Münchner Kurde: Jetzt droht ihm täglich die Abschiebung
Der Münchner Anwalt Hubert Heinhold sieht das Leben seines Mandaten in großer Gefahr: Die Münchner Ausländerbehörde will Ilhami Han (31) aber trotzdem abschieben.
München - Vor wenigen Wochen ist Ilhami Han wieder zusammen gebrochen. Ganz plötzlich, ohne Vorwarnung, an einer Münchner Bushaltestelle. Drei Tage lag er auf der Intensivstation – ein schwerer Anfall. Der 31-jährige Kurde leidet seit 1998 an Epilepsie und an einer posttraumatischen Belastungsstörung – seit Ilhami Han in den kurdischen Bergen unter einer Lawine begraben wurde und nur knapp dem Tod entkam.
Diesmal war’s der Stress, sagen die Ärzte. Die ständige Ungewissheit vor dem nächsten Tag. Die Angst vor Folter und Gefängnis. Trotzdem wollen ihn deutsche Behörden jetzt in die Türkei abschieben lassen. Doch genau dort, so befürchten sein Münchner Anwalt und seine Familie, könnte sein Leben in großer Gefahr sein - nicht nur aus medizinischen Gründen.
Seit 2005 lebt Ilhami Han als politischer Flüchtling in München. Am 20. Juli 2006 hatte das Münchner Verwaltungsgericht noch eindeutig festgestellt: Eine Abschiebung sei nicht möglich, da eine „erhebliche Gefahr politischer Verfolgungsmaßnahmen durch türkische Behörden“ bestehe – Han war vor seiner Flucht nach München Mitglied der kurdischen Guerillabewegung. Seit April 2009 fordern deutsche Sicherheitsbehörden trotzdem seine Ausweisung, weil Han aufgrund seiner angeblichen Tätigkeit für die kurdische Oppositionsbewegung „eine Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland“ darstelle.
Das Verwaltungsgericht folgte diesem Antrag auf Streichung des Abschiebeschutzes. Laut Urteil vom 3. Mai 2012 gebe es „keinen hinreichend stichhaltigen Grund“, dass der Kläger in der Türkei Verfolgung zu befürchten habe. Begründung: Laut Lagebericht des Auswärtigen Amtes von 2011 sei das Verfahren gegen Herrn Han in der Türkei wegen Mitgliedschaft in der PKK eingestellt und zudem lägen in den letzten Jahren keine Fälle von menschenrechtswidriger Behandlung von abgeschobenen kurdischen Oppositionellen vor.
Für den Münchner Rechtsanwalt Hubert Heinhold eine völlig überholte und damit für Herrn Han lebensbedrohliche Fehleinschätzung: „In den letzten Monaten ist es zu einer dramatischen Verschärfung der politischen Verfolgungsmaßnahmen von kurdischen Aktivisten und türkischen Oppositionellen in der Türkei gekommen“, so Heinhold. Das bestätigten die alarmierenden Berichte vieler Menschenrechtsorganisationen. „Mittlerweile sitzen hunderte Journalisten, Rechtsanwälte, Professorinnen, Bürgermeister und Menschenrechtsaktivisten mit absurden Vorwürfen in Haft“, sagt Heinhold. Das Gericht habe diese Entwicklung völlig ausgeblendet, „obwohl die Gefahr für Herrn Han auf der Hand liegt“.
Jetzt muss Han täglich mit seiner Abschiebung rechnen: „Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Münchner Verwaltungsgerichts wurde abgelehnt“, so Heinhold zur AZ: „Da Herr Han psychisch krank ist und in Behandlung ist, darf eine Abschiebung auf keinen Fall stattfinden.“
Sonst könnte es ihm so ergehen wie einem engen Freund: Dieser wurde aus Bulgarien in die Türkei abgeschoben - und ist dort ohne Chance auf eine faires Verfahren zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
Kürzlich tauchten türkische Sicherheitskräfte bei der Mutter von Ilhami Han in der Türkei auf und fragten nach ihrem Sohn. Sein Bruder Faruk Han zur AZ: „Für meinen Bruder besteht als politischer Häftling in der Türkei akute Lebensgefahr.“
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