Münchner erzählen: „Handy? Ich kann auch ohne!“

Ein Leben ohne Handy? Für viele nicht mehr vorstellbar. Doch es gibt ein paar Menschen, die nicht immer und überall erreichbar sind und auf SMS verzichten können. Hier erzählen Münchner von ihrem Leben ohne Mobiltelefon.
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Martin Runge
AZ / Imago 4 Martin Runge
Sebastian Schulke
Petra Schramek 4 Sebastian Schulke
Silvia Haas
Gregor Feindt 4 Silvia Haas
Olaf Böhm
AZ / Imago 4 Olaf Böhm

MÜNCHEN - Ein Leben ohne Handy? Für viele nicht mehr vorstellbar. Doch es gibt ein paar Menschen, die nicht immer und überall erreichbar sind und auf SMS verzichten können. Hier erzählen Münchner von ihrem Leben ohne Mobiltelefon.

Dass die gewünschten Gesprächspartner für Journalisten nicht zu erreichen sind, kann sehr verschiedene Gründe haben: weil eine Behörde mauert zum Beispiel, weil eine PR-Lady zickt oder weil der Informant Angst vor Repressionen hat. In diesem Fall hatte die Problematik aber einen ganz anderen, viel banaleren Hintergrund: Wir bekamen sie einfach nicht ans Telefon! Denn alle haben eine Gemeinsamkeit: Sie besitzen kein Handy.

Zum Beispiel die Münchner Heilpraktikerin Silvia Haas, die gerne in der Stadt unterwegs ist und nicht immer in der Nähe ihres Festnetztelefons. Als wir sie dann doch erreichen, lacht die 50-Jährige und erklärt: „Ich finde es ganz schrecklich, wenn man immer erreichbar ist!“

Angesichts von 110 Millionen in Deutschland kursierenden Mobiltelefonen kaum vorstellbar, aber: Nach wie vor gibt es die Spezies der Handyverweigerer. Rund zehn Prozent der Bevölkerung sollen es Umfragen zufolge sein.

Sogar Prominente zählen dazu: der Münchner Wirt Kay Wörsching zum Beispiel. Oder Max Raabe: „Ich lehne diese Art der Kommunikation ab“, sagt der Musiker, dessen größter Hit passenderweise „Kein Schwein ruft mich an“ lautet. „99 Prozent aller Telefonate sind überflüssig“, behauptet Modeschöpfer Karl Lagerfeld gar. Und: „Handys sind etwas fürs Personal.“

Aber wer hat das schon? Und wie meistert man den Alltag, privat und beruflich, ohne ein Mobiltelefon? Vier Münchner haben wir dann doch erreicht, per Mail oder Festnetz. Man muss einfach nur etwas mehr Geduld haben.

J. Lenders, T. Lokoschat

Warum haben Sie kein Mobiltelefon?

Martin Runge (52), Abgeordneter der Grünen im Bayerischen Landtag: „Die gesundheitlichen Auswirkungen von Mobilfunkstrahlung sind noch nicht hinreichend erforscht. Ich verteufele das Handy nicht, aber es gilt einfach, die Handy-Telefoniererei in Grenzen zu halten.

Ich rufe andere auch nur auf ihrem Mobiltelefon an, wenn es wirklich eminent wichtig ist, sie nicht auf dem Festnetz zu erreichen sind und der Anruf nicht lange dauert.

Mir selbst fehlt ein Handy gar nicht. Mit der Handymanie und der dauerhaften Erreichbarkeit kehrt meines Erachtens nur noch mehr Hektik ein in unserer ohnehin schon sehr schnelllebigen Zeit. Auch ist es dadurch zu mehr und mehr Kurzfrist- Verbindlichkeit und Unverbindlichkeit gekommen.“

Sebastian Schulke (36), freier Journalisten: „Ich empfinde es als nervig, immer so ein Ding dabei zu haben. Die Handys werden zwar immer kleiner, aber es reicht mir schon, wenn ich in der Hosentasche Wohnungsschlüssel und Geldbeutel herumtrage. Außerdem brauche ich einfach keins – trotz meines Berufs.

Ich bin noch in der Lage, alle meine Termine zu koordinieren und auch Unvorhergesehenes ohne Mobiltelefon hinzubekommen. Ich weiß, dass das für die Meisten unvorstellbar ist. Aber es klappt. Tatsächlich habe ich noch keinen einzigen Termin verpasst, nur weil ich kein Handy habe. Dafür fällt mir bei vielen Leuten auf, dass sie gar nicht mehr in der Lage sind, ein Treffen verbindlich auszumachen. Immer heißt es: ,Wir können ja dann nochmal telefonieren oder simsen.’“

Silvia Haas (50), Heilpraktikerin und Hausverwalterin: „Ich habe kein Handy, weil ich diesen Strahlen-Salat nicht unterstützen möchte. Nachgewiesen ist, dass die Blut-Hirn-Schranke sich nach zweieinhalb Minuten Gespräch öffnet und dann für mehrere Stunden geöffnet bleibt.

Die Blut-Hirn- Schranke hat die Funktion, dass gewisse Stoffe nicht in den Blutkreislauf des Gehirns gelangen. Welche Folgen das hat, weiß man nicht. Es ist halt immer sehr schwer nachzuweisen, weil jeder Organismus anders reagiert. Ich bin aber definitiv der Überzeugung, dass es gesundheitsschädlich ist.

Ich lebe sehr gut ohne. Ich finde es ganz schrecklich, wenn man immer erreichbar ist. Ich habe bisher auch so überlebt. Handylos zu leben, trägt auf jeden Fall zum Entstressen bei.“

Olaf Böhm (43), Statistiker: „Ich bin schon immer handylos – und das wird sicherlich auch noch eine ganze Weile so bleiben. Wer mich erreichen will, kann es gerne übers Festnetz versuchen, und der AB ist immer aktiv.

Verabredungen halte ich ein, und ichmuss auch nicht fünf Minuten vorher anrufen, dass ich in fünf Minuten da bin. Wochentags ist man eh den ganzen Tag imBüro erreichbar, und wenn daneben tatsächlich einmal etwas ganz Dringendes ansteht, borge ichmir das Handy meiner Frau. Und ein paar Euro fünfzig spart man ja auch noch jeden Monat.

Zu guter Letzt: Es nervt ziemlich, wenn das Gegenüber alle fünf Minuten aufs Handy schaut, ob nicht eine neue SMS eingetrudelt ist, oder ob es im www eine ,wichtige’ Neuigkeit gibt.“

Und was meinen Sie, liebe Leserinnen und Leser? Können Sie sich ein Leben ohne Handy überhaupt vorstellen? Verzichten Sie an manchen Tagen bewusst auf Ihr Mobiltelefon? Eine Auswahl der Kommentare veröffentlichen wir in der Donnerstagsausgabe der AZ.

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