Interview

Münchner Hospiz-Verein "DaSein": "Wir tun alles dafür, Leid zu lindern"

Der Hospizdienst "DaSein" betreut Menschen in ihren letzten Lebenstagen.
von  Nina Job
Die 58-jährige Katharina Rizzi ist Geschäftsführerin des Vereins "DaSein".
Die 58-jährige Katharina Rizzi ist Geschäftsführerin des Vereins "DaSein". © 2020 C.A.HELLHAKE

München - Mehrere Pflegedienste und zwei Hospiz-Vereine versorgen Schwerstkranke in München auch ambulant - neben der ambulanten Hospiz- und Palliativberatung.

Die Mitarbeiter ermöglichen Menschen, zu Hause in ihrer vertrauten Umgebung oder auch im Pflegeheim gut versorgt und weitestgehend ohne belastende Symptome sterben können. Katharina Rizzi führt den zweitgrößten Hospiz-Verein in München, "DaSein" mit fast 30 Mitarbeitern und 70 Ehrenamtlichen.

Hospiz-Verein jederzeit erreichbar

AZ: Frau Rizzi, wie erfährt ein Patient von Ihrem Verein?
KATHARINA RIZZI: Jeder kann uns einfach anrufen. Oft haben Patienten oder Angehörige von uns gelesen. Auch Hausärzte, Pflegedienste oder Krankenhauspersonal stellen den Kontakt zu uns her. Zum Beispiel, wenn ein Patient mit einer lebenslimitierenden Diagnose aus dem Krankenhaus entlassen wird. Oder wenn er keine Therapie mehr möchte.

Wie lange betreuen Sie die Patienten?
Von ein paar Tagen bis zu mehreren Wochen. Manchmal kommt es vor, dass jemand schon an dem Tag stirbt, an dem er aufgenommen wird. Das ist sehr schade, weil wir sein Leid dann nicht mehr lindern konnten.

"Da ist jemand, der nimmt mich ernst in Not"

Im Februar wurde das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe aufgehoben. Begleiten sie auch Patienten, die den Wunsch haben, Suizid zu begehen?
So verstehbar der Wunsch ist, das machen wir als Hospizdienst nicht. Unsere Erfahrung ist: Wenn man in dieser Not, dass ein Mensch aus dem Leben gehen will, für ihn da ist und ihn medizinisch-fachlich und emotional unterstützt, dann verändert sich auch etwas an seinem Sterbewunsch. Er spürt: Da ist jemand, der mich ganz ernst nimmt in meiner Not. Die meisten möchten gar nicht sterben, sie möchten anders leben. Und sie möchten nicht in Situationen kommen, die sie als unwürdig empfinden.

Wir begleiten im guten Sinne. Wir verstehen unsere Aufgabe so, dass wir nicht einen schnellen Ausweg präsentieren. Sondern wir helfen Menschen dabei, diese schwierige Lebensphase in irgendeiner Form anzunehmen und alles dafür zu tun, ihr Leid zu lindern, wo man es lindern kann.

Werden Sie denn häufiger um Suizidbegleitung oder aktive Sterbehilfe gebeten?
Eher selten. Neulich hat sich eine Person, die regelmäßig zur Dialyse musste, so sehr gewünscht, dass wir sie beim Suizid begleiten. Aber ihren Wunsch bald zu sterben, konnte sie sich einfach selbst erfüllen - indem sie mit der Dialyse aufhörte. Nierenversagen kann man palliativ-medizinisch gut begleiten.

Sorgen vor dem zweiten Corona-Lockdown

Zu Beginn der Pandemie wurde Heime und Krankenhäuser abgeriegelt, Angehörige, Freunde und Ehrenamtliche durften nicht mehr zu Besuch kommen. Fürchten Sie, dass im zweiten Lockdown wieder solche Verbote kommen?
Ich hoffe sehr, dass es dieses Mal anders geregelt wird. Noch sind die neuen Regeln nicht ausdifferenziert. Im ersten Lockdown war zwar die palliativ-medizinische Betreuung möglich, doch die psychosoziale wurde untersagt. Es ist sehr, sehr tragisch, allein im Krankenhaus oder allein in Pflegeheimen sterben zu müssen.

Diejenigen, die solche Entscheidungen treffen, sollten sich vorstellen, wie es ist, ganz allein dazuliegen, umgeben von weißen Wänden und seinen Fantasien und Ängsten alleine ausgeliefert zu sein. Ob sie dann immer noch der Überzeugung sind, dass menschliche Nähe nicht systemrelevant ist? Natürlich kommt ab und zu eine Pflegekraft vorbei, aber wir dürfen nicht glauben, dass sie das puffern können.

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