Kinobetreiber wehren sich: "Ein Immobilien-, kein Branchenproblem!"

München - Schwere rote Plüschsessel, der Geruch von Popcorn und Nachos, das leise Rascheln und verhaltene Hüsteln auf dem Nebenplatz, die nicht halb so verhaltene Knutscherei in der letzten Reihe und der Zwei-Meter-Mann, der natürlich wieder genau vor einem sitzen muss: Kino ist und bleibt ein Gesamterlebnis, das der heimische Fernsehsessel nicht bieten kann.
Doch Münchens Kinos haben es schwer in den vergangenen Jahren. Das Traditionsfilmtheater am Sendlinger Tor wird möglicherweise schon im kommenden Sommer wegen eines Streits mit dem Pächter schließen müssen. Aber wie sieht es eigentlich in anderen Münchner Kinos aus?
"Gute Filme und zeitgemäße Technik sind wichtig"
Markus Eisele betreibt vier Kinos in Bayern als Geschäftsführer: neben dem "Arena"- und dem "Monopol"-Kino in München auch das "Lichtspielhaus" in Fürstenfeldbruck und die "Alte Brauerei" in Stegen Ammersee. In allen Häusern, auch in denen in München, verzeichnet er 2019 Zuwächse - mehr Besucher, mehr Einnahmen: "Prinzipiell war 2019 für uns ein hervorragendes Kinojahr",sagt er im Gespräch mit der AZ. Von einem Branchenproblem will er nichts wissen: "Manche Kinos verschlafen technische Trends und zeigen entscheidende Filme nicht - dafür darf man nicht die Branche verantwortlich machen."
Das Gesamtkinojahr 2018 war schlecht gelaufen: Die Zahl der Kinobesucher hatte in Deutschland mit etwas mehr als 105 Millionen Kinobesuchern einen historischen Tiefststand erreicht. 2019 waren es dann fünf Millionen mehr (110 Millionen).
"Kein Streaming- sondern ein Immobilienproblem"
Der extrem heiße Sommer 2018, der die Leute ins Freie statt in den Kinosessel trieb, habe den Münchner Kinos zugesetzt. Streaming-Dienste hingegen gebe es dagegen schon lange. "Das Münchner Kinosterben sehen wir natürlich auch", so Eisele. Seine Erklärung: Immobilienspekulation in München. "Kinos brauchen Planungssicherheit, um zum Beispiel in zeitgemäßeTechnik zu investieren." Mit unberechenbaren Vermietern und steigenden Mieten seien Ausgaben schwierig, die sich erst langfristig tragen; die Münchner Kinos würden so die wichtigsten Trends verpassen und Zuschauer verlieren.
Dies sei umso bedauerlicher, denn "die Leute wollen nach wie vor gern außer Haus unterhalten werden und ins Kino gehen - wenn sie dort charmante Räume erwarten, die Technik mit der Zeit gehen kann und gute Filme angeboten werden", sagt Eisele.
Das Kinosterben sei ein Immobilien- und kein Branchenproblem.
"Ohne loyalen Vermieter kein Kino mehr!"
Das bestätigt auch Wolfgang Bihlmeir vom "Werkstattkino": Seit über 40 Jahren unterstütze sie ein loyaler Vermieter mit geringen Mietpreissteigerungen. "Ohne ihn würde es uns auch schon längst nicht mehr geben!"
Ulf Maneval von der Filmstation in Gilching, im Münchner Umland, führt Schließungen von Kinos in München ebenfalls auf die Immobillienpreise zurück: Sie seien "kein Problem der Kinos an sich, sondern das des außer Kontrolle geratenen Mietmarktes und Gewerbeimmobilienmarktes, besonders in Innenstadtlagen",
"Zu geringe Förderungen für Kinos"
Und auch von Anne Harder, Betreiberin des "Neuen Maxim", hört man dasselbe: "Unserer Meinung nach gäbe es kein Kinosterben, wenn es den Mieten- und auch Behördenwahnsinn nicht gäbe."
Außerdem messe die Politik mit zweierlei Maß: So werde Kino nicht genauso als Kulturort wahrgenommen wie das Theater oder die Oper. "Förderungen, die dem Kulturort Kino massiv helfen, sind nur ein Bruchteil dessen, was für Museen, Oper und Theater ausgegeben wird", sagt Harder. "Gleichzeitig erreichen Kinos 100 Millionen Zuschauer im Jahr und bieten ein Kulturangebot für alle."
München kämpft um seine Kinos
Gerade München muss daher um seine Arthouse-Kinos kämpfen - so sieht es Jenny Becker vom Kulturreferat der Stadt München."Die Stadt verleiht seit 2002 Kinoprogrammpreise, die die Münchner Arthouse Kinos auszeichnen und in ihrer Programmvielfalt stärken - mittlerweile sechs, dotiert mit einer Gesamtsumme von 45.000 Euro im Jahr", so Becker im AZ-Gespräch.
Die Stadt unterstütze damit die Umstellung auf die digitale Filmvorführung. Auch die Filmkunstwochen im Sommer, etliche Filmfestivals vorwiegend in den Programmkinos, das Filmfest München und das Dok.Fest würden maßgeblich von der Stadt München finanziert und brächten dem Filmstandort München und seinen Kinos Aufmerksamkeit. Für Kino-Neugründungen oder -übernahmen könne zudem eine Anschub-Finanzierung geprüft werden, und wo Programmkinos durch Crowdfunding unterstützt werden sollen, könne auf das Know-how aus dem Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft zurückgegriffen werden.
Traditionskino vor dem Aus
Für das traditionsreiche Kino am Sendlinger Tor kommen unterstützende Maßnahmen allerdings vielleicht schon zu spät: Der Pachtvertrag droht Ende Juni auszulaufen.
Und erst im letzten Jahr mussten zwei Münchner Traditionskinos den Betrieb einstellen: Das Gabriel Filmtheater, das wohl älteste Kino der Welt, schloss um Ostern. Kurz darauf mussten auch die Kinos Münchner Freiheit schließen.
"Die Kollegen vom Sendlinger Tor tun mir leid", betont Markus Eisele, und auch andere Kinobetreiber äußern sich ähnlich solidarisch. Eisele bringt es auf den Punkt: " Wenn sich ein Vermieter vorstellt, dass er anstatt des den hohen Saales zwei Etagen mehr einziehen und somit die Mieteinnahmen verdreifachen kann, hat ein Kino keine Chance."
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