Münchner Covid-Patient: Anruf erst nach sechs Tagen

Wer Symptome von Covid-19 hat, soll schnell Sicherheit haben. In der Praxis funktioniert das oft nicht. Es fehlt an Personal – obwohl es langsam besser wird.
von  Laura Meschede
Mit der Pipette arbeitet eine Mitarbeiterin der Virologie der TU an Proben von Patienten mit Covid-19-Verdacht.
Mit der Pipette arbeitet eine Mitarbeiterin der Virologie der TU an Proben von Patienten mit Covid-19-Verdacht. © Sven Hoppe/dpa

München - Bernhard Dirks hatte sich wohl im Urlaub mit Corona infiziert. Am 15. März, kurz nach seiner Rückkehr, bemerkte er die ersten Symptome: Fieber, Schüttelfrost, Abgeschlagenheit. Was nun? Aus der selbstverordneten Quarantäne heraus rief der Münchner, der eigentlich anders heißt, den Kassenärztlichen Notdienst an. Einmal. Zweimal. Immer wieder.

Durchgestellt wurde der Anruf nie, die Leitungen waren belegt. Nach drei Tagen gab Dirks auf. Er kontaktierte einen Arzt für Privatpatienten, der ihn für 220 Euro auf das neue Virus testete. Das Ergebnis lag bereits am nächsten Mittag vor: Positiv.

München: Erst sechs Tage nach Test kam Anruf vom Gesundheitsamt

Sechs Tage nach dem Test dann der Anruf vom Gesundheitsamt: Dirks sei positiv getestet worden, ob er davon schon wisse? Wusste er. Ob er Kontaktpersonen hatte? Hatte er: Seine Frau, die sich nach seinem positiven Testergebnis bereits selbstständig in Quarantäne begeben hatte.

Sie müsse, so teilte das Gesundheitsamt das Dirks mit, nun einen Test machen. "Am zwölften Tag unserer Quarantäne!", sagt Dirks. "Da ist mir klargeworden, dass wir das bei einer möglichen zweiten Welle unbedingt werden anders handhaben müssen."

Deutschlandweit fehlt es an Personal in den Gesundheitsämtern. Geschichten wie die von Bernhard Dirks waren deswegen in den letzten Wochen häufiger zu hören.

Über Kapazitätsengpässe liegen in Bayern "keine Meldungen" vor

Einer Umfrage von WDR und NDR zufolge erfüllt weniger als ein Drittel der befragten Gesundheitsämter aktuell die Personalvorgaben von Bund und Ländern. Die besagen nämlich: Pro 20.000 Einwohner sollen fünf Mitarbeiter des Gesundheitsamtes zur Verfügung stehen, um die Kontakte von Infizierten nachverfolgen zu können.

Auch in Bayern ist diese Vorgabe bislang nicht erfüllt. Über Kapazitätsengpässe lägen jedoch bislang im Freistaat "keine Meldungen" vor, zitiert der NDR das Bayerische Gesundheitsministerium. Gehören Berichte wie der von Dirks über verspätete Anrufe und Tests also inzwischen der Vergangenheit an?

Tatsächlich sei die Situation inzwischen deutlich entspannter als noch im März, sagt ein Münchner Hausarzt aus der Maxvorstadt auf Nachfrage. "Am Anfang, ja, da hat es bei den Übermittlungen der Testergebnisse oft gehapert, da haben Patienten teilweise wochenlang auf ihren Befund gewartet", so der Internist. "Aber inzwischen scheint das gut zu funktionieren."

Kontaktpersonen von Corona-Patienten bekommen spät einen Test

Andere sind da kritischer. Immer wieder, so erzählt das ein anderer Münchner Arzt, habe er Patienten, die tage- oder sogar wochenlang auf eine Rückmeldung vonseiten des Gesundheitsamtes gewartet hätten. Erst Anfang dieser Woche habe er beispielsweise ein Fax vom Gesundheitsamt bekommen, in dem um Informationen zu einem Verdachtsfall gebeten wurde, den er bereits vor drei Wochen gemeldet hatte.

"Die Kontaktverfolgung ist eigentlich eine der Kernkompetenzen im Kampf gegen Covid-19", sagt der Arzt. "Und auch, wenn die Situation in den letzten Wochen besser geworden ist: Dem Gesundheitsamt fehlen ganz offensichtlich noch immer Kapazitäten."

Das Problem an den späten Rückrufen: Aktuell wird nach Empfehlung des Robert-Koch-Instituts in Deutschland nur derjenige auf Corona getestet, der auch Kontakt zu einer infizierten Person hatte. Je länger das Testergebnis auf sich warten lässt, desto länger dauert es also, bis all jene, die mit dem Infizierten in Kontakt standen, einen Test bekommen. Und darüber wieder deren Kontaktpersonen.

Gesundheitsamt: "Die Daten mussten mühevoll recherchiert werden"

Das Münchner Gesundheitsamt selbst sieht eine deutliche Besserung bei der Kontaktierung infizierter Personen. In den ersten Wochen der Pandemie seien tatsächlich nicht alle Erkrankten kurzfristig informiert worden, heißt es in einer Pressemitteilung aus dem April.

Das habe allerdings daran gelegen, dass die Kontaktdaten der Betroffenen oft nicht zusammen mit den Testergebnissen an das Amt übermittelt worden waren. "Diese Daten mussten teils mühevoll über die einweisenden Hausärztinnen oder mit Unterstützung der Polizei recherchiert werden", heißt es in der Mitteilung. "Inzwischen hat sich dies deutlich verbessert."

Ein Urteil, dem viele Ärztinnen und Ärzte auf AZ-Nachfrage beipflichten. "Ich hoffe nur", sagt eine der Befragten, "dass das auch so bleibt, wenn die Zahlen wieder steigen".

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