Münchner Architekt über Hochhäuser: "Je höher, desto eleganter!"

München - AZ-Interview mit Fabian Ochs: Der Hochhausexperte plant derzeit ein etwa 60 Meter hohes Gebäude an der Rosenheimer Straße.
Das erste Hochhaus Münchens
Ein Foto vor dem berüchtigten "The Seven Tower" an der Müllerstraße? Nein, sagt Fabian Ochs, dessen Büro schräg gegenüber liegt. Er will lieber ein Foto vor dem ersten Hochhaus Münchens, an der Blumenstraße, dort wo auch das Planungsreferat sitzt.
Er freue sich jedes Mal, das Backsteingebäude zu sehen und weiß: Das Hochhaus ist ziemlich genau 100 Jahre alt. Ein Gespräch darüber, ob und warum München Hochhäuser braucht.

AZ: Herr Ochs, Sie sind ein großer Fan von Hochhäusern. Warum?
FABIAN OCHS: Meine Faszination begann während meines Architekturstudiums in den 90ern, als ich in New York war.
Ein Schlüsselereignis?
Ganz sicher. Ich war dort vier Monate lang. Ich wäre auch länger geblieben, aber ich hatte kein Geld mehr. Jedenfalls verliebte ich mich in dieses Gefühl der dichten Urbanität. So etwas können nur Hochhäuser erzeugen. Hundert-Meter-Gebäude sind ja dort gar nichts.
In München wird gerade um zwei 155-Meter-Hochhäuser an der Paketposthalle von Investor Ralph Büschl heiß debattiert. Können Sie das nachvollziehen?
Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, dass sich die Wogen glätten, nachdem ein Bürgergutachten erstellt worden ist, von fast Hundert zufällig gewählten Münchnerinnen und Münchnern.
Abgeschreckte Investoren
Aber stattdessen hat die Debatte neu an Fahrt gewonnen.
Das schreckt in München übrigens sehr viele Investoren ab, also die Aussicht, dass man unter Umständen jahrelang plant und am Ende das Projekt eventuell eingestampft wird.
Hat München noch nicht den richtigen Umgang mit Hochhäusern gefunden?
Im Moment ist die Situation wahnsinnig verworren, komplex. Politisch ist alles sehr wechselhaft. Es wirkt so, als ob München nicht so offen ist für Wandel wie etwa in den 70ern zu Olympia. Damals sind auch sehr viele Hochhäuser entstanden. Und München lebt immer noch vom Olympia-Image. Wir bewerben uns ja gerade für das Weltkulturerbe nicht mit der Altstadt, sondern mit dem Olympiagelände.
Kritik an den schrägen Aufzügen
Ein Bürger- und Ratsbegehren stehen im Raum, falls die Initiative Hochhausstop genügend Unterschriften sammelt.
Ich finde, das ist der völlig falsche Weg. Die Büschl-Hochhäuser sind sehr schön und würden einer Stadt wie München gut stehen.
Sie gefallen Ihnen also sehr gut, ja?
Absolut. Ich hoffe sehr, dass sie gebaut werden. Was mir nicht so gut gefällt, sind die äußeren, schrägen Aufzüge. Ohne sahen die Türme viel eleganter aus.
Die Aufzüge hatte Herr Büschl als Kompromiss nachträglich eingezeichnet, weil Kritiker fürchteten, dass sonst die oberen Stockwerke zu exklusiv sind.
Das ist mir etwas zu plakativ. Ich meine, man kann doch auch im Inneren Aufzüge planen, die direkt ohne Zwischenstopp ganz nach oben führen. Das wäre gar kein Problem.
Sie selbst planen gerade ein recht spektakuläres Hochhaus an der Rosenheimer Straße mit starker Fassaden-Begrünung, an den Stockwerken, wo die Ebenen ein wenig hervorstechen. Ist das der Weg der Zukunft für nachhaltige Münchner Hochhäuser?
Richtig. Wir werden dort einen Bestand entkernen und ergänzen mit zwei Bauteilen. Das Hochhaus wird 13 bis 18 Stockwerke haben. Übrigens: Ich würde wirklich gerne mal mit einem Mythos aufräumen.
"Hochhäuser bis 200 Meter sind ökologisch und nachhaltig!"
Bitte!
Es ist eine falsche Legende, absolut unseriös, dass Hochhäuser nicht nachhaltig und ökologisch sind. Das behauptet ja die ÖDP ja ganz gern. Es stimmt einfach nicht - zumindest nicht bis zu einer Höhe von 200 Metern etwa. Ich und meine Kollegen erstellen dazu übrigens gerade eine Studie, die im Sommer fertig sein sollte. Denn das Gegenteil ist der Fall. Sie haben auf einer bestimmten Grundfläche viel mehr Bewohner in Hochhäusern, als auf fünf oder sechs Stockwerken.
Da gibt es, glaube ich, einige Menschen, die das Gegenteil behaupten.
Ich weiß. Ich gebe Ihnen ein einfaches Beispiel: Ein Hundert-Meter-Wohnturm hat vier Aufzüge, die Energie und Fläche verbrauchen. Vergleichbar viele Wohnungen in einem sechsgeschossigen Block haben 15 Aufzüge.
Positioniert sich der Stadtrat nicht ausreichend?
Woran scheitert es in München mit den kleinen Wolkenkratzern?
Ich sehe da die Stadtbevölkerung und die Stadtpolitik in der Verantwortung, insbesondere den Stadtrat. Er müsste sich klar positionieren. Aber es herrscht dort oft Stille. Der Stadtrat müsste einen Weg finden, solche wichtigen Projekte zu beschleunigen.
Das letzte Bürgerbegehren vor fast 20 Jahren hatte eine Höhe von maximal 100 Metern festgesetzt. Was passiert bei einem erneuten Begehren?
Damals wurden nach dem Begehren alle Hochhauspläne ad acta gelegt. Und die Gefahr sehe ich jetzt auch, dass alle Hochhauspläne einfach auf Eis gelegt werden, falls ein Bürgerbegehren erfolgreich sein sollte.
Diskussion um die Höhenmeter
Was halten Sie eigentlich von den Zahlen, die herumschwirren? Also die Höhenmeter.
Das ist eigentlich Unsinn, es an der genauen Höhe festzumachen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Die zwei Häuser der Hypovereinsbank sind 114 Meter hoch. Kein Mensch, der dort vorbeigeht, könnte sagen, ob sie jetzt 94 Meter hoch sind, 110 oder 130. Das Gebäude muss samt dazugehöriger Höhe einfach an den Ort passen. Das ist das Wichtigste.
Können eigentlich Hochhäuser zur Lösung des Wohnungsproblems in München beitragen, des großen Nachfrageüberhangs?
Sie können damit eine höhere Dichte erzeugen. Ich habe mal zum Spaß eine Rechnung aufgestellt. Wenn man rund um den Stadtrand regelmäßig Hochhäuser setzen würde, könnten theoretisch etwa doppelt so viele Münchner hier leben. Ist das nicht unglaublich?
Nun ja. Solange nicht nur exklusiver Wohnraum entsteht ...
In München ist die Sozialbindung von Immobilienprojekten so groß wie in kaum einer anderen europäischen Stadt. Da mache ich mir gar keine Sorgen.
Der "The Seven" Turm
Wir sind hier in Ihrem Büro, ganz in der Nähe des berühmten "The Seven" Turmes, wo schon ziemlich exklusiv gewohnt wird. So exklusiv, dass man nie jemand sieht.
Es ist wirklich schade, dass dieser Turm den Großteil des Jahres leer steht. Jammerschade. Aber wer ihn betrachtet, darf das Gebäude, den Wohnblock direkt daneben, nicht vergessen. Das sind fast ausschließlich Sozialwohnungen. Die würde es ohne "The Seven" nicht geben. Außerdem sollte man das auch so sehen: Wir sind eine prosperierende Stadt mit vielen Leuten, die Spitzengehälter verdienen. Da muss man sich schon mal überlegen, welche Möglichkeiten wir haben, uns noch weiterzuentwickeln. Natürlich geht die Gehaltsschere auseinander, das ist keine gute Entwicklung, keine Frage.
Ist Ihrer Meinung nach ein Hochhaus auch innerhalb des Altstadtrings vorstellbar?
Ich sehe da spontan keinen Punkt, wo so etwas gut hineinpassen würde. Aber vergessen Sie nicht, dass ja im Stadtkern ein Hochhaus entstehen wird.
Nämlich?
Am Hauptbahnhof. Dort, wo noch der Starnberger Flügelbahnhof ist.
"Die neuen Projekte werden immer so polemisch diskutiert"
Was wundert Sie in München bei der Hochhaus-Debatte am meisten?
Dass immer die neuen Projekte so polemisch diskutiert werden. Die Hochhausstudie (in der die Stadt mögliche Standorte für Hochhäuser untersucht hat, d. Red.) ist eine gute Basis für gute neue Hochhäuser und München kann noch einige davon gebrauchen.
Sind Sie erstaunt, dass die Paketposthalle zu einer Generaldebatte geführt hat?
Na ja. Die Generaldebatte wird von einer Minderheit geführt, die gute PR macht und besonders laut ist. Mein Kenntnisstand ist, dass es ja rein rechtlich kein grundsätzliches Begehren geben kann, das generelle Regeln festsetzt. Ich finde die Debatte einfach falsch. Es gibt keinen Grund, weshalb die Stadt keine Hochhäuser vertragen sollte. Im Gegenteil.
Sind Hochhausbefürworter zu leise?
Könnte sein. Viele trauen sich nicht aus der Reserve. Da heißt es dann schnell, dass wieder ein böser Investor kommt. Was sich Herr Büschl schon alles gefallen lassen musste! Da ziehe ich den Hut, dass er das Projekt an der Paketposthalle weiter durchzieht. Und ich bleibe dabei. An den richtigen Stellen würden der Stadt einige Hochhäuser mit 60, 100 oder 150 Meter Höhe sehr gut tun. Das Büschl-Projekt würde auch die architektonisch einzigartige Paketposthalle aufwerten. Je höher, desto besser, denn umso eleganter wirkt das, bis etwa 200 Meter.