Münchner Kriminalfälle: Mord mit Kreissäge
Haar - An diesem Fall ist nichts gewöhnlich - von der Tat über die Entsorgung der Leiche bis zum überraschenden Urteil. Die Pädagogikstudentin Gabriele P. tötet im Dezember 2008 ihren gefesselten Freund beim Sex mit einer Handkreissäge. Zwei Mal drückt sie die Säge an den Hals des Opfers Alexander H., der Kopf wird dadurch beinahe abgetrennt.
Ihr neuer Freund entdeckt die Leiche seines Vorgängers
Die Leiche versteckt die Frau auf dem Dachboden ihres Haues in Haar. Ihr neuer Freund entdeckt dort die Leiche seines Vorgängers. Gemeinsam und mit Hilfe eines Bekannten wird der tote Körper im Garten vergraben.
Leiche wird im Januar 2016 ausgegraben
Der Mutter des Opfers erklärt Gabriele P., dass ihr Ex mit einer neuen Freundin auf und davon sei. Die Geschichte funktioniert. Erst ein paar Jahre später verrät ihr Lebensgefährte im Suff das düstere Geheimnis.
Er wird verpfiffen, die Ermittlungen beginnen, die Leiche wird im Januar 2016 ausgegraben. Gabriele P. hatte den Polizisten selber die Stelle im Garten gezeigt. Der Leichnam war teilweise zerstückelt worden. Dafür hatten die Leichengräber wohl Messer und Sägen, aber keine Kreissäge benutzt. Die Ermittler stellen eine Mordanklage fertig, der Prozess beginnt.
Sie habe oft Angst vor ihm gehabt, sagt Gabriele P., er sei "unberechenbar", beleidigend und erpresserisch gewesen. Am Tag der Tat habe ihr Alexander H. gedroht, "jeden umzubringen, den sie kennt". Das habe Panik in ihr ausgelöst.
Aus Angst um ihr Leben, habe sie dann zur Säge gegriffen, "weil sie da so lag". Ihrem Tagebuch vertraut sie an: "Es schien mir keine Wahl zu bleiben. Ich oder er."
Urteil für viele Beobachter eine Riesenüberraschung
Gabriele P. berichtete dem psychiatrischen Gutachter Matthias Hollweg von drei Abtreibungen (in einem Fall soll der Getötete der Vater gewesen sein). Seit der Bluttat leidet sie laut Hollweg an einer Depression. Dazu kommen schnell schwankende Grundstimmungen und Züge von Hörigkeit.
Das Urteil ist für viele Beobachter eine Riesenüberraschung
Das sei aber nicht krankhaft, so Hollweg. Es seien keine psychopathischen Auffälligkeiten bei Gabriele P. festzustellen. Für eine verminderte Schuldfähigkeit zur Tatzeit spricht demnach nichts, sagt der psychiatrische Experte. Ihre Anwältin Birgit Schwerdt berichtet aber, dass ihre Mandantin im Zuge des Prozesses zunehmend orientierungslos wirke.
Das Urteil fällt im Mai 2017 und ist für viele Prozessbeobachter eine Riesenüberraschung. Gabriele P. wird wegen Totschlags, nicht aber wegen Mordes für zwölfeinhalb Jahre in den Knast geschickt.
Der Verteidigerin Birgit Schwerdt war es gelungen, das Gericht davon zu überzeugen, dass ihre Mandantin ohne Heimtücke handelte. Der Richter folgte der Darstellung der Angeklagten. Demnach hatte sie die Tötung ihres Freundes, der sie jahrelang gedemütigt und zu von ihr nicht gewollten Sexpraktiken genötigt hatte, nicht geplant.
"Die Tötung ist skurril und bizarr", findet der Vorsitzende Richter Michael Höhne, spricht von einem "Horrorszenario". "Wer einem anderen eine laufende Handkreissäge zwei Mal gegen den Hals drückt, handelt mit absolutem Vernichtungswillen."
Staatsanwaltschaft spricht von "verblüffenden Urteil"
Aber: Alexander H. hatte sich aus eigenem Wunsch fesseln lassen und Gabriele P. möglicherweise die Situation nur in diesem Moment ausgenutzt, um den wehrlosen Mann zu töten. Etwas anderes war ihr jedenfalls nicht nachzuweisen.
Nur wenn die Studentin ihr Opfer bereits mit Tötungsabsicht gefesselt hätte, könnte man von Heimtücke und Mord sprechen. Verteidigerin Birgit Schwerdt hatte das Gericht in ihrem Plädoyer auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 2007 hingewiesen, das genau in diesem Sinne argumentierte.
Die Staatsanwaltschaft spricht von einem "verblüffenden Urteil" und geht zunächst in Revision, zieht diese aber später wieder zurück. Das Urteil wird rechtskräftig.
Gabriele P. heiratet ihren Freund, den verurteilter Helfer bei der Leichenvergrabung, später im Gefängnis.