Münchner Autor in Kairo entführt
Trotz Morddrohungen durch religiöse Fanatiker wollte er sich nicht verstecken: Seit Sonntag ist der Schriftsteller und Islam-Kritiker Hamed Abdel-Samed in Kairo verschollen.
MÜNCHEN/KAIRO - Große Sorge um einen der bekanntesten Islamexperten in Deutschland: Der Münchner Autor und Wissenschaftler Hamed Abdel-Samad soll in Kairo entführt worden sein. Seine Spur verlor sich am Sonntag in einem Park in Kairo. Der 41-Jährige, der im Fernsehen an der Seite von Henryk M. Broder mit der Serie „Entweder Broder – Die Deutschland-Safari“ bekannt wurde, stand seit dem Sommer wegen seiner Kritik auf der Todesliste religiöser Fanatiker. Erst berichtete ein ägyptisches Nachrichtenportal über seine Entführung, dann wurde sie von der dortigen Polizei bestätigt. Sie schließt nicht aus, dass radikale Extremisten dahinterstecken.
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Abdel-Samad, seit 20 Jahren in München zuhause, war monatelang Morddrohungen ausgesetzt: Die Hetze begann, als er im Juni in Kairo über „Radikalen Faschismus“ sprach. Im Fernsehen erklärte ihn ein Prediger daraufhin zum „Abtrünnigen“, der getötet werden müsse. Im Internet wurde sein Foto veröffentlicht mit dem Hinweis „Wanted dead“.
Abdel-Samad reiste aus Ägypten ab und tauchte eine zeitlang unter. Doch es war nicht seine Art, den Kopf einzuziehen. „Ich habe mich entschieden, mich nicht zu verstecken und nicht zu schweigen“, sagte er im Sommer im Interview mit „Report München“. In den folgenden Monaten trat er unter anderem in München wieder öffentlich auf, um über sein Buch „Chancen der Demokratie in Ägypten“ zu sprechen. Immer dabei: massiver Polizeischutz.
In Kairo, wo keine Ruhe zwischen Muslimbrüdern und Anhängern des Militärs einkehrt, soll Abdel-Samad am Sonntag allein unterwegs gewesen sein. Sonst bewegte er sich in der Stadt nur mit Leibwächter, berichtet sein Bruder Mahmud. Zu der Verabredung im Al-Azhar-Park habe er aber allein gehen wollen – obwohl er da schon am Telefon gesagt habe, dass er sich verfolgt fühle, so der Bruder. Wer den Leibwächter organisiert hat, war noch unklar. Das Auswärtige Amt bestätigte gestern, es habe Gespräche mit Abdel-Samad wegen seiner persönlichen Sicherheit gegeben.
Abdel-Samad, der als Sohn eines Imam in Gizeh zur Welt kam, lebt seit 1995 in Deutschland. In Kairo hatte er bereits Englisch und Französisch studiert, in Augsburg studierte er später Politikwissenschaft. Bis Ende 2009 arbeitete er am Institut für Jüdische Geschichte und Kultur der Uni München. Bekannt ist er für kritische Aussagen wie diese: „Der Islam ist nicht auf dem Vormarsch, wir erleben vielmehr den Zerfall einer Religion, die keine konstruktiven Antworten bieten kann auf die Fragen des modernen Lebens.“
Auftritte sind auch 2014 geplant. Sein Münchner Verlag Droemer Knaur, mit dem er zuletzt auf Lesereise war, hatte in jüngster Zeit jedoch keinen Kontakt mit Abdel-Samad. Man habe leider nichts von ihm gehört, sagt Sprecher Carsten Sommerfeldt.
Anders Mohammed Haschim, der Direktor des ägyptischenVerlags Merit. Er sprach noch vor drei Wochen mit Abdel-Samad über dessen neues Buch, „Der religiöse Faschismus“. Haschim gestern: „Mir leuchtet nicht ein, dass wir immer weiter mit der Bedrohung durch Terroristen und Radikale leben sollen, die Autoren und Denker zum Abschuss freigeben.“ Mit dieser Bedrohung lebte Abdel-Samad seit Monaten. Vom Ratschlag, die Öffentlichkeit zu meiden, hielt er dennoch nichts. „Die Öffentlichkeit schützt besser als ein Versteck.“
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