Münchner Domgemeinde: „Wo Menschen sind, gibt’s Schwäche“

Ausgerechnet im katholisch-ordentlichen Bayern: Die Münchner Domgemeinde ist von dem Missbrauchsskandal schockiert. Auch der oberste Benediktinermönch rügt Erzbischof Marx
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Täglich neue Enthüllungen in der katholischen Kirche - auch in München.
Martha Schlüter Täglich neue Enthüllungen in der katholischen Kirche - auch in München.

MÜNCHEN - Ausgerechnet im katholisch-ordentlichen Bayern: Die Münchner Domgemeinde ist von dem Missbrauchsskandal schockiert. Auch der oberste Benediktinermönch rügt Erzbischof Marx

Es ist kein Sonntag der Ruhe. Die Gläubigen der Liebfrauenkirche sind zur Gemeinderatswahl aufgerufen – doch die Missbrauchsskandale beschäftigt die Katholiken mehr. Vor allem die Frage: Wird Dompfarrer Wolfgang Huber in seiner Predigt dazu Stellung nehmen?

Er wird nicht. Die schützende Hand Gottes über die Sünder und Schwachen, darum dreht sich die Messe. „Wer also zu stehen meint, der gebe Acht, dass er nicht fällt.“ So stehe es im Buch Exodus. „Gott sieht die Not und das Elend seines Volkes. Er geht nicht zur Tagesordnung über“, predigt Pfarrer Huber im zur Hälfte gefüllten Dom.

Leere Worte, findet Josef K.: „Der Pfarrer hätte die Problematik direkt ansprechen müssen. Seit dem Skandal zweifle er an der Kirche. „Aber ich bin so erzogen, ich gehe weiter in die Messe.“ Ein Foto von sich will er nicht in der Zeitung sehen. Man stelle sich öffentlich nicht gegen den Herrn Dompfarrer.

Dass Priester sich in Predigen äußernd, wünscht sich auch Josephine Valentin. Seit 78 Jahren ist sie Katholikin. „Menschlich bin ich von der Kirche enttäuscht“, sagt die Münchnerin. Sie ist in der Domgemeinde aktiv. Und will es bleiben. „Als Christin bin ich versöhnlich. Wo Menschen sind, gibt’s Schwächen.“ Freilich, dass diese so zahlreich seien, gerade in Bayern, „das ist erschütternd“. Das Zölibat abschaffen – für Valentin keine Lösung. „Ein junger Mann weiß, auf welchen Verzicht er sich mit der Weihe einlässt“, sagt sie.

Der Missbrauchsskandal im sonst so ordentlichen Bayern schockiert auch Johannes Buchholz. „Die Struktur der Kirche ist Schuld. Es muss mehr hinterfragt werden“, sagt der 28-Jährige.

Selbst der weltweit oberste Benediktinermönch, Abtprimas Notker Wolf, ist verärgert. Bei einer Untersuchung durch den Vatikan könne gleich die Rolle von Erzbischof Reinhard Marx thematisiert werden, meint Wolf. Es müsse geklärt werden, „ob die Erzdiözese so mit einer Abtei umgehen kann, wie sie es jetzt tut, beispielsweise die Schließung der Schule anzudrohen, falls der Schulleiter nicht zurücktritt, ohne dass diesem das Geringste vorgeworfen werden kann“. Der Ettaler Abt Barnabas Bögle und Schulleiter Maurus Kraß waren unter dem Druck des Erzbischof zurückgetreten. Sonderermittler Thomas Pfister meint aber, es gebe keine Anhaltspunkte, dass die zwei etwas vertuscht hätten.

Carmen Longo war selbst in einer Klosterschule, ebenso ihre zwölfjährige Tochter. Diese singt im Domchor, ihr Bruder Dominik ist Kommunionkind. „Wir haben noch nie schlechte Erfahrungen mit der Kriche gemacht“, sagt die 35-jährige Mutter. Eine Nonne hätte sie mal gewatscht, „das habe ich zuhause erzählt. Warum haben diese Kinder nie etwas gesagt?“ Peter Soller war in seiner Kindheit Ministrant. Heute geht er selten in die Kirche: „Priester sind auch nur Menschen. Aber meine Kinder würde ich nicht mehr in ein Klosterinternat geben.“

Für Dompfarrer Huber ist Gott einer, der sich für die Menschen einsetzt. „Mit uns geht Gott diesen Weg durch dick und dünn.“

Anne Kathrin Koophamel

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.