Münchner Freiheit: Abrakadabra im Untergrund

MÜNCHEN - Mit Spiegeln an der Decke und blau erleuchteten Pfeilern will Lichtdesigner Ingo Maurer Zauber in den Bahnhof bringen - und stellt einfahrende U-Bahnzüge mit samt Fahrgästen auf den Kopf.
Das Schauspiel wiederholt sich 700 Mal am Tag: Wenn eine U-Bahn ankommt, richtet sich der Blick der wartenden Fahrgäste fast zwangsläufig nach oben. Dort ist eine Spiegelung des einfahrenden Zugs zu sehen. Man schaut von unten aufs Dach, sieht in den Fenstern auf dem Kopf stehende Passagiere in der Zeitung lesen. Willkommen in Münchens jüngstem alten U-Bahnhof an der Münchner Freiheit. Das 38 Jahre alte Gemäuer wird am Wochenende nach 20-monatigem Umbau offiziell wieder in Betrieb genommen. In knalligem Gelb und magischem Blau, gestaltet von Lichtdesigner Ingo Maurer.
Obwohl: Außer Betrieb war der Umschlagplatz für täglich rund 50000 Kunden der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) eigentlich keinen Tag. Drum hat es auch ziemlich lange gedauert, die für die Verschönerungs- und Modernisierungsaktion nötigen 20 Millionen Euro zu verbauen.
Wobei verbauen den Aufwand nur unzureichend beschreibt. Vor allem, weil in die neue Münchner Freiheit eine dicke Portion künstlerisches Herzblut eingeflossen ist. Der Schwabinger Maurer wollte „eine klare Antwort auf das schaffen, was vorher war: absolute Tristesse“. Dass sich mancher Münchner zunächst am neuen Pepp im Untergrund stören wird, nimmt der Lichtkünstler billigend in Kauf. Er preist begeistert das Zusammenspiel der „wunderbaren Farbe Blau“ an den 28 Säulen, der gelben Wände und der verspiegelten Decken, sieht im U-Bahnhof „eine moderne Kathedrale“. In der soll sich der Besucher wohl fühlen, durch die leicht surreal beleuchteten Pfeiler soll er „angeturnt“ werden. Wie er denn diesen ganz speziellen Effekt hinbekommen hat, mag Ingo Maurer nicht verraten: „Das ist unser Geheimnis, das ist Abrakadabra.“ Man könnte auch LED-Leuchten sagen.
Rundum mit rechten Dingen und nicht mit Zauberei ging es bei den technisch nötigen Arbeiten unter der Münchner Freiheit zu. Ein dicker Aufgabenkatalog musste abgearbeitet werden, um die Halte-station von U3 und U6 nach fast vier Jahrzehnten wieder auf einen modernen Stand zu bringen. „Bis auf die Gleise wurde seit Mai 2008 fast alles erneuert“, sagt MVG-Chef Herbert König.
1900 spiegelnde Deckenverkleidungsteile wurden montiert, 120 quadratische Lichtkassetten über die Decke verteilt. Den Boden bedeckt heller Naturstein, die Bahnsteige wurden neu möbliert und erhöht, damit die Fahrgäste ebenerdig zusteigen können.
Neue Einrichtungen für Sehbehinderte und Blinde, massiv verbesserte Sicherheits-Zutaten wie Brandmelder und Sprinkler, frei stehende Notrufsäulen und das neue Leit- und Informationssystem: Der U-Bahnhof Münchner Freiheit ist jetzt so fit wie ein Neubau.
Das gilt auch für das zuletzt reichlich versiffte Sperrengeschoss, aus dem sämtliche dunklen Ecken radikal weggeplant wurden. Wichtig für die MVG ist die Tatsache, dass die Verkaufsfläche um 15 Prozent auf 1250 Quadratmeter vergrößert wurde. Herbert König: „Das bringt mehr Mieteinnahmen. Und die brauchen wir dringend.“
Auch in dem ersten Untergeschoss haben die Bauherren auf Transparenz gesetzt, sämtliche Ladenfronten bestehen komplett aus Glas. Zeitungskiosk, DM-Markt, Bäckerei, Apotheke, Imbiss- und Kaffee-Shop, ein Handyladen und sogar ein Kosmetikstudio und ein Schmuckladen sind eingezogen. Wenn am kommenden Wochenende offiziell Einweihung gefeiert wird, präsentiert sich die Münchner Freiheit oben wie unten völlig neu.
Die hypermoderne Trambahn-Endstation und die knackig-frische U-Bahnstation geben dem lange vernachlässigten Schwabinger Platz eine ganz neue Wertigkeit. Dem Monaco Franze alias Helmut Fischer, dessen Statue vor dem Café Münchner Freiheit über seinen Platz wacht, hätte die Auffrischung vermutlich gut gefallen. MVG-Chef Herbert König ist stolz auf das Geleistete – und stößt einen Seufzer der Erleichterung aus: „Die Bauarbeiten waren bekanntlich nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig . . .“
Rudolf Huber