Münchner Arzt stellt Attest für einen Unbekannten aus

Ein Münchner Arzt erklärt einen Mann für psychisch gestört, aggressiv und unberechenbar. Dabei hat er den Mann, um den es geht, nie gesehen
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Der beschuldigte Mediziner Simon M. (Name geändert) im Gerichtssaal.
chp Der beschuldigte Mediziner Simon M. (Name geändert) im Gerichtssaal.

München - Er sei aggressiv und unberechenbar, kalt und rücksichtslos, bestrafend, und er zeige das Bild eines psychisch gestörten Menschen. Bevor ihm erlaubt würde, Kontakt zu seinen Kindern zu haben, müsse ein psychiatrisches Gutachten von ihm gemacht werden, um Schaden von den Kindern abzuwenden.

So steht es in einem ärztlichen Attest über den Arzt Dieter S. (Name) geändert. Nachdem sich dessen Frau von ihm getrennt hatte, durfte er seine drei Söhne tatsächlich nur noch drei Stunden in der Woche sehen – und das auch nur begleitet. Entscheiden für diese Maßnahme war unter anderem das ärztliche Attest.

Doch dieses Attest war gar keines, zumindest nicht nach ärztlichen Standards. Denn der Arzt, der es gemacht hat, hatte den Mann, über den er schrieb, nie gesehen oder gesprochen. Der Münchner Arzt Simon M. (74, Name geändert), der eine Praxis in Berg am Laim betreibt, hatte das „Attest“ geschrieben, ohne je Kontakt zu der Person gehabt zu haben, um die es ging. Deshalb stand er nun wegen Verstoßes gegen die standesrechtliche Berufsordnung vor dem Landgericht München I.

Dort erklärt er sich. Die Frau des betroffenen Mediziners, Sandra S., sei seine Patientin. Sie sei etwa zwei Jahre lang bei ihm in Behandlung gewesen. Da ihr Mann aggressiv gewesen sei und sie schlecht behandelt habe, habe sie eine Paartherapie machen. Dies habe ihr Mann aber – nach Aussage der Frau – abgelehnt.

Die Situation sei immer schlimmer geworden: „Ich habe eine Todesbedrohung für die Frau und die Kinder gesehen“, sagt Simon M. Also schreibt er auf, was die Ehefrau Sandra S. über ihren Mann erzählt. Er schreibt „Ärztliches Attest“ darüber und setzt den Stempel seiner Praxis darunter. Mit dem Mann selbst wechselt er nie ein Wort.

Vor Gericht sagt er, er habe eine „unhaltbare, destruktive Situation“ in der Familie gesehen und diese vor Schaden bewahren wollen. Aus Gründen des Jugendschutzes. Anstatt sich aber an Behörden oder Schutzeinrichtungen zu wenden, händigt er der Ehefrau das Attest aus. Die legt es beim Ehetrennungsverfahren dem Gericht als Beweis vor. Erst jetzt erfährt Dieter S., dass es ein „Attest“ über ihn gibt.

„Das war ein Fehler“, gibt Simon M. zu. Er wirkt, als tue es ihm wirklich leid, als hätten ihn die drastischen Schilderungen seiner Patientin selbst in einen Ausnahmezustand versetzt. Sein Anwalt will es dagegen so darstellen, als habe Simon M. absichtlich aus Kinderschutzgründen so gehandelt.

Das Gericht hört schließlich eher dem Beschuldigten als seinem Anwalt zu und würdigt die Einsicht des Arztes. Er wird zu einer Geldstrafe in Höhe von 5000 Euro verurteilt. Praktizieren darf der Mediziner in Rente aber weiterhin.

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