Münchner Filme zur NS-Zeit: Zwischen Propaganda und Ablenkung

Die zweite Folge der AZ-Serie über das 100-jährige Jubiläum der Bavaria Filmstadt zeigt die Entwicklung Münchner Filme zur Zeit der Nationalsozialisten.
von  Sven Geißelhardt
© Archiv Bavaria Film

München - Mit der Machtergreifung 1933 erkannten die Nationalsozialisten schnell die Möglichkeiten, die das Medium Film ihnen ermöglichte. Die ein Jahr zuvor gegründete "Bavaria Film AG" mit ihren Studiohallen im Grünwalder Ortsteil Geiselgasteig bot sich als idealer Standort für Propaganda- und Heimatfilme an.

Im April 1933 entstand auf dem Bavaria-Gelände mit "SA-Mann Brand" der erste Propagandaspielfilm des Dritten Reichs. Erzählt wurde darin die Geschichte des SA-Mannes Fritz Brand, der seinen Vater und seine Freundin von der Politik der Nationalsozialisten überzeugen will.


"Nationalen Kitsch", nannte Joseph Goebbels den Film „SA-Mann Brand“, 1933 gedreht in Geiselgasteig. Foto: Archiv Bavaria Film

Münchner Propagandafilm fällt bei Kritikern und Goebbels durch

Allerdings kam er beim Publikum nicht an und fiel auch bei den Kritikern durch. Die Zeitschrift "Der Film", Ausgabe vom 17. Juni 1933, schrieb, der Film sei "nicht ein Stück Zeitgeschichte, sondern ein Filmgemisch aus jüngster Vergangenheit, das dazu angetan ist, dem Beschauer, der heute noch abseits der Bewegung steht, vor allem aber der heranwachsenden Jugend, ein falsches Bild von den politischen Soldaten Adolf Hitlers zu geben!" Selbst Propaganda-Minister Joseph Goebbels empfand diese filmische Darstellung des aufkommenden Dritten Reichs als plump und verfügte, diesen "nationalen Kitsch" zu unterlassen.

Thema der Bavaria-Filme zur NS-Zeit: Schöne, heile Welt

Auf dem Gelände der "Bavaria Film AG" wurden mit "Der Flüchtling aus Chicago" (1934) und "Dreizehn Mann und eine Kanone" (1938) zwar weitere klassische Propagandafilme gedreht, doch die Produktionen des Dritten Reichs verlagerten sich mehr auf schöne und unpolitische Heimatfilme. Zur Ablenkung sollte der Bevölkerung eine heile Welt vorgegaukelt werden. Die Bavaria erlebte mit diesen Unterhaltungsfilmen in den Folgejahren eine Hochkonjunktur. Die großen Stars der 30er und 40er Jahre wie Heinz Rühmann, Hans Albers oder Johannes Hesters waren in dieser Zeit zu Gast in Geiselgasteig.

Eine Produktion der Bavaria bekam von den Nationalsozialisten allerdings ein Aufführungsverbot. Der Kurzfilm-Klassiker "Die Erbschaft" (1936) mit Karl Valentin und Liesl Karlstadt in den Hauptrollen wurde aufgrund von "Elendstendenz" verboten. Darin spielten die beiden ein armes Ehepaar, das aufgrund einer falschen Erbschaft alles verliert, was es noch besitzt. Erst 1976 wurde der Film wieder öffentlich einem Publikum präsentiert.

Finanzielle Schwierigkeiten trotz guter Auftragslage

Im Sommer 1936 geriet die "Bavaria Film AG" in finanzielle Schwierigkeiten und musste Mitarbeiter freistellen. Drei davon wollten das aber nicht hinnehmen und drehten auf Eigeninitiative den mit Krediten und eigenem Geld finanzierten Film "IA in Oberbayern". Die Produktion entwickelte sich zum Überraschungserfolg und spielte 15 Millionen Mark ein. Damit war der Betrieb vorerst gerettet, doch der Erfolg hielt nicht lange an. Aufgrund der politischen Situation verringerte sich der Absatz der Produktionen im Ausland und so musste die "Bavaria Film AG" im Frühjahr 1937 die Zahlungen einstellen.

Am 11. Februar 1938 wurde mit politischer Unterstützung die "Bavaria Filmkunst GmbH" gegründet. Bis Kriegsende wurde die neue Firma von Berlin aus gesteuert. Die neue Studioleitung hatte mit dem Gelände große Pläne. Die sogenannte "Lechner-Planung" sah vier große Studios, drei kleine Studios, ein Haus für Tontechnik und ein Haus mit vier Vorführräumen vor. Wegen der Kriegsereignisse konnte dieses gigantische Vorhaben aber nicht umgesetzt werden. Nur ein Verwaltungsgebäude, ein Vorführ- und Schneidehaus und ein provisorisches Studio wurden errichtet, Letzteres existiert nach wie vor.

Bis Kriegsende wurden mit Produktionen wie "Hauptsache glücklich" (1940, mit Heinz Rühmann), "Komödianten" (1941, mit Käthe Dorsch) oder "Kohlhiesels Töchter" (1943, mit Paul Richter) zahlreiche "beschwingte" Durchhaltefilme gedreht. 1942 wagte man sogar einen vorsichtigen Schritt in Richtung des Farbfilms. Der Fußball-Film "Das große Spiel" wurde zwar überwiegend in Schwarzweiß gedreht, enthielt aber auch Farbsequenzen. Mit 1,6 Millionen Reichsmark Produktionskosten hatte der Film bis April 1943 3,28 Millionen Reichsmark eingespielt und galt damit als großer Kassenerfolg.

Kriegsende 1945: Ein Filmverbot für die Bavaria Film

Nach Kriegsende wurde das unversehrte Bavaria-Gelände den Amerikanern überstellt. Angeblich soll beim Eintreffen der amerikanischen Panzer noch gedreht worden sein. In den Folgejahren war es der "Bavaria Filmkunst GmbH" untersagt, eigene Filme zu drehen.

Es durften lediglich die Studios an andere Produktionsfirmen vermietet werden. Weil das Gelände und die technischen Gebäude vom Krieg verschont geblieben waren, konnte sich die Bavaria trotzdem über viele Vermietungsanfragen freuen.

Besonders der Bereich der Nachsynchronisation ausländischer Filme boomte. Das Gelände verfügte damals bereits über ein Synchronstudio und war über Wochen hinweg ausgebucht. "Die seltsame Geschichte des Brandner Kaspar", die erste eigene Bavaria-Produktion nach Kriegsende, wurde erst 1949 gedreht.

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