Münchner Kinos: Vielfältig, besonders, entdeckenswert

Kino ist ein wunderbarer Ort, um persönlichen Gewittern, schlechtem Wetter oder dem kühlen Alltag zu entkommen und in eine andere Welt einzutreten. Ein Gang durch die Stadt.
von  Adrian Prechtel, Nina Job, John Schneider, Felix Müller, Jan Krattiger, Robert Braunmüller, Ruth Frömmer, Sophie Anfang
Unter Denkmalschutz: das Filmtheater am Sendlinger Tor
Unter Denkmalschutz: das Filmtheater am Sendlinger Tor © Peter Kneffel/dpa

München - Alle reden vom Wetter, ein Kinogänger nicht. Wenn man auf den Kinostadtplan Münchens schaut, hat man das Gefühl: Es gibt ja immer noch viele Kinos in der Stadt. Stimmt. Aber dann könnte man noch einen Stadtplan machen und alle Standorte einzeichnen, wo einmal ein Kino war – und jetzt ein Supermarkt, wie in der Bodenseestraße, ein neues Bürohaus statt des Schwabylons oder wie in der Schöttlstraße eine Moschee. Über 130 Kinos hat München seit den 50er Jahren verloren. Aber man muss nicht nostalgisch werden, denn es gibt noch wunderbare Orte, um Film zu erleben.

Wenn man Kollegen fragt, welches Kino sie mögen, ist die Auswahl natürlich immer subjektiv – und plötzlich durchfährt einen der Schreck, dass man dieses oder jenes nicht auf dem Plan hat – wie die wunderbaren, denkmalgeschützten Theatiner Lichtspiele, oder den Glanz des Gloria Palasts am Stachus.

Arri in der Türkenstraße: Ein bildungsbürgerlicher Kinosaal

Was war das Arri in der Türkenstraße eigentlich? Lange galt es als Studentenkino. Bis die Studierenden lieber vor dem Laptop auf der Couch blieben. Dann kam Hans-Joachim Flebbe, der Mann, der einst das Multiplexkino-System nach Deutschland brachte, aber vom Saulus zum Edel-Paulus wurde: "Ich will Kino wieder zu einem Vergnügen machen, so dass es den Leuten schwerfällt, vor dem Fernseher oder Laptop zu bleiben", erzählte er 2018 zur Einweihung des neuen Astor im Arri.

Am alten Standort der Filmtechnik Firma Arri war eines der schönsten Kinos Münchens entstanden mit dem spektakulären Astor-Saal mit 335 Plätzen in einem ehemaligen Fernsehstudio, wo zum Beispiel die "Bullyparade" entstand. Großzügig, elegant, dabei nicht kühl und mit seitlichen Lichtspielwänden aus 5.600 LED-Leuchten ausgestattet sitzt man jetzt vor einer der größten Leinwände.

Maxvorstadt: Die Astor Film Lounge im Arri ist wie eine Bibliothek eingerichtet.
Maxvorstadt: Die Astor Film Lounge im Arri ist wie eine Bibliothek eingerichtet. © IMAGO

Schon das Foyer zeigt, was an Kinoglanzatmosphäre möglich ist. Aufstrebende Lamellenelemente vermitteln eine große Raumhöhe, stilisierte antike Säulenelemente veredeln den Eindruck mit Reminiszenzen an den Stil der 50er Jahre: eine Zeit, als das Kino noch ein Vergnügungspalast sein konnte. Jetzt hat das Arri drei Säle. Der kleinste im Untergeschoss ist eine Bibliothek mit gediegenen Regalen links und rechts. Hier sitzt man wie in einem großbürgerlichen Zimmer und im großen Astorsaal wie im modernen Kinohimmel. Und das Edelkino hat sogar moderate Preise. (Adrian Prechtel)

Kino am Sendlinger Tor: 110 Jahre Eleganz

Das Kino am Sendlinger Tor nennt sich "Filmtheater" – und genau das ist es bis heute mit seinen breiten, roten Sesseln, Säulen, Rängen und Samtvorhang. Regisseur Joseph Vilsmaier (†) bezeichnete es als sein Lieblingskino, überhaupt lieben es viele Filmschaffende.

Unter Denkmalschutz: das Filmtheater am Sendlinger Tor
Unter Denkmalschutz: das Filmtheater am Sendlinger Tor © Peter Kneffel/dpa

Als 2021 eine Räumungsklage kam, unterschrieben über 10.000 Menschen eine Petition. Familie Preßmar, die das Kino seit Generationen führt, kämpft weiter. Heuer gibt’s ein Jubiläum: Vor 110 Jahren ließ Kino-Pionier Carl Gabriel die Lichtspiele bauen. Für die Premiere am 17. Oktober 1913 brachten livrierte Boten Einladungen. 1915 gab sich sogar König Ludwig III. die Ehre.

Das Flair dieses Kinos ist einzigartig – genau wie die handgemalten Filmplakate von René Birkner am Haus. Drinnen wie draußen eine Reminiszenz an vergangene Zeiten, aber mit moderner Technik. (Nina Job)

Arena-Kino: So alt wie gemütlich

Es ist eines der ältesten aktiven Kinos Münchens. Seit 1912 werden im Neuen Arena-Kino Filme auf die Leinwand geworfen. Das allein ist aber nicht der Grund, warum ich seit meinem Umzug in die Nachbarschaft des Glockenbachviertels zum Stammgast geworden bin.

Der kurze Weg ist ein zweiter Grund und die gemütliche, unaufgeregte Atmosphäre, wenn man das Foyer betritt. Vor allem aber: Die Auswahl der Filme – gerne auch als Original mit Untertiteln – lockt mich immer wieder in die Hans-Sachs-Straße. Zuletzt mit dem Gewinner der Goldenen Palme von Cannes und Oscar-Anwärter "Triangle of Sadness".

Das Arena-Kino in der Hans-Sachs-Straße.
Das Arena-Kino in der Hans-Sachs-Straße. © Daniel von Loeper

Auch meine Kinder habe ich hier mit Filmen wie "Mein Leben als Zucchini" zu Kinofans erzogen. Damit sie lernen, dass Streamingdienste das Kinoerlebnis nicht ersetzen können – und das auch in kleinen Sälen ganz großes Kino geboten werden kann. (John Schneider)

Filmkunststudio Solln: Von Sollnern gerettet

Hier hatte ich mein erstes Kinoerlebnis mit "Winnetou"-Filmen. Da war es noch ein Tonnegewölbe mit Holzklappsitzen. In einem Tanzsaal befand sich seit 1949 das Stadtrandkino. Der Anbau wurde 1995 durch einen Neubau ersetzt. Jetzt gibt es zwei elegante Säle und ein nettes Foyer. Seit 1964 nannte sich das Kino "Filmkunststudio Solln".

Am S-Bahnhof Solln hinter dem Gasthof Hirschen: das Kino Solln.
Am S-Bahnhof Solln hinter dem Gasthof Hirschen: das Kino Solln. © Daniel von Loeper

Jetzt wird es von Berlin aus programmiert, hat sich aber ein gutes Gespür für gehobenen Mainstream bewahrt. Vor zwei Jahren wäre es fast abgerissen und durch Wohnungsneubauten ersetzt worden – inklusive der Buchhandlung nebenan im selben Haus. Das hat bürgerliches Engagement verhindert. (Adrian Prechtel)

Monopol: Kino statt Kegelbahn

Wenn ich über das Monopol schreibe, bin ich etwas befangen. Ich selbst zeige hier öfters privat einen Film. Das Großartige: Im kleinen Saal für 35 Personen hat man die Bar im Raum. So entsteht intime Salonatmosphäre.

Die Geschichte des Monopolkinos hat sogar was mit der Abendzeitung zu tun. Am ursprünglichen Flachbauort in der Feilitzschstraße hatte Michael Graeter sein Airport FJS Kino aufgemacht, das später zum Monopol wurde. Das musste 2011 – zusammen mit der Schwabinger 7 – einem Neubau weichen.

Monopol Kino: kleiner, schicker Saal.
Monopol Kino: kleiner, schicker Saal. © Daniel von Loeper

Kinosterben? Es gibt nichts, was Kinoenthusiasten Christian Pfeil (übrigens der gefeierte Lindner am diesjährigen Nockherberg) stoppen könnte. Er baute mit seinem Compagnon Markus Eisele ein neues Monopol in der Schleißheimer Straße am Nordbad – drei Säle, 200 Plätze. Und vom Muff der vorherigen Kegelbahn hier ist nichts mehr zu spüren. Hier laufen in guter Atmosphäre die besten Filme. (Adrian Prechtel)

Traditionskino Rio: Haidhauser Klassiker

Es stimmt schon: Haidhausen ist auch nicht mehr das, was es mal war. Andererseits: Man kann sich im Viertel schon auch noch sehr gut einen Abend machen wie früher. Der endet dann zum Beispiel im Vivo oder im Johannis Café oder auch im (noch gar nicht so alten) Roten Knopf, alles Läden, in denen man ganz sicher nicht vorschnell herausgekegelt wird. Und startet: im Rio!

Zwischen Apotheke und Sparkasse direkt am Platz: das Rio.
Zwischen Apotheke und Sparkasse direkt am Platz: das Rio. © my

Denn Haidhausen, das alte Kulturviertel, hat immer noch sein Traditionskino direkt am S-Bahnhof Rosenheimer Platz. Seit 1960 werden hier schon Filme gezeigt. Zwei Säle gibt es. Das Programm ist wie das Publikum: leicht alternativ angehaucht, aber gar nicht elitär. Es werden auch viele mainstreamige Filme gezeigt.

Gastronomisch gleich noch ein Tipp, wir sind schließlich in Haidhausen: Vor dem Kino empfiehlt sich ein schneller Kaffee oder ein erstes Bier im kinoeigenen Bistro direkt neben der Kasse. (Felix Müller)

Programmkino Isabella: Greifbare Nostalgie

Ins Isabella geht man nicht nur, um einen Film anzuschauen: Das kleine Programmkino mit nur einer Leinwand und ziemlich begrenzter Platzzahl bietet noch all das, worum es beim Kinobesuch geht: ein Kinoerlebnis – die Nostalgie und die mittlerweile über 100-jährige Geschichte dieses alten Programmkinos sind beim Besuch greifbar.

Isabella Kino
Isabella Kino © Daniel von Loeper

Das fängt an bei den von Hand gestalteten Infotafeln an der Fassade, geht im minikleinen Eingang weiter und hört auf im Saal, wo man es sich auf den roten Samt-Kinosesseln gemütlich macht. Das Isabella zeigt nur einen Film am Tag, die Auswahl ist immer etwas abseits vom Popcorn-Kino der großen Leinwände, aber immer sehenswert.

Es ist noch nicht lange her, da konnte man sich im Isabella die Kinokarten holen, gegenüber in der französischen "Crêperie Cabus" eine leckere Galette gönnen und danach einen Film genießen. Seit die leider geschlossen hat, muss es eben nach dem Film ein Absacker im Salon Irkutsk sein. (Jan Krattiger)

Neue Rex: Ausgehen in Laim!

Warum denn in die hektische Innenstadt abschweifen, wenn das Gute so nah liegt? Laim hat noch ein Stadtteilkino, das "Neue Rex" in der Agricolastraße. Es besitzt eines dieser altmodischen Tafeln, auf denen mit wechselbaren Buchstaben das Programm angekündigt wird. In der Pandemie wurde da immer wieder ausdrücklich Durchhaltewille erklärt.

Das Neue Rex in der Agricolastraße.
Das Neue Rex in der Agricolastraße. © Daniel von Loeper

Das Kino hat seit einer Renovierung zwei eher kleinere Säle. Technisch ist es auf dem allerneuesten Stand. Zu sehen gibt es aktuelle Filme – wie derzeit den Dirigentinnen-Film "Tár" mit Kate Blanchett. Das "Neue Rex" zeigt auch Opern-Übertragungen aus London oder Bayreuth. Am Wochenende laufen nachmittags Kinderfilme, in der Sonntags-Matinée werden Klassiker gezeigt. Und auch für das gesellige Hinterher und Drumherum ist gesorgt: Im gleichen Gebäude befindet sich das "Laimers". (Robert Braunmüller)

Das alte Maxim ist wunderbar neu

Als man hier noch die LKW auf der Landshuter Allee im Saal vorbeidonnern hörte und durchgebrochene Klappsitze die Sitzzahl reduzierten, habe ich hier in den 80er Jahren Filmkunstklassiker wie den vierstündigen "Molière"-Film als Schüler gesehen – oder besser gesagt: komforttechnisch durchlitten. Der alternative Betreiber Siggi Deiber hatte zwar Kultstatus, war aber letztlich der Totengräber des Maxim.

Wahnsinn nach einer über 100-jährigen Geschichte, nachdem es im September 1912 im umgebauten Kaufhaus Schottländer als "Lichtspieltheater des Westens" eröffnet hatte. Es hieß zwischenzeitlich gruselig "Hindenburg-Lichtspiele", aber wurde in der sozialistischen Rätezeit in "Volks-Lichtspiele" umbenannt. 2016 war dann der Katzenjammer groß, als es pleite und völlig heruntergekommen war.

Im Untergeschoss – im kleinen Saal – sitzt die mutige Mitbetreiberin Anne Harder im Kissensessel.
Im Untergeschoss – im kleinen Saal – sitzt die mutige Mitbetreiberin Anne Harder im Kissensessel. © Archiv/dpa

Ein Supermarkt oder Fliesengeschäft war hier im Gespräch. Aber es fanden sich drei Enthusiasten, die das Kino zum "Neuen Maxim" gemacht haben. Es ist zum Mittleren Ring hin schalldicht, hat ein charmantes Foyer mit Bar, wo man noch die alte Jugendstilkachelung sehen kann, auch alte Balken und Dielen wurden reingelegt und renoviert.

Mit der Schließung des Gabriel-Kinos beim Hauptbahnhof ist das neue Maxim jetzt das älteste Kino der Stadt. Und im kleinen Saal im Untergeschoss kann man auch von Kissensesseln auf immer gut ausgewählte Arthousefilme schauen. (Adrian Prechtel)

Münchner City-Kino: Die bessere Stammkneipe

Als ich neu in München war, hatte ich statt einer Stammkneipe ein Stammkino. Im Innenhof des City in der Sonnenstraße, zu dem damals neben dem Atelier auch noch das Atlantis in der Schwanthalerstraße gehörte, haben wir uns als Studenten jeden Montagabend – Kinotag! – getroffen.

Wir mussten uns vorher gar keinen Film aussuchen, denn darauf war und ist Verlass: In mindestens einem der Kinos läuft immer etwas Interessantes. Zumindest für Menschen, die sich nichts aus James Bond, Kaiserschmarrn-Gedudel und Comichelden machen.

Leuchtet hell in die Münchner Nacht: das City-Kino.
Leuchtet hell in die Münchner Nacht: das City-Kino. © Daniel von Loeper

Am besten, man kommt ein bisschen früher und sucht sich beim ersten Bier in der Filmwirtschaft oder im Innenhof in Ruhe einen Film aus. Das City ist selten überlaufen, weshalb man die Filmwahl auch ganz spontan noch ausdiskutieren kann.

Kleine Filme aus Schweden, Frankreich, Schottland, Italien – hier werden sie gezeigt, im Originalton. Heute schaffe ich es leider nicht mehr jede Woche ins Kino, aber die Sonnenstraße ist noch immer meine erste Anlaufstelle. (Ruth Frömmer)

Cincinnati in Giesing: Original amerikanisch

Es ist ein bisserl anders als die anderen Lichtspielhäuser: das Cincinnati in Giesing, in der sogenannten Amisiedlung, unweit des Autobahnzubringers 995. Ein einzeln stehendes Gebäude, ein großer Mittelgang, alles sehr großzügig. Amerikanisch eben, nur ohne Softeis. So wie es sich die Bewohner der amerikanischen Wohnsiedlung am Perlacher Forst gewünscht hatten. 1992 wurde der Stützpunkt aufgegeben und ging in deutsche Eigentümerschaft über. 2014 wäre das Kino fast für einen Supermarkt aufgegeben worden. Wie gut, dass Anwohner im Viertel das verhindert haben.

Dieser Mittelgang! Gibt’s nirgendwo anders.
Dieser Mittelgang! Gibt’s nirgendwo anders. © Archiv/imago

Ins Cincinnati fahren ist – sofern man nicht dort wohnt, versteht sich – ein kleiner Ausflug. Als Kind fand ich’s dort immer ein bisschen aufregend, alles so groß und irgendwie anders. Und die Leinwand finde ich nach wie vor angemessen gigantisch. (Sophie Anfang)

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.