensummen es dabei geht
Christian Pfaffinger |
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"Verborgenes entdecken" heißt dieser Platzhalter über einem U-Bahnschacht an der Haltestelle Theresienstraße.
"Verborgenes entdecken" heißt dieser Platzhalter über einem U-Bahnschacht an der Haltestelle Theresienstraße.

München - Von dem Geld könnten sich die Mieter schon fast einen Ferrari kaufen, gemeinsam einen schönen Urlaub verbringen oder heuer auf der Wiesn all ihre Freunde zum Freibier einladen. Mit 87 150,84 Euro ist zumindest eines davon leicht drin. Und so viel haben sich die Mieter von vier Häusern in der Theresienstraße in den vergangenen drei Jahren bei den Nebenkosten gespart.

Wobei „gespart“ eigentlich das falsche Wort ist. Denn die Mieter wurden zuvor abgezockt. Sie zahlen jetzt schlicht das, was nach Recht und Gesetz zulässig ist. Allerdings nur, weil sie genau hingeschaut haben und sich vor Gericht gegen die Wucher-Forderungen der damaligen Hausverwaltung gewehrt haben.

Dirk Köthe, Arzt und Mieter einer Vier-Zimmer-Wohnung in der Theresienstraße, sagt: „Die Hausverwaltung hat viel mehr Geld verlangt, als sie durfte – allem voran bei den Hausmeisterkosten.“

Die Kosten waren zuvor jahrelang in enorme Höhen gestiegen

Die lagen 2010 für die vier Häuser Theresienstraße 7, 14, 16 und 18 noch bei insgesamt rund 63 350 Euro. Fürs letzte Jahr der Abrechnung, 2013, waren es jetzt nur noch knapp 34 300 Euro. Für den einzelnen Mieter haben sich die Kosten teils mehr als halbiert, etwa für Dirk Köthe. Wurden 2010 für den Hausmeisterdienst 787 Euro von ihm verlangt, waren es 2013 bloß noch 310 Euro. Über 60 Prozent weniger.

Hinter den falschen Abrechnungen steckt, so vermutet Dirk Köthe, eine Masche der Hausverwaltung. Denn die übertrug der Eigentümer der Häuser, die Allianz, im Jahr 2005 an die Firma Hochtief Property Management – und von da an stiegen die Nebenkosten, vor allem unter dem Punkt 1340 „Hausmeister haushaltsnahe Dienstleistungen“. Hier standen bei Dirk Köthe im Jahr 2005 noch 382 Euro, dann ging es steil nach oben: 2006 auf 500 Euro, 2007 auf 651 Euro, 2008 auf 713 Euro, 2009 auf 749 Euro und 2010 auf 787 Euro. Innerhalb von wenigen Jahren haben sich die Kosten für den Hausmeisterdienst also mehr als verdoppelt.

Dirk Köthe wundert sich und fragt beim Mieterverein München nach. Der bestätigt ihm seinen Verdacht: Die Kosten sind viel zu hoch. Sie sollten laut Betriebskostenspiegel um die 40, maximal bei 50 Cent pro Quadratmeter und Monat liegen. Bei Dirk Köthe waren es 62 Cent. Er fragt bei seinen Nachbarn nach und erfährt: auch deren Abrechnungen sind überhöht, die Beträge für den Hausmeisterdienst auch in den anderen Häusern in die Höhe geschossen. In Haus Nummer 18 ist der Wucher am größten: Hier verlangt die Hausverwaltung für den Hausmeister einen Preis von über einem Euro pro Quadratmeter und Monat.

„In München ortsüblich sind 34 Cent pro Quadratmeter und Monat“, sagt Dirk Köthe. „Somit hat die Hausverwaltung versucht, mehr als das dreifache der ortsüblichen Kosten zu verrechnen.“

Köthe findet heraus, an wen die Hochtief Property Management den Hausmeisterdienst vergeben hat: an die Hochtief Facility Management, eine Schwesterfirma.

Er will eine genaue Aufschlüsselung der Kosten, bekommt sie aber laut eigener Aussage nicht. Dafür fallen ihm noch mehr Ungereimtheiten auf. Etwa, dass über Jahre hinweg eine Groß-Mülltonne zu viel abgerechnet wurde. Oder dass die Kosten für die Terrorversicherung und die Legionellenuntersuchung auf die Mieter umgelegt wurde, obwohl das bei den alten Mietverträgen gar nicht erlaubt war.

Auf die Klage der Bewohner folgte eine Mieterhöhung

Zweimal versucht die Hausverwaltung, Köthe die Kaminkehrerkosten des gesamten Hauses in Rechnung zu stellen. Und dann die Posse mit dem Wasser: „Der Verbrauch an Kaltwasser in meinem Haus war fünfmal so hoch wie der des Hauses Nummer 16, bei fast gleicher Fläche.“ Er forschte nach und fand heraus, dass über den Hauptwasserzähler seines Hauses auch das Kaltwasser für die Warmwasserbereitung der Nummer 16 lief. Er fragt bei der Hausverwaltung nach, die gibt den Fehler zu. Jahrelang wurde aber falsch abgerechnet.

Dirk Köthe wehrt sich. Gegen die Abrechnungen 2009 und 2010 legt er Widerspruch ein. Aber ein Einlenken der Hausverwaltung scheint nicht in Sicht. Im April 2012 nimmt sich Köthe einen Anwalt und klagt. Andere Mieter ziehen nach.

Kurz darauf erhöht ihm Hochtief die Miete – kommt damit aber nicht durch. Die Erhöhung liegt über der Kappungsgrenze von damals 20 Prozent und ist dadurch rechtlich unzulässig. Als Köthe zusammen mit dem Mieterverein der Erhöhung widerspricht, nimmt die Hochtief die überzogene Forderung zurück.

Der Prozess um die Nebenkostenabrechnungen zieht sich einige Monate, doch am Ende gewinnen die Mieter. Sie kriegen 80 Prozent ihrer Forderungen zurück. Die Hochtief Property Management deckelt die Hausmeisterkosten auf 42 Cent pro Quadratmeter und Monat. Warum die Kosten dann plötzlich so stark gesenkt wurden und warum sie davor so hoch waren, sagte die Hochtief Property damals auf Anfrage der AZ nicht.

Mittlerweile hat der Essener Mutterkonzern die Hochtief Property Management an die Münchner Vincitag AG verkauft. Man wolle sich bei Hochtief aufs Kerngeschäft, das Bauen konzentrieren, hieß es in einer offiziellen Mitteilung. Die Hausverwaltungsfirma heißt nun Tectareal Property Management. Sie hat sich bisher bei den Nebenkosten an das geltende Recht gehalten.

Trotzdem werden die Mieter auch künftig genau hinschauen. Sie wissen ja jetzt, wie sehr sich das lohnt.

Jede zweite Abrechnung ist falsch - hier die wichtigsten Tipps für Mieter

Etwa die Hälfte aller Betriebskostenabrechnungen ist falsch, schätzt Anja Franz vom Mieterverein München. Sie empfiehlt, die Abrechnung unbedingt zu kontrollieren. „Im Grunde muss jede Abrechnung von einem Profi überprüft werden, bevor sie bezahlt wird“, sagt sie. Doch die meisten Mieter zahlen die geforderte Summe blind – und verschenken so bares Geld. Hier die Antworten zu den wichtigsten Fragen:

Was sind Betriebskosten? Das sind Kosten, die dem Eigentümer laufend entstehen, etwa Kosten für den Betrieb von Warmwasser oder Heizung, für Müll, Hausmeister oder Versicherungen.

Wie wird getrickst? Viele Vermieter verstecken einmalige Kosten, etwa für die Verwaltung oder für Reparaturen, in der Abrechnung. Die haben da aber nichts zu suchen. Andere wissen nicht genau, was genau zu den Betriebskosten gehört und schreiben lieber mal zu viel rein. Selbst Abrechnungen von Anwälten und großen Hausverwaltungen enthielten nicht selten Fehler, sagt Anja Franz vom Mieterverein.

Wie erkenne ich eine überhöhte Abrechnung? Im Schnitt liegen die monatlichen Betriebskosten laut dem Deutschem Mieterbund bei etwa 2,20 Euro pro Quadratmeter.

Was kann man gegen falsche Abrechnungen tun? Wenn Sie Posten finden, die sich im Vergleich zum Vorjahr stark verteuert haben oder Positionen auftauchen, die sie nicht verstehen, sollten Sie Ihren Vermieter kontaktieren. Sie haben vier Wochen Zeit, der Abrechnung zu widersprechen. Es bringt allerdings nichts, die Abrechnung pauschal als falsch zu bezeichnen. Sie müssen schon benennen, welche Punkte konkret unkorrekt sind – und das auch beweisen können. Fordern Sie hierzu bei einem Verdacht Einsicht in die Originalbelege des Vermieters. Haben Sie das getan, können Sie die Zahlung bis zur Klärung zurückhalten.

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