Münchner Asylbewerberin findet Job - und darf nicht arbeiten!

München - Integration. Wie ein Mantra beten Politiker aller Parteien derzeit dieses Wort herunter – und drohen mit Strafen für Asylbewerber, die sich der Eingliederung in Deutschland verweigern. Worüber hingegen kaum jemand spricht: Die Bürokratie macht es Migranten unendlich schwer, auf dem hiesigen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
Ada aus Nigeria etwa hat alles richtig gemacht: Die 45-Jährige hat freiwillig einen Deutschkurs belegt, sie hat selbstständig nach einer Beschäftigung gesucht und schnell eine Stelle gefunden. Doch nun sieht es so aus, als könnte sie diese nicht antreten, weil das Genehmigungsverfahren durch die Agentur für Arbeit zu lange dauert.
Ada lebt mit 290 weiteren Geflüchteten in einer Gemeinschaftsunterkunft in Berg am Laim. Über ihren Asylantrag wurde noch nicht entschieden. Sie muss warten. Vermutlich monatelang. Doch Ada will etwas tun, auf eigenen Beinen stehen, arbeiten. Also lernt sie Deutsch und bittet das Arbeitsamt um Hilfe bei der Jobsuche. Die Behörde schlägt ihr acht Stellen vor: sieben im Pflegebereich und eine bei einem Caterer.
An einem einzigen Tag schreibt Ada, unterstützt von einer Sozialarbeiterin, Bewerbungen zu allen Angeboten und verschickt diese per Mail. Keine 48 Stunden später meldet sich ein Pflegeheim aus Vaterstetten und lädt sie zum Vorstellungsgespräch ein.
„Wir sind sofort hingefahren“, erzählt Christiane J. (63). Die Münchnerin war früher bei der Lufthansa und ist heute in Rente. Sie engagiert sich seit Mai 2015 in der Flüchtlingshilfe und hat Ada unter ihre Fittiche genommen.
Das Treffen mit der Heimleitung sei sehr nett gewesen, sagt sie. Weil Adas Deutschkenntnisse noch ausbaufähig seien, die Einrichtung aber unbedingt Mitarbeiter brauche, habe man sich auf ein einwöchiges „Schnupperpraktikum“ zur Probe geeinigt.
Ada besteht mit Bravour. „Frühdienst, Spätschicht – sie hat alles gemacht. Es hat wunderbar geklappt und alle waren happy.“ Die Heimleitung bietet Ada eine Vollzeitstelle für 1700 Euro brutto an, für eine Asylbewerberin ist das ein kleines Vermögen. Am 15. April soll es losgehen. Beide Seiten unterschreiben den Arbeitsvertrag. Ada und ihre Betreuerin sind überglücklich.
Bis sie die deutsche Bürokratie kennenlernen.
Denn Ausländeramt und Arbeitsamt müssen die neue Stelle genehmigen, so will es das Gesetz. Noch am Tag der Vertragsunterzeichnung, dem 12. April, bringt Ada deshalb ihre Dokumente zum Ausländeramt – und fällt aus allen Wolken: „Eine Mitarbeiterin hat mir gesagt, das Genehmigungsverfahren dauert mehrere Wochen.“ Als Christiane J. nachfragt, warum so viel Zeit vergehen müsse, erhält sie die Antwort: „Bitte hinterfragen sie nie die Wege der Behörden.“
Doch genau das tut die Münchnerin – und findet heraus: „Die Ausländerbehörde schaut, dass die Leute nicht ausgenutzt werden. Das ist ja okay.“ Tatsächlich habe dieses Amt Adas Unterlagen auch schnell weitergeleitet.
Was die ehrenamtliche Helferin jedoch empört: Die Agentur für Arbeit checkt erst jetzt, ob die Stelle nicht mit einem Deutschen oder einem EU-Ausländer besetzt werden kann. Diese „Vorrangprüfung“ ist ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben. „Aber wir haben natürlich gedacht, dass sie längst gemacht wurde – und zwar, bevor das Amt Ada den Arbeitsplatz angeboten hat.“
Stattdessen muss Ada nun um ihren Traumjob bangen. Das Heim kann nur bedingt kulant sein, weil es dringend eine Pflegekraft benötigt. Bis 1. Mai hält die Leitung die Stelle frei, dann muss sie einen anderen Bewerber beschäftigen. „Die brauchen Leute, das weiß jeder. Und die brauchen sie gleich, das weiß auch jeder“, sagt J. Doch nun sollen beide Seiten leer ausgehen. „Das ist doch unfassbar. Der Vertrag ist fair, das Gehalt ist super und wir hätten einen Flüchtling, der endlich eine Perspektive hat.“ Außerdem würde die Staatskasse entlastet. Denn ähnlich wie bei Hartz-IV-Empfängern werden auch bei Asylbewerbern Einkommen und Sozialleistungen verrechnet.
Aber so leicht will Christiane J. nicht aufgeben. Sie ruft beim Arbeitsamt an. Immer wieder. „Ich wollte wissen, was ich tun kann, damit das schneller geht.“ Das Ergebnis ist stets dasselbe: „Warteschleife, Warteschleife, rausgefallen.“
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Am Freitag (ursprünglich Adas erster Arbeitstag) marschiert die Rentnerin in die Kapuzinerstraße. Sie will den zuständigen Sachbearbeiter sprechen. Persönlich. Doch der sei um 11.25 Uhr nicht mehr da gewesen, erzählt sie. Seine Durchwahl habe man ihr nicht geben wollen und sie mit einer allgemeinen Behördennummer wieder weggeschickt.
„Dieses langsame deutsche Beamtenwesen blockiert alles“, sagt die Helferin frustriert. „Die letzten 14 Tage haben mich fertiggemacht. Ich bin richtig ausgebrannt.“ Ada sitzt mit traurigem Blick daneben. Gelungene Integration sieht anders aus.