Münchner Heli-Ärzte: Sie retten Menschen nach einem Schlaganfall

Insgesamt 400 Mal sind die Spezialisten aus Harlaching bereits zu Schlaganfall-Patienten ins Umland geflogen. Bald werden sie täglich in Rufbereitschaft sein. Ärzte und Patienten über eine "medizinische Revolution".
von  Nina Job
Wilhelm Bruckbauer aus Rosenheim (l.) und Gertl Schwarzenberger aus Lenggries (r.) sind von fliegenden Ärzten aus München gerettet worden. Einer von ihnen ist Thomas Witton-Davis (Mitte r.).
Wilhelm Bruckbauer aus Rosenheim (l.) und Gertl Schwarzenberger aus Lenggries (r.) sind von fliegenden Ärzten aus München gerettet worden. Einer von ihnen ist Thomas Witton-Davis (Mitte r.). © Foto: Daniel von Loeper

München - Es war am 15. Dezember vergangenen Jahres. Wilhelm Bruckbauer aus Rosenheim wollte ein paar Zweige schneiden im Garten, vom Lieblingsbusch seines Urenkels Emil (2).

Bei einer Schnitzeljagd sollte der Kleine erraten, woher sie stammen. Als der Urgroßvater die Gartenschere wieder einpacken wollte, stellte er fest: "Ich bringe die nimmer nei." Und: Er konnte nicht mehr verständlich sprechen. Seine Frau stellte entsetzt fest: "Ich kann den Opa nimmer verstehen!" Da ihr Mann 2014 schon einen Schlaganfall erlitten hatte, wusste sie sofort, was zu tun war. Sie rief ihrer Tochter zu: "Ruf sofort den Notarzt! Sag, es ist ein Schlaganfall."

Ärzte in verschiedenen Kliniken vernetzen sich und tauschen sich fachlich aus

Was dann begann, war ein Wettlauf mit der Zeit. Bis zu 1,9 Millionen Nervenzellen sterben bei einem Schlaganfall pro Minute ab. Oft bleiben langanhaltende Behinderungen zurück.

Das ist alles an Equipment, was die fliegenden Ärzte brauchen.
Das ist alles an Equipment, was die fliegenden Ärzte brauchen. © Foto: Daniel von Loeper

Auf dem Land, wo große Kliniken häufig weiter entfernt und zudem nicht immer die richtigen Spezialisten greifbar sind, sind Betroffene oft im Nachteil. Deshalb haben sich Kliniken in sogenannten Stroke Units zusammengeschlossen. In den Spezialeinheiten für Schlaganfall-Patienten werden die Betroffenen fachübergreifend behandelt. Ärzte in verschiedenen Kliniken vernetzen sich, tauschen sich fachlich aus.

Bei einer Thrombektomie wird das Gerinnsel entfernt

Bei schweren Fällen müssen Spezialisten und Patienten schnell zusammenkommen. Deshalb fliegen Experten des Harlachinger Krankenhauses seit 2018 zum Patienten, sie nehmen einen lebensrettenden Eingriff vor: Bei der sogenannten Thrombektomie wird das Gerinnsel entfernt.

Gaudi: Die Patienten spielen fürs Foto mit ihrem Arzt Tischtennis.
Gaudi: Die Patienten spielen fürs Foto mit ihrem Arzt Tischtennis. © Foto: Daniel von Loeper

Eine Studie, die vor wenigen Tagen in dem renommierten Fachjournal Jama über das Pilotprojekt "Flying Intervention Team" (FIT) des Klinikums Harlaching veröffentlicht wurde, belegt: Mit dem Flug zum Patienten werden rund 90 Minuten Zeit gewonnen werden.

Wilhelm Bruckbauer wurde im Dezember sofort mit dem Sanka ins Krankenhaus Rosenheim gebracht - sie ist eine von 15 Partnerkliniken der München Klinik Harlaching.

"Etwa eineinhalb Stunden nach dem Schlaganfall wurde ich kontaktiert", berichtete Neuroradiologe Thomas Witton-Davis, einer der sechs fliegenden Heli-Ärzte aus Harlaching, am Montag. Der Arzt und seine Kollegen im Schlaganfallteam entschieden anhand von Untersuchungen und CT-Bildern des Patienten in Rosenheim: "Wir fliegen!"

"Wie gut, dass wir in einer Zeit leben, in der die Technik so weit ist"

Auf dem Gelände im Klinikum Harlaching ist ein ADAC-Hubschrauber für diesen Zweck stationiert. Nur Minuten nach der Entscheidung hob Witton-Davis zusammen mit dem medizinisch-technischen Radiologieassistenten Mahmoud Idris ab. Derweil wurde Wilhelm Bruckbauer bereits auf den Eingriff vorbereitet. "Diese parallelen Abläufe sparen wertvolle Zeit", sagt Projektleiter Gordian Hubert.

"Ich bin wieder gut beinand", sagt Wilhelm Bruckbauer heute. "Ein oder zwei Monate hat's gedauert, dann konnte ich wieder Radl fahren." Auch Gertl Schwarzenberger, die im März 2021 von einem Heli-Doktor operiert wurde, fühlt sich wieder fit. "Ich bedanke mich jeden Tag beim lieben Gott. Wie gut, dass wir in einer Zeit leben, in der die Technik so weit ist."

Wegen des großen Erfolges der fliegenden Schlaganfallärzte wird das Projekt erweitert: Ab Juni ist das Team nun täglich von 8 bis 22 Uhr in Einsatzbereitschaft.

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