Münchner Fasching 1972: Einzug mit Kamel und Esel

In München gibt es traditionsreiche Faschingsgesellschaften, auch für sie wandelt sich der Fasching. Zwei Vertreter erzählen, wie es damals war und was heute anders ist.
von  Myriam Siegert, Paul Nöllke
1958: Carolin Reiber als Prinzessin.
1958: Carolin Reiber als Prinzessin. © Narrhalla

München - Rolf Rossius war im Olympiajahr 1972 Faschingsprinz – in der AZ erinnert er sich an eine besondere Zeit:

Im Herbst 1971 wurde ich für das olympische Jahr 1972 von der Narrhalla zum Münchner Faschingsprinzen gewählt. Das war für mich sehr unerwartet, aber eine große Ehre. Vor mir waren Münchner Größen wie Gustl Annast, der Besitzer des Café Tambosi, oder der Maler Otto Ottler schon Prinzen.

Dazu kam, dass es kein ganz normales Jahr war: Durch die Olympischen Spiele schaute die ganze Welt auf München und interessierte sich nicht nur für den Sport, sondern auch für alles andere, was in München so stattfand. Die Bilder des Faschings gingen damals um die Welt, ein Foto von mir wurde sogar in der New York Times gedruckt.

Einzug mit Kamel und Esel

Es war also wichtig, dass alles gut gelang. Doch gleich zu Anfang gab es ein Problem. Faschingsprinz ist man nie allein, sondern immer mit einer Faschingsprinzessin. Zuerst wurde Elisabeth Dobler zu meiner Prinzessin gewählt, doch in der Silvesternacht 71/72 starb ihr Vater überraschend. Natürlich konnte sie danach den Fasching nicht mehr mitmachen und wir mussten einen Ersatz suchen.

Daraufhin wurde dann Christl Mory meine Faschingsprinzessin, was auch sehr gut funktioniert hat. Das beste Erlebnis der Faschingszeit war für mich der Einzug ins Deutsche Theater, also der Auftakt zum Münchner Fasching. Damals hatten wir aufwendig geschmückte Kamele und Esel dabei, da fühlte man sich wie ein echter König mit seinem Hofstaat. Ein kleiner Esel lief direkt mit uns ein, passend zum Lied "Kleiner Esel, komm doch mit". Dieser Esel sollte sich allerdings später als Problem herausstellen, als er sich auf das Kleid der Faschingsprinzessin erleichterte. Das war dann weniger königlich.

Faschingsprinz vom Löwen geküsst

Ein anderer toller Moment war die Goldene-Zehn-Feier der Abendzeitung. Die fand damals im Circus Krone statt und als Faschingsprinz sollte ich in der Manege auftreten. Ich durfte mir aussuchen, was ich machen wollte. Ich entschied mich für einen Auftritt mit den Löwen. Wie oft hat man im Leben schon die Möglichkeit, mit echten Löwen aufzutreten?

Wo Fassbinder, Moshammer und Freddie Mercury feierten

Der Auftritt war ein voller Erfolg. Am Ende jedoch kam einer der Löwen direkt auf mich zu und legte mir seine schweren Pfoten direkt auf die Schultern. Das Publikum war entsetzt und dachte, dass jetzt wohl der Faschingsprinz gefressen wird. Dann jedoch leckte mir der Löwe einmal quer über das Gesicht. Seitdem weiß ich, wie rau eine Löwenzunge ist, und auch, dass der Mundgeruch eines solchen Tieres nicht zu unterschätzen ist. Zumindest kann ich jetzt aber sagen, dass ich mal von einem Löwen geküsst wurde.

Es gibt so viele Geschichten zum Münchner Fasching. Der Fasching ist ja auch immer eine sehr amouröse Zeit, da muss man sich nur mal die Geburtenraten neun Monate später anschauen.

Olympia-Attentat: Tragisches Ende eines schönen Festes

Rund um die Olympischen Spiele hatten wir natürlich auch viele Auftritte. Am Morgen des 5. September waren wir im Olympischen Dorf, um die Athleten zu unterhalten, als wir plötzlich Schüsse hörten. Später stellte sich heraus, dass diese vom Olympia-Attentat stammten. Wir waren damals bei den kanadischen und australischen Athleten, die mussten wir zurückhalten, denn als sie erfuhren, was passierte, wollten sie sich unbewaffnet auf den Weg zum Ort des Attentats machen, um ihren israelischen Kollegen zu helfen.

Das war ein sehr tragisches Ereignis, damals war keiner auf Terrorismus vorbereitet. Das warf natürlich einen Schatten auf die Spiele. Davon abgesehen war es eigentlich ein sehr schönes Fest, welches eigentlich der Beginn der Moderne in München war.

Im Fasching heute hat sich vonseiten der Narrhalla eigentlich wenig geändert. Es gibt immer noch viele tolle Bälle und Veranstaltungen. Aber das Publikum hat sich verändert. Viel konzentriert sich auf die letzten Tage des Faschings und durch Handys und soziale Medien ist es auch anders, wie Leute den Fasching erleben. Trotzdem bin ich ein Verfechter unseres Faschings. Heute wie damals ist es ein tolles Münchner Brauchtum.

Protokoll: Paul Nöllke

Münchner Faschings-Promis

Schon seit 1839 gibt’s die Narrhalla: Als älteste Münchner Faschinggesellschaft darf sie das offizielle Münchner Faschingsprinzenpaar stellen. Und da waren über die Jahre so einige Prominente dabei. Moderatorin Carolin Reiber zum Beispiel, die heuer ihr Prinzessinnen-Jubiläum feiert.

Exakt 60 Jahre ist es her, dass sie das Krönchen trug: 1958 wurde sie mit zarten 15 Jahren jüngste Münchner Faschingsprinzessin. Damals hatte Reiber aber schon erste Erfahrungen als Schauspielerin gesammelt. Weil sie noch nicht volljährig war, brauchte sie die Erlaubnis des OBs, um in die Ballsäle zu kommen.

1958: Carolin Reiber als Prinzessin.
1958: Carolin Reiber als Prinzessin. © Narrhalla

Auch Wirt Michi Käfer strahlte einst als Faschingsprinz, in der Saison 1982/83. Prinz Michael der Köstliche hieß er damals. Und auch das Wirte-Ehepaar Margot und Günter Steinberg (Hofbräu-Wiesnzelt und Hofbräukeller am Wiener Platz) war einmal närrische Hoheit. Allerdings nicht gemeinsam.

1982: Michael der Köstliche mit Stefanie I.
1982: Michael der Köstliche mit Stefanie I. © imago/WEREK

Günter Steinberg war 1966 Faschingsprinz, Margot 1969 Prinzessin. Der Fasching brachte die beiden dennoch zusammen: In der Saison 1968, Margot, wurde als Prinzessin vorgestellt, Günter Steinberg saß im Elferrat, funkte es.

1969: Prinzessin Margot.
1969: Prinzessin Margot. © Narrhalla

Oberster Damischer Ritter: So hat sich der Fasching verändert

André Hartmann ist als Herzog Kasimir III. der oberste Damische Ritter. Mit der AZ spricht er über den Fasching und was sich verändert hat.

AZ: Herr Hartmann, Sie sind im wahren Leben Kabarettist und Schauspieler. Was sind Sie bei den Damischen Rittern?
ANDRE HARTMANN: Ich bin Herzog Kasimir III. und als solcher der oberste Ritter. Mein Vorgänger Walter Lindermeier hat das 45 Jahre lang gemacht. Ich mache das heuer in der elften Saison. Eine schöne Faschingszahl. Als Kasimir bin ich die Galionsfigur, die auf dem Pferd beim großen Faschingsumzug vorneweg reitet. Mein Pferd steht allerdings auf einem Wagen. Dahinter kommt mein Gefolge von knapp 50 Rittern und ihren Edelfräulein.

Seit elf Jahren ist er für die Damischen Ritter als Herzog Kasimir III. unterwegs.
Seit elf Jahren ist er für die Damischen Ritter als Herzog Kasimir III. unterwegs. © Daniel von Loeper

Der Umzug, wann findet der statt? An einem festen Termin im Fasching?
Das wäre schön, wenn sich das alles an den Faschingstagen konzentrieren würde, aber unser Umzug ist traditionell immer am Sonntag vorher. Wir haben an die 1000 Mitwirkende. Heuer hatten wir einen neuen Zugweg durch die ganze Fußgängerzone. Da waren 18.000 Zuschauer da.

Wie wird der Faschingszug angenommen? Wird das mehr oder eher weniger?
Wir hatten schwierige Zeiten. Wenn man das vergleicht mit den Hochburgen an Rhein und Main, da kommt keiner aus, da ist das wirklich die fünfte Jahreszeit. In München haben wir seit 20, 30 Jahren eine Entwicklung weg vom Fasching, hier ist einfach die Wiesn die fünfte Jahreszeit. Wir veranstalten auch einen großen Ritterball, immer im Löwenbräukeller. Der war früher zwei Mal hintereinander ausverkauft. Heute kriegen wir ihn leider kaum noch einmal voll. Aber es wird wieder besser, wir waren eine Zeit lang überaltert, haben aber wieder mehr junge Leute, auch wenn man auf die anderen Verbände wie die Narrhalla schaut, ist das so. Aber von nix kommt nix, wir müssen den Leuten immer wieder sagen: Wir sind sinnvoll. Wir sind sozial wichtig. Wir machen den Leuten so viel Freude und das häufig ohne Eintritt.

Hat sich der Fasching vielleicht nur verändert? Die Art zu feiern? Kölner Karnevalspartys zum Beispiel laufen ja in München sehr gut.
Ja, das stimmt. Ich halte das für ein ähnliches Phänomen wie Halloween. Das sind ja sehr laute Feste, sehr dominant, das gefällt vielen. In München sind ja viele mit dem Rheinland verbunden, die sind eine richtige Community. Das Münchnerische dagegen hat noch oft etwas Bierdimpfliges, da herrscht leider noch das Bild vom Stammtischbruder, vom unflexiblen Bayer mit Gamsbart vor.

Und was kann man da tun?
Unseren Faschingsball konnte man heuer außer mit Kostüm auch mit Tracht besuchen, das nennt sich dann Fasching meets Tracht. Wir zeigen, dass wir etwas ändern und uns modernisieren wollen. Man sieht auch schon, dass das ankommt.

Was macht ein Damischer Ritter, wenn er nicht gerade den Umzug oder den Ball vorbereitet?
Wir proben natürlich. Wir haben ein Theaterstück, ähnlich dem Singspiel am Nockherberg, das beim Ball aufgeführt wird und unser Hofballett, das Moosröschenballett, trainiert auch sehr fleißig für seinen Auftritt.

Bleibt das Ritter-Sein auf die Faschingszeit beschränkt?
Ab November geht’s richtig rund. Aber wir sind ein Verein, der sich jede Woche trifft. Wir machen einmal im Jahr eine Reise, im September verleihen wir den Wiesnbierorden an einen verdienten Kabarettisten, es gibt also schon viele Termine.

Alles ehrenamtlich?
Ja, alles ehrenamtlich und mit sehr viel Freude verbunden.

Was wünschen Sie sich für den Münchner Fasching?
Ich wünsche mir, dass die Menschen offen damit umgehen und ihn nicht in die Rubrik "unnötig" stecken. Und auch verstehen, es geht nicht um aufgesetzte Fröhlichkeit, sondern um eine bunte Vielfalt, die in heutigen Zeiten wirklich wichtig ist. Und auch um das Miteinander, um Unterstützung für Schwächere, und auch mal um eine kleine Flucht aus der Realität.

Interview: Myriam Siegert

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