Münchner Konzerthaus: Dirigent Rattle hofft weiter auf Bau

Simon Rattle hofft trotz politischen Gegenwinds weiter auf das Konzerthaus im Münchner Werksviertel.
Robert Braunmüller
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Dirigent Simon Rattle auf dem Dach des Werk 3 im Werksviertel, hinter ihm das Riesenrad. Es steht auf dem Bauplatz für das vom Freistaat geplante, derzeit aber gefährdete Konzerthaus für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.
Dirigent Simon Rattle auf dem Dach des Werk 3 im Werksviertel, hinter ihm das Riesenrad. Es steht auf dem Bauplatz für das vom Freistaat geplante, derzeit aber gefährdete Konzerthaus für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. © Astrid Ackermann

München - Ich möchte die Gedanken von Ministerpräsident Söder nicht gerne aus der Ferne interpretieren", zitiert eine Pressemitteilung des Bayerischen Rundfunks den designierten Chefdirigenten des BR-Symphonieorchesters. Und dann ist da noch ein wenig die Rede vom Rang dieses Orchesters, der Weiterentwicklung des Musiklebens und der Bedeutung des geplanten Konzerthauses im Werksviertel. "Deshalb hoffe ich sehr, dass die Planungen für diese Investition in die Zukunft weitergehen."

Dieses Ziel ist gefährdet, seit der Ministerpräsident in der "Süddeutschen Zeitung" eine "Denkpause" verlangte und darauf hinwies, dass der Staat durch die Corona- und die Ukraine-Krise massiv gefordert sei. "Wir können nicht alles unendlich finanzieren", meinte Söder. Münchens Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden, die nach einem Investor für die Sanierung des städtischen Gasteig sucht, hatte zuvor auf Signale des neuen Kunstministers Markus Blume reagiert und diesen zu einem Gespräch aufgefordert.

Dirigent Simon Rattle auf dem Dach des Werk 3 im Werksviertel, hinter ihm das Riesenrad. Es steht auf dem Bauplatz für das vom Freistaat geplante, derzeit aber gefährdete Konzerthaus für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.
Dirigent Simon Rattle auf dem Dach des Werk 3 im Werksviertel, hinter ihm das Riesenrad. Es steht auf dem Bauplatz für das vom Freistaat geplante, derzeit aber gefährdete Konzerthaus für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. © Astrid Ackermann

Konzerthaus: Zentraler Baustein für künftiges Musikleben in München?

Auch Söder verwies darauf, dass es in der Landeshauptstadt auch noch den Herkulessaal, die Isarphilharmonie und die derzeit geschlossene Philharmonie im Gasteig gibt: "Also vier Konzertsäle für zwei Orchester. Da ist die Frage naheliegend: Lohnt es sich nicht, besser eine gemeinsame Bespielung zu entwickeln?" Die Milliardenschätzung für den Neubau im Werksviertel nannte Söder realistisch: "Die Baukosten steigen überall immens an."

Der Saal befindet sich in Planung, einen abschließenden Beschluss des Bayerischen Landtags zum Bau gibt es nicht. Der Freistaat hat lediglich das Grundstück in Erbpacht für 99 Jahre bereits gekauft und zahlt dafür dem Vernehmen nach jährlich etwas über eine halbe Million. Ein Ausstieg aus dem Vertrag soll erst in 44 Jahren möglich sein. Und natürlich müssten auch die Architekten und der Akustiker ausbezahlt werden. Im Vergleich zu den von Andreas Scheuer verpulverten Maut-Millionen wäre das allerdings nur ein Klacks.

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Die Landtags-Opposition verlangte nach Söders Äußerungen Klarheit. "Diese Entscheidung unterstreicht einmal mehr den geringen Stellenwert von Kunst und Kultur für die Bayerische Staatsregierung", sagte der FDP-Kultursprecher Wolfgang Heubisch. Kunstminister Blume wies die Kritik zurück: Heubisch verkenne die aktuellen Realitäten. "Die Staatsregierung stellt heute so viel Geld wie nie für Kunst und Kultur in Bayern bereit", betonte Blume. Heubisch solle als stellvertretender Ausschussvorsitzender im Landtag nicht den obersten München-Lobbyisten geben, sondern ganz Bayern in den Blick nehmen.

Angesichts dieser Debatte wirkt das Statement von Simon Rattle lauwarm. Der Dirigent hofft offenbar, in zukünftigen Gesprächen, den Ministerpräsidenten umstimmen zu können. Aber ist das realistisch? Und wirkt es nicht ein wenig desinteressiert, wenn er aus dem fernen Santa Barbara eine Pressemitteilung schickt, obwohl ein zentrales Projekt des künftigen Orchesters den Bach runterzugehen droht?

Rattles Zurückhaltung passt allerdings zur Hinterzimmer-Diskretion, mit dem das Projekt Konzerthaus von Anfang an betrieben wurde. Niemand weiß, wieviel Geld die Stiftung Konzerthaus bisher überhaupt eingeworben hat - vermutlich nicht viel, sonst würde man damit werben. Eine breite bürgerschaftliche Bewegung wie bei der Pinakothek der Moderne oder beim Prinzregententheater ist nie entstanden.

Zu viele Fragen noch offen

Außerdem sind einfach zu viele Fragen offen, um deren Beantwortung sich die Konzerthaus-Befürworter seit Jahren drücken, wie zum Beispiel: Warum braucht jedes große Orchester zwingend einen eigenen Saal? Diese Vorstellung hat für die Freie Szene den Beigeschmack von Anspruchsdenken. Oder: Warum kann das BR-Symphonieorchester nicht nach dem Ende der Gasteig-Sanierung in die für nur 70 Millionen gebaute und dann womöglich für den gleichen Betrag noch einmal verbesserte Isarphilharmonie ziehen?

Jenseits der rundfunkpolitisch gebotenen Ferne von Staat und Sender stellt sich auch die Frage, wieso der Freistaat dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks einen Konzertsaal bauen soll, wenn er gleichzeitig den eigenen Staatstheatern herbe Sparrunden verordnen muss und auch hier kostspielige Sanierungen anstehen - wie etwa in der Bayerischen Staatsoper? Und zuletzt hat sich das geplante Konzerthaus konzeptionell mit dem Schwerpunkt auf Education so sehr dem - in der Finanzierung allerdings ebenso noch unsicheren Projekt - des neuen Gasteig angenähert, dass man fast von einer Verdoppelung sprechen muss. Aber braucht man alles doppelt? Alle diese Fragen müssen die Konzertsaal-Fans endlich überzeugend beantworten. Und die Antworten dürfen auch ein wenig kämpferischer sein wie die per Pressemitteilung übermittelte Gelassenheit von Simon Rattle.

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  • Leo99 am 29.03.2022 23:47 Uhr / Bewertung:

    Seien wir doch bitte froh, dass wir in Herrn Bernreiter seit kurzem einen neuen, gescheiten Minister haben, der erstens rechnen kann und zweitens einen gesunden Menschenverstand hat. Mit dem durch die Corona-Maßnahmen bereits stark gebeutelten und nun durch die Zusatz-Ausgaben zufolge des Krieges in der Ukraine zusätzlich stark belasteten Staatshaushalt sich den Luxus eines nach letzten Berechnungen etwa eine halbe Milliarde Euro kostenden neuen Konzerthauses weiterhin leisten zu wollen, müsste man nunmehr als verantwortungslos und aberwitzig bezeichnen. Die gleiche Frage muss sich eigentlich längst auch der Münchner Stadtrat, sowie OB Reiter stellen. In der gegebenen Situation weiter an einem sündteuren, nicht wirklich notwendigen Monumental-Umbau des Gasteigs, der realistisch nicht mit der ohnehin schon schamlos hohen Deckelungs-Summe auskommen würde (kundige Experten vermuten sogar fast eine Milliarde) festzuhalten, ist nicht mehr verantwortbar. Es bedarf auch hier der Reißleine.

  • Chroniker am 29.03.2022 21:26 Uhr / Bewertung:

    Danke für Ihren Artikel. In der SZ hat Susanne Hermanski, offensichtlich eine glühende Befürworterin des neuen Saals - man hört momentan fast täglich von ihr -, gestern in einem Kommentar "die privaten Spender, die sich bislang schon in der Konzerthausgesellschaft engagiert haben", erwähnt. Auf meine Nachfrage, wieviel Geld denn schon zusammengekommen sei, habe ich keine Antwort bekommen

  • Giesing am 29.03.2022 15:03 Uhr / Bewertung:

    Eine Milliarde Euro für das Vergnügungen von relativ wenig Leuten. Das steht in keinen Verhältnis. Wir haben so viele gesellschaftliche Herausforderungen und bereits mehrere Konzertsäle in der Stadt. Ich finde es gibt wichtigeres.

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