Münchner bauen Penthouse in der Elbphilharmonie - Mit neuem Konzept

Ein Münchner Büro baut ganz anders, nämlich komplett digital und dadurch fast ohne Abfall – aktuell ein Penthouse in der Elbphilharmonie. Das könnte die Zukunft des Bauens werden.
von  Anja Perkuhn
Eine für alle: In Niederbayern werden mit einer computergesteuerten Fräse alle Bauteile des aktuellen Projektes passgenau gefertigt.
Eine für alle: In Niederbayern werden mit einer computergesteuerten Fräse alle Bauteile des aktuellen Projektes passgenau gefertigt. © O. Jung, Schotte, digitalsalat/Cora Interior

Ein Münchner Büro baut ganz anders, nämlich komplett digital und dadurch fast ohne Abfall – aktuell ein Penthouse in der Elbphilharmonie in Hamburg. Das könnte die Zukunft des Bauens werden.

München - Erinnern Sie sich noch, wie Sie mal diese Holzplatte als Arbeitsfläche in der Küche zuschneiden wollten – und dann am Ende einen riesigen Batzen Spachtelmasse verwenden mussten, um die Lücke zu schließen, die plötzlich zwischen Platte und Wand da war?

So ungefähr läuft das auch auf Baustellen ab: Kleine Ungenauigkeiten gibt es immer, die papiernen Pläne sind im Grunde nie genau das, was die einzelnen Baugruppen im realen Gebäude vorfinden. "Und dann hat man als Innenarchitekt schön ausgerechnet, dass zwei Bodenplatten von sechzig Zentimetern Breite genau vor die einszwanzig breite Tür passen", sagt Torben Hansen, Geschäftsführer des oberbayerischen Innenausbau-Unternehmens Schotten & Hansen, "aber die Tür ist leider doch näher an der Wand und es wird nichts."

Und wenn das nicht nur ein Mal passiert oder zehn Mal, sondern Hunderte Male in einem Arbeitsleben wie dem von Hansen, dann kann man entweder stumpf werden, verzweifeln – oder sich etwas Anderes ausdenken.

Der Planer sagt: "Wir bauen nicht mehr – wir montieren einfach nur noch"

Hansen hat sich für die dritte Variante entschieden – darum gibt es seit November 2017 das Unternehmen Cora, das er mit den Münchner Architekten Laurent Brückner und Andreas Konle betreibt: ein Bau-Dienstleister, der alle seine Projekte komplett digital plant, produziert und fertigt.

Das Besondere: Es gibt keine analogen Baupläne mehr. Im Idealfall orientieren sich alle beteiligten Dienstleister am selben digitalen 3-D-Modell.

Vor zehn Jahren machten sie ihr erstes Projekt auf diese Art in München – und vor zwei Jahren bekamen sie den Auftrag für eine der wohl extravagantesten Wohnungen des Landes: eine 230 Quadratmeter großen Luxuswohnung auf dem Dach der Hamburger Elbphilharmonie, in der Spitze der höchsten Welle. In diesem Sommer soll das Penthouse bezugsfertig sein.

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Bevor es mit einem Bau dieser Art losgeht, wird die Immobilie – in diesem Fall eine zweietagige Wohnung – mit einem Laser gescannt. Der handgezeichnete Entwurf zur Wellen-Wohnung, den der Besitzer sich mit einer Innenarchitektin ausgedacht hat, wurde an diesen Scan angeglichen, damit die Tür eben nicht näher an der Wand liegt, als gedacht. Dazu wurden in einem 3-D-Modell die 20.000 Bauteile erstellt und in Peiting in Niederbayern mit einer computergesteuerten Fräse millimetergenau gefertigt.

Auf der Baustelle wurden sie dann wie große Legosteine zusammengefügt. "Wir bauen nicht mehr", sagt Architekt Laurent Brückner, "wir montieren einfach nur noch." Auf einer konventionellen Baustelle kämen nur etwa acht bis zehn Prozent aller Teile für den Innenausbau vorgefertigt an – etwa Türen und Fenster. Viele Rohstoffe und Teile würden tonnenweise angeschleppt, aufwändig bearbeitet – und überschüssiges Material und Reste wieder abtransportiert.

Wie das Bauen der Zukunft aussieht

Auf der Elphi-Baustelle läuft das eben anders – teils aus Rücksicht auf die komplexe Funktion des Gebäudes, aber auch wegen der Material-Effizienz und Nachhaltigkeit. Dadurch gibt es so gut wie keinen Dreck und Lärm auf der Baustelle – und es arbeiten nur wenige Menschen dort.

Die meisten sind in der Werkstatt zugange. Wenn daraus eine großflächige Entwicklung wird, "kann eine neue Industrie-Art entstehen", sagt Brückner. "Das Prinzip wird eines Tages in allen Arten des Bauens ankommen. Das Handwerk wird sich so mit Sicherheit verändern." Vielleicht entstehe so irgendwann gar kein Müll mehr beim Bau.

Bedeutet das alles nun, es gibt bald ein Cora-Penthouse auf dem Dach des neuen Münchner Konzertsaals? "Wenn morgen die Stadt kommt mit einem Vertrag", sagt Architekt und Cora-Chef Andreas Konle, "dann bauen wir natürlich da!"
Realistischerweise werden die nächsten Projekte aber eher im Ausland entstehen. Mit digitalen Projekten wie diesen, sagt Hansen seufzend, sei man wegen der strengen Regularien und DIN-Normen in Deutschland etwas weniger flexibel.

Und – Kindheits-Bauer werden sich erinnern – mit Lego spielen macht nun einmal frei am meisten Spaß.

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