Münchner Kommission berät Strategien gegen Antisemitismus

München - Ludwig Spaenle spricht von einer "Zäsur". Der antisemitische Anschlag in Halle, bei dem ein schwer bewaffneter Rechtsextremist ein Massaker in einer Synagoge verüben wollte , hat den Judenhass in Deutschland sichtbar gemacht. Der Antisemitismusbeauftragte in Bayern will nun mit seinen Amtskollegen reagieren.
Erstmals hat sich in München die neue Bund-Länder-Kommission (BLK) der Antisemitismus-Beauftragten getroffen, um über die Sicherheit jüdischer Einrichtungen und Strategien zur Bekämpfung der Judenfeindlichkeit zu beraten. Inzwischen haben 14 von 16 Bundesländern einen solchen Beauftragten – mit Ausnahme von Schleswig-Holstein und Bremen, die andere Vertreter schickten.
Am Dienstag präsentierte Spaenle gemeinsam mit dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, erste Ergebnisse. Die Kommission beschloss vier Anregungen.
Verstehen: Maßnahmen zum Schutz jüdischer Personen und Einrichtungen sollen zeitnah umgesetzt werden. Dabei will die BLK neben baulichen Maßnahmen wie etwa kugelsicheren Scheiben vor allem auf eine bessere Kommunikation zwischen jüdischen Gemeinden und Sicherheitsbehörden setzen. "Zu viele Polizeibeamte kennen die Synagogen, die sie schützen, nur von außen", sagt der Bundesbeauftragte Klein. Zudem sollten Beamte etwa die Daten der jüdischen Feiertage kennen. In Berlin gebe es bereits einen eigenen Antisemitismusbeauftragten der Polizei.
Verschärfung des Waffenrechts in Deutschland geplant
Verankern: Die Kommission drängt auf eine schnellere Verfolgung antisemitisch motivierter Straftaten. Dafür müsse auch das Strafgesetzbuch entsprechend angepasst werden, so Klein. Er will darauf drängen, dass der Paragraph 46 des Strafgesetzbuches (StGB) reformiert wird. Dieser regelt unter anderem, dass eine Tat härter bestraft wird, wenn "rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende" Beweggründe vorliegen. Klein will der Aufzählung um "antisemitisch" ergänzen.

Zudem will er den Begriff Antisemitismus im StGB grundsätzlich verankern – denn laut ihm scheitert die Verfolgung antisemitischer Straftaten vor allem daran, dass diese nicht als solche erkannt werden. Als Konsequenz von Halle soll nach seinem Willen auch das Waffenrecht verschärft werden.
Verfolgen: Die BLK regt an, dass es einen gesetzlichen Auskunftsanspruch der Justiz gegen die Anbieter digitaler Dienste geben soll, wenn auf ihren Plattformen antisemitische Äußerungen getätigt werden. Konkret bedeutet das: Betreiber von etwa Sozialen Netzwerken sollen verpflichtet sein, der Staatsanwaltschaft IP-Adressen und Klarnamen von Nutzern, die sich derart äußern, herauszugeben.
Ludwig Spaenle: "Brandbeschleunigers Internet"
Zudem sollen die Bedingungen für die Verfassungsschutz-Ämter der Länder verbessert werden – zum Beispiel bei Online-Durchsuchungen oder durch Vorratsdatenspeicherung. Bayerns Antisemitismus-Beauftragter Spaenle hob die Gefahr des "Brandbeschleunigers Internet" hervor, in dem sich antisemitisches Gedankengut – wie im Fall von Halle – verstärke und verbreite.

Weitertragen: Die Bundesregierung übernimmt im kommenden Jahr die EU-Ratspräsidentschaft. Die Antisemitismusbeauftragten empfehlen, dass sie sich für eine Entwicklung nationaler Strategien im Kampf gegen Judenfeindlichkeit stark macht. Laut Spaenle ist das Ziel, dass alle 27 Mitgliedsstaaten dazu eine eigene Agenda beschließen.
Lesen Sie auch: AZ-Interview Michel Friedman - "Die AfD, die Partei des Hasses"