Münchner Bordelle sehen rot

Die Finanzkrise erreicht die Sex-Branche: Weniger Kunden, nervige Preisdiskussionen und Sonderangebote für Rentner - wie das älteste Gewerbe der Welt in München mit der Rezession kämpft.
von  Abendzeitung

Die Finanzkrise erreicht die Sex-Branche: Weniger Kunden, nervige Preisdiskussionen und Sonderangebote für Rentner - wie das älteste Gewerbe der Welt in München mit der Rezession kämpft.

Gegen diese Flaute hilft auch kein Viagra: Das angeblich älteste Gewerbe der Welt gerät jetzt ebenfalls in den Strudel der Wirtschaftskrise, in deutschen Bordellen herrscht tote Hose, was ausnahmsweise einmal nicht an den alkoholisierten Gästen liegt. Die Betreiber haben mit dem gleichen Problem wie die Automobilindustrie zu kämpfen: massive Überkapazitäten, konkret: viele Frauen und immer weniger Freier.

„Die Gäste müssen ihr Geld zusammenhalten, wer früher jede Woche kam, kommt jetzt nur noch einmal im Monat“, sagt Sabine Skutella, Sozialpädagogin bei Mimikry, der „Beratungsstelle für anschaffende Frauen“ in München. Die Branche buhlt um jeden Kunden – zum Teil mit äußerst bizarren Maßnahmen: Nach dem Flatrate-Saufen, Flatrate-Spareribs-Essen und Flatrate-Surfen gibt es im Berliner „Pussy Club“ jetzt auch das Flatrate-Fummeln.

Dabei zahlt der Kunde einmal 70 Euro, eine Art „All you can eat“ – nur mit einem anderen Verb am Ende des Satzes. „Sex mit allen Frauen! So lange, so oft und wie du willst“, heißt es auf der Homepage.

„Geiz ist geil" - sehr wörtlich genommen

Die Tageszeitung „Berliner Kurier“ hat in einer servicejournalistischen Meisterleistung sogar eine mathematische Formel entwickelt, damit die Kunden ausrechnen können, ob sich das Angebot des Clubs für sie auch lohnt. L x P – 70 = E, also Lust mal Preis minus 70 Euro gleich Ersparnis.

Oft scheinen sich die geilen Geizkragen jedoch zu überschätzen. „Der erste Freier gibt auf“, vermeldete der „Kurier“ gleich am nächsten Tag betroffen. „Die meisten haben nach dem zweiten Mal keine Lust mehr und gehen nach Hause. Typisch Mann – große Klappe, nichts dahinter“, verrät eine Prostituierte der AZ.

Auch in Nürnberg hat ein „Sexdiscount“ eröffnet. „Einmal zahlen – alle haben“, lautet der Slogan für Menschen, die „Geiz ist geil“ offenbar sehr wörtlich nehmen.

In München ist es noch nicht so weit: „Die Frauen sind daran interessiert, das Preisgefüge zu halten“, sagt Expertin Skutella. Die „Rabattmentalität“ hält sie für eine schlechte Entwicklung. Sich gegenseitig zu unterbieten, gehe zu Lasten der Prostituierte und auch anderer Branchen wie der Kosmetik-, Dessous- und Sonnenstudioindustrie, die durch das Rotlichtmilieu einen großen Teil ihrer Einnahmen erzielen.

80, 50, 30 Euro? Wie auf einem Basar

Nichts von „Flatrates“ hält auch der Chef des größten Münchner Laufhauses „Caesars World“, der seinen Namen nicht in der AZ lesen will. „Flatrates – wo soll das hinführen?!“ In seinem Club, der wie alle anderen „extrem“ von der Krise betroffen sei, können die Frauen ihre Preise selbst bestimmen – und müssen dafür mit den Freiern nervige Rabattdiskussionen führen. 80, 50, 30 Euro? Manchmal gehe es zu wie auf einem Basar.

Die „lustvolle Mona“, eine Münchner Prostituierte, die in Tageszeitungen inseriert, bietet inzwischen sogar Preisnachlässe für Rentner, Hartz-IV-Empfänger und Zivildienstleistende an. „Das wird von meinen Kolleginnen nicht gerne gesehen“, sagt sie. Prostitution sei jedoch Teil der Marktwirtschaft, müsse sich eben nach Angebot und Nachfrage richten. Über eines verhandelt Mona jedoch grundsätzlich nicht: das Kondom. „Nur mit.“

Diese Frage stellt sich bei der Münchner Domina „Comtesse Desiree“ ohnehin nie: Sex gibt’s nicht, auch keine Diskussionen über den Preis. Die Rezession kann bei ihr sogar auf Wunsch in die Session integriert werden. Ein knallharter Manager lässt sich zum Beispiel gerne mit dem Rohrstock weichklopfen – und dabei für seine wirtschaftlichen Misserfolge tadeln.

Timo Lokoschat

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