Münchner CSU: Seehofer muss sofort weg!

München - Es gibt Bilder, die man nie vergisst. Vom ersten Auto, dem ersten Arbeitstag, der Hochzeit. Oder, als Münchner CSU, von Dieter Reiter und Horst Seehofer. Der Oberbürgermeister lacht auf diesem Bild aus ganzem Herzen, neben ihm steht der CSU-Chef im Trachtenjanker.
Das Foto entstand Ende August im Englischen Garten. Auf dem Rand des Bildes ist Ludwig Spaenle zu sehen, der Münchner CSU-Chef und Kultusminister. Spaenle ist offensichtlich nur ein Nebendarsteller. Und: Er blickt zu Boden.
Die Aufnahme ist ein Sinnbild für das, was Seehofer und Reiter zeigen wollen. Sie versprechen eine Tram durch den Englischen Garten - entgegen aller Beschlüsse der Münchner CSU. Seehofer hat die Parteifreunde nicht mal informiert, den SPD-Oberbürgermeister den Durchbruch verkünden lassen. Und jetzt steht er für die Fotografen mit Reiter im Englischen Garten. Und Spaenle, als Nebendarsteller, düpiert wie ein Schulbub, daneben.
Immer wieder erzählen Münchner CSUler diese Geschichte, die für sie so gut passt zu Horst Seehofer. Sie erzählen sie auch an diesem Dienstag, am Vorabend haben sie sich intern deutlich wie nie gegen Horst Seehofer positioniert. Offiziell hat Ludwig Spaenle die Linie Seehofers gehalten, die Personaldebatte jetzt noch nicht zu führen. Es gibt keinen Beschluss. Doch de facto hat er ihn natürlich ignoriert, als er seine Kreisvorstände zu einer Sitzung lud, um ein Stimmungsbild von der Basis auszuloten.
Sehr sachlich und freundlich sei es zugegangen am Montagabend, berichten Teilnehmer. Umso knalliger ist es, was sich die hohen Münchner Funktionsträger bei belegten Semmeln, Butterbrezn, Wasser und Kaffee mehr als drei Stunden lang von der Seele redeten. Zuvor war noch debattiert worden, ob der Landtagsabgeordnete Markus Blume, der für die Partei bundesweit als Vize-Generalsekretär agiert, viele Getreue um sich gesammelt haben könnte pro Seehofer.
Doch die Stimmung, das berichten etliche Teilnehmer, ist eine ganz andere : 23 von 29 Bezirksvorstände hätten sich klar gegen Seehofer positioniert. Das heißt: pro Markus Söder, Seehofers CSU-Erzrivalen. Acht von neun Kreisverbandvorsitzenden sollen sich ebenfalls klar für einen schnellen, geordneten Übergang ausgesprochen haben.
Aber was soll das eigentlich sein? CSU-München-Chef Spaenle steht formal zu den Vorgaben seines Chefs, sagt am Montagbend auch, dass man den Zeitplan einhalten wolle. Doch die Stimmung ist eine andere. "Wir haben die Sorge, dass wir auch in Koalitionsverhandlungen mit Seehofer zu schwach sind", sagt ein Teilnehmer. Mit einem geordneten Übergang ist offenbar gemeint, dass man hofft, dass Seehofer schon in den nächsten Tagen seinen eigenen Rückzug organisiert.
Mehrere Teilnehmer sollen Seehofer "Drehhofer" genannt haben, einen Begriff, den einst nur Gegner der CSU verwendeten. Den "Zickzack-Kurs" in der Flüchtlingspolitik hätten ihm die Bayern nicht verziehen. Die Kreisvorstände berichten von vielen Münchner, die an den Infoständen angekündigt hätten, diesmal AfD oder FDP zu wählen. "Merkel mal mit Verfassungsklage zu drohen und dann wieder zu unterstützen - das verstehen die Leute nicht", sagt ein ranghoher Münchner CSUler. Ein anderer erklärt in der Sitzung: "Seehofers Koalition mit dem Bürger hat ein Teil der Bürger aufgekündigt."
Immer wieder kommen alle Beteiligten am Montag auch auf den Umgang Seehofers mit der Münchner CSU im Allgemeinen und Minister Spaenle im Besonderen zu sprechen. "Das ist eben auch eine Charakterfrage", ätzt einer. "Wir sind alle der Meinung, dass Seehofer der falsche Kandidat für die Landtagswahl ist. Die verlieren wir so auch." Sehr deutlich soll auch CSU-Bürgermeister Josef Schmid geworden sein. Er vewies darauf, wie Seehofer auch zuletzt immer wieder gegen die Münchner gestichelt habe.
Selbst Markus Blume soll sich nicht mehr klar für den Parteichef ausgesprochen haben, berichten mehrere Teilnehmer. Blume weist das auf AZ-Nachfrage aber von sich. "Wir müssen jetzt eine inhaltliche und keine Personaldebatte führen", sagte er. "Ich habe dafür geworben, jetzt volle Kraft für die Koalitionsverhandlungen in Berlin zu fahren."
An deren erfolgreichem Ausgang sind manche in der Jamaika-kritischen Münchner CSU aber offenbar gar nicht so interessiert.
Ein wichtiger Münchner CSU-Mann nennt es am Dienstag eine "Zermürbungsstrategie" . "Wenn es in Berlin heißt, du hast ja gar nicht mehr die Mehrheit in deiner Partei, dann schwächt das Seehofers Position."
Die Münchner CSU nimmt viel in Kauf, um Seehofer zu stürzen. Auch ein Scheitern des Jamaika-Bündnisses in Berlin. Schlechter als unter Seehofer kann man von einem neuen Parteichef auch nicht behandelt werden, soll das wohl heißen.
Kommentar von AZ-Lokalchef Felix Müller: Münchner CSU contra Seehofer - Kein Zwergenaufstand