Münchner Helfer: Einsatz im Ebola-Gebiet
München / Monrovia - Anfang der Woche hat die Allgäuer Hilfsorganisation „humedica“ einen Transportflug nach Liberia geschickt. An Bord: 45 Tonnen Equipment für den Kampf gegen Ebola, die Stollberger Ärztin Sabine Kirchner (55) und der Münchner Raphael Marcus (32). Die AZ hat den Nothilfe-Experten in der Region Grand Cape Mount erreicht.
AZ: Herr Marcus, Liberia ist das Land, in dem Ebola am schlimmsten wütet. Laut WHO gibt es dort 3700 bestätigte und Verdachtsfälle. 2000 Menschen sind gestorben. Wie ist die Situation vor Ort?
RAPHAEL MARCUS: Es ist noch so vieles unklar, auch für uns Helfer. Man merkt einfach, dass wir es mit einer Situation zu tun haben, die es so noch nicht gab und dass auch einheitliche Richtlinien fehlen. Ich komme zum Beispiel gerade aus einem Meeting, in dem wir uns lange mit der Frage beschäftigt haben: Wie definiert man „Kontakt mit einem Infizierten“? Wenn jemand kurz in einem Restaurant hält – betrifft das dann alle Leute, die dort waren? Nur die, mit denen er am Tisch saß? Oder auch die, die er begrüßt hat?
Sonst helfen Sie bei Naturkatastrophen – jetzt kämpfen Sie gegen eine Krankheit.
Das hier ist etwas vollkommen Anderes. Es ist sehr schwierig, sich ein Bild sowohl von der Situation als auch von der Hilfe zu machen. Bei einer Naturkatastrophe kommen wir an und behandeln die Leute. Da ist ganz klar, was jeder Arzt machen muss. Hier sieht auf den ersten Blick alles normal aus. Man sieht nichts von der Katastrophe, man hört nichts. Es gibt keine Zerstörung, die Infrastruktur steht. Das ist neu – und fast ein bisschen skurril.
Wie reagiert die Bevölkerung auf Sie?
Die Menschen sind froh, dass Hilfe kommt. Aber man muss bedenken, dass wir nur wenig mit den Leuten in Berührung kommen. Wir bewegen uns meist mit dem Auto von Ort zu Ort. Und die ABC-Regel „Avoid body contact“ („Vermeiden Sie Körperkontakt!“, d. Red), die besagt, dass man niemanden anfasst, sich nicht die Hand gibt und zwei Meter Abstand hält, führt dazu, dass eine gewisse Distanz besteht und man schwierig ins Gespräch kommt.
Was wissen die Menschen in Liberia eigentlich über Ebola?
Sie wissen alle davon. Ob sie auch alle Details kennen, kann ich nicht sagen. Aber es hängen überall Plakate, die vor der Krankheit warnen. Vor jedem Laden, selbst wenn es nur eine kleine Hütte ist, steht ein Eimer mit Chlorwasser, damit man sich die Hände reinigen kann. Überall wird einem das Fieber gemessen: heute schon drei Mal auf der Fahrt hierher.
Wie läuft das ab?
Es gibt alle paar Kilometer Straßensperren, an denen man sich die Hände waschen muss und anschließend wird die Körpertemperatur gemessen. Das passiert hier wirklich andauernd – auch jedes Mal, wenn, man irgendwo rein oder raus will. Die Leute machen das aber ohne Umstände mit. Vor welchen Herausforderungen stehen NGOs in Liberia? Es mangelt an Kommunikation und an der Koordinierung der Hilfsmaßnahmen, es fehlen Behandlungszentren. Ich habe gerade an die „humedica“-Zentrale in Kaufbeuren weitergegeben, dass sie versuchen sollten, als Nächstes nicht nur einen, sondern zwei Container mit Hilfsgütern zu schicken. Der Bedarf ist wirklich groß.
„Humedica“ bereitet weitere Hilfstransporte für Westafrika vor.
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humedica e. V.
Stichwort „Ebolahilfe“
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