Münchner Forscher warnen: Gletscher "in bedauerlichem Zustand"

Wieder ein heißer Sommer. Die letzten Gletscher Deutschlands schmelzen immer schneller. Experten geben ihnen nur noch einige Jahre. An der Zugspitze könnte es auch Folgen für die Skisaison geben.
Sabine Dobel, dpa |
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Sonne setzt dem Nördlichen Schneeferner zu. (Archivbild)
Matthias Balk/dpa 9 Sonne setzt dem Nördlichen Schneeferner zu. (Archivbild)
Das Abschmelzen könnte Folgen für den Skibetrieb haben. (Archivbild)
Matthias Balk/dpa 9 Das Abschmelzen könnte Folgen für den Skibetrieb haben. (Archivbild)
Vom Blaueisgletscher ist nicht viel übrig. (Archivbild)
Matthias Balk/dpa 9 Vom Blaueisgletscher ist nicht viel übrig. (Archivbild)
Der Höllentalferner könnte sich noch am längsten halten. (Archivbild)
Matthias Balk/dpa 9 Der Höllentalferner könnte sich noch am längsten halten. (Archivbild)
Experten geben dem Watzmanngletscher nur noch wenige Jahre. (Archivbild)
Angelika Warmuth/dpa 9 Experten geben dem Watzmanngletscher nur noch wenige Jahre. (Archivbild)
Am Nördlichen Schneeferner lag bis in den Juli Altschnee und ließ den Gletscher größer aussehen. (Archivbild)
Angelika Warmuth/Matthias Balk/dpa 9 Am Nördlichen Schneeferner lag bis in den Juli Altschnee und ließ den Gletscher größer aussehen. (Archivbild)
Saharastaub hatte vor allem im Sommer 2022 das Eis dunkler aussehen lassen. (Archivbild)
Angelika Warmuth/dpa 9 Saharastaub hatte vor allem im Sommer 2022 das Eis dunkler aussehen lassen. (Archivbild)
Der Höllentalferner könnte am längsten bestehen bleiben. (Archivbild)
Angelika Warmuth/Matthias Balk/dpa 9 Der Höllentalferner könnte am längsten bestehen bleiben. (Archivbild)
Auch der Blaueisgletscher hat den Prognosen nach nur noch wenige Jahr. (Archivbild)
Angelika Warmuth/Matthias Balk/dpa 9 Auch der Blaueisgletscher hat den Prognosen nach nur noch wenige Jahr. (Archivbild)
Garmisch-Partenkirchen

München - Wieder heiß: Einmal mehr war der Sommer weltweit extrem. Einmal mehr schauen Wissenschaftler mit Sorge auf die dahinschmelzenden Gletscher. In den nächsten Jahren werden die vier letzten deutschen Gletscher nacheinander ihren Status als Gletscher verlieren, so die Prognose. In gut zehn Jahren dürfte Deutschland gletscherfrei sein.

Heißer Sommer: Das ehemals "ewige Eis" hat einmal mehr gelitten

Noch gibt es keine aktuellen Messungen des Eises. Gegen Ende September wollen Wissenschaftler mit Drohnen die Gletscher befliegen und Fläche und Volumen neu bestimmen. Zwar gab es im vergangenen Winter viel Schnee in der Höhe, der das Eis teils bis weit in den Sommer etwas schützte. Dem gegenüber stand aber insbesondere ein sehr heißer August. Schon jetzt ist klar: Das ehemals "ewige Eis" hat einmal mehr gelitten. 

Klimawandel zeigt sich in den Bergen deutlich

Der Nördliche Schneeferner an der Zugspitze etwa sei "in einem bedauerlichen Zustand", sagt der Glaziologe und Geograf der Hochschule München, Wilfried Hagg. "Die Oberfläche ist weiter stark eingesunken und ein Felsriegel in der Mitte ist stark angewachsen, er droht, den Gletscher in den nächsten Jahren von oben her in zwei Eisflecken zu zerteilen."

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Bis Ende des Jahrzehnts, so die Einschätzung der Forscher, wird der Nördliche Schneeferner kein Gletscher mehr sein. Früher wird es demnach den Watzmann- und den Blaueisgletscher bei Berchtesgaden treffen. Die Prognose hier sind noch zwei oder drei Jahre. Nur der Höllentalferner dürfte länger überleben ungefähr bis 2035.

Gletschersterben: Mehr Steinschlag, größere Randspalten zwischen Eis und Fels

Vor zwei Jahren hatten Wissenschaftler dem Südlichen Schneeferner den Status als bis dahin fünftem deutschem Gletscher aberkannt. Unter anderem floss er nicht mehr – ein Kriterium für die Einordnung als Gletscher.

Der Klimawandel zeigt sich gerade in den Bergen deutlich; das Abschmelzen der Gletscher gilt als Indikator für die globale Erwärmung. Für Bergsteiger bedeutet das: Steinschlag nimmt zu, Randspalten zwischen Eis und Fels werden größer – so etwa am Höllentalferner als einer der beliebten Aufstiege zur Zugspitze.

Heißester August seit Messbeginn an der Zugspitze

An der 2962 Meter hohen Zugspitze verzeichneten die Wissenschaftler laut Hagg den zweitwärmsten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1901. Nur 2003 sei es 0,2 Grad wärmer gewesen. "Es war mit Abstand der heißeste August seit Messbeginn an der Zugspitze und der erste Monat, an dem es auf dem höchsten Berg Deutschlands keine negativen Temperaturen gab. Das heißt, der Nördliche Schneeferner schmolz einen Monat lang komplett durch, Tag und Nacht", sagt Hagg. 

Am Nördlichen Schneeferner lag bis in den Juli Altschnee und ließ den Gletscher größer aussehen. (Archivbild)
Am Nördlichen Schneeferner lag bis in den Juli Altschnee und ließ den Gletscher größer aussehen. (Archivbild) © Angelika Warmuth/Matthias Balk/dpa

"Der Nördliche Schneeferner hat auch in diesem Sommer enorm an Volumen eingebüßt", sagt auch Laura Schmidt, Sprecherin der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus, die aus dem Fenster direkt auf die Gletscherreste blickt. Es gehe ein Landschaftsbild verloren. "Vor allem ist uns aufgefallen, dass sich der obere Bereich an den Liftstützen löst und inzwischen viel Fels zum Vorschein kommt. Die dunkle Fläche aus Gestein und Schutt trägt weiter zum Schmelzen durch Absorption bei."

Auswirkung auf Skibetrieb 

Das Abschmelzen könnte Auswirkungen auf den Skibetrieb am Zugspitzplatt haben. Für den Platt-Schlepplift gebe es Überlegungen, ob er überhaupt noch in Betrieb genommen werden sollte, sagt die Sprecherin der Bayerischen Zugspitzbahn, Verena Tanzer. "Es wird noch vor der Saison intensive Gespräche dazu geben. Wir schauen uns das ganz genau an." Etwa der Ausstieg am Lift sei inzwischen extrem steil. Der Hang war oben früher eine leichte blaue Piste, nun ist er schwarz, also: schwer. Etwas für Könner.

Schon 2018 waren Höllentalferner und Nördlicher Schneeferner als größte deutsche Gletscher mit 16,7 und 16,1 Hektar nur noch knapp halb so groß wie das Oktoberfestgelände. Der Nördliche Schneeferner schrumpfte seitdem laut den bisher letzten Messungen durch Forscher der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (BAdW) und der Hochschule München auf etwa 13 Hektar. An der dicksten Stelle hatte er noch etwa 20 Meter. 

Gletscher werden dünner: Blaueisgletscher schrumpft auf 4,2 Hektar

Er verlor binnen fünf Jahren rund sieben Meter im Mittel an Dicke, der höchste Wert der Beobachtungsreihe seit 1892, wie der Hagg berichtet. "2030 könnte er so klein und so dünn sein, dass es keine Eisbewegung mehr gibt." Und er damit nicht mehr als Gletscher gilt.

Auch der Blaueisgletscher hat den Prognosen nach nur noch wenige Jahr. (Archivbild)
Auch der Blaueisgletscher hat den Prognosen nach nur noch wenige Jahr. (Archivbild) © Angelika Warmuth/Matthias Balk/dpa

Der Watzmanngletscher hielt sich relativ gut, er hatte zuletzt noch 4,7 Hektar, nach 4,8 Hektar im Jahr 2018. Er ist zu fast 50 Prozent von Schutt bedeckt, der ihn vor der Sonneneinstrahlung schützt. Der Blaueisgletscher hingegen, obwohl eher schattig gelegen, schrumpfte von 5,2 Hektar auf 4,2 Hektar.

Der Höllentalferner liegt in einer Mulde und wird im oberen Teil durch Lawinen gespeist. Er ist laut Hagg der einzige deutsche Gletscher, der wenigstens oben noch Zuwachs verzeichnet, auch wenn das die Verluste nicht ausgleicht.

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass er am längsten bestehen wird - vielleicht bis 2035. So lautet die vorsichtige Prognose des Glaziologen Christoph Mayer von der BAdW, der mit Hagg für die Staatsregierung die bisherigen Gletscherberichte erstellte. Übrig bleiben wird eine Weile noch Toteis. "Es ist absehbar – so langsam geht es dem Ende zu", sagte Mayer kürzlich.

Gletscherschmelze: Sonne und Temperatur wesentliche Faktoren

Haupttreiber der Schmelze sind Sonne und Temperatur, auch warmer Regen und Luftfeuchtigkeit spielen eine Rolle. In Frankreich, Italien, Österreich und der Schweiz steht es ebenfalls nicht gut um die Gletscher. Auch dort wird laut Hagg erst Ende September Bilanz gezogen. Mitte August habe es auch hier Rekordwerte bei den Schmelzraten gegeben.

Weitreichende Konsequenzen etwa für den Wasserhaushalt hat der Verlust der deutschen Gletscher nicht, sie sind zu klein. Anders bei den großen Gletschern in den anderen Alpenländern. Dort drohen Folgen für die Wasserversorgung, sagt Hagg. Bisher speiste Schmelzwasser aus dem Eis die Flüsse, wenn es heiß und trocken war und Regen fehlte. "Mit dem Eis haben sie einen zweiten "Wasserhahn", die Gletscher wirken regulierend." Die Schwankung der Wassermenge in den Flüssen nähme zu, wenn Pegelstände nur vom Regen abhängen. Die Folgen werden auch die Deutschland zu spüren sein, am Rhein etwa, oder am Inn bis hin zur Donau.

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  • Bongo am 10.09.2024 09:18 Uhr / Bewertung:

    Antwort an Da Ding:
    „China ist ein gutes Beispiel“. Mit Verlaub, so viel Unsinn ist schon beinah amüsant zu lesen!
    Wir strampeln uns wegen der Klimarettung ab und bilden uns ein, mit unserem kleinen Anteil das Weltklima retten zu müssen,während China, mit 31% CO2 Ausstoß, diesen sogar noch steigern darf, ebenso ein Land wie Indien. Diese Länder bauen also auf Kosten des Klimas in den nächsten Jahren ihrewirtschaftliche (und damit auch politische Stellung) weiter aus. Aber was soll’s, ein Versprechen bis 2060 klimaneutral zu sein, reicht doch vollkommen aus, gell.
    Und nochmals zu Marokko: Dieses Land für uns Vorbild hinzustellen,ist doch geradezu lächerlich,weil die Dichte der Bevölkerung, die Wirtschaftskraft, die klimatischen Bedingungen etc. überhaupt nicht vergleichbar sind!
    Aber wenn’s Ihnen guttut, träumen Sie halt ihre grünenTräume weiter!

  • Bongo am 09.09.2024 20:47 Uhr / Bewertung:

    Antwort an den wahren Tscharlie:
    Bitte folgendes zur Kenntnis nehmen: Handelsblatt vom 11.4.23: „Soviele deutsche Firmen wie seit 15 Jahren nicht wandern aus Kostengründen ab“.Das ist das Ergebnis grüner Wirtschaftspolitik!

  • Da Ding am 09.09.2024 23:14 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Bongo

    Was sind denn die Beispiele für grüne Wirtschaftspolitik?
    Ist das vielleicht die Bemühung zum Bürokratieabbau, oder die Investitionen in die Infrastruktur, die Bekämpfung des Fachkräftemangel oder gar Subventionen wie vergünstigter Industriestrompreis?
    Oder darf ich wieder irgendwelche AfD-Wähler nach ihrer persönlichen Meinung fragen? Oder braucht man da diese Bauernschläu äh „gesunden Menschenverstand“?

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